Mönchengladbach Der Trend geht zur Hausgeburt

Mönchengladbach · Janosch ist sechs Wochen alt, hat dichtes braunes Haar und liegt friedlich in den Armen seiner Mutter Stefanie Claßen (28). Die strahlt, wirkt ausgeglichen – keine Spur von Stress oder Unruhe. Sie gehört zu den derzeit noch wenigen Frauen in Deutschland, die sich für eine Hausgeburt entscheiden.

Janosch ist sechs Wochen alt, hat dichtes braunes Haar und liegt friedlich in den Armen seiner Mutter Stefanie Claßen (28). Die strahlt, wirkt ausgeglichen — keine Spur von Stress oder Unruhe. Sie gehört zu den derzeit noch wenigen Frauen in Deutschland, die sich für eine Hausgeburt entscheiden.

Etwa zwei Prozent aller Kinder werden nicht im Krankenhaus, sondern im Geburtshaus oder zu Hause zur Welt gebracht, Tendenz steigend. "Meine ersten beiden Kinder habe ich in der Klinik geboren, aber mir gefielen diese Geburten nicht." Also hat sie sich eine Hebamme gesucht und in Gudrun Schöngen-Oude Hengel ihre perfekte Vertrauensperson gefunden.

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet diese als Geburtshelferin, zuerst in einer Klinik in Köln, dann hat sie sich selbständig gemacht und ist zurück in ihre Heimat Mönchengladbach gezogen. "Die Hälfte meiner Geburten sind Hausgeburten", sagt die 43-Jährige.

Weniger Verletzungen und Infekte

Die Vorteile für sie liegen auf der Hand: "Es gibt eine Studie aus Kanada, die gezeigt hat, dass die Infektionsraten bei den Neugeborenen geringer sind, wenn sie zu Hause auf die Welt gekommen sind." Denn dort befinden sich keine gefährlichen Krankenhauskeime. Ebenfalls tragen die Mütter weniger Verletzungen davon. "Zum Beispiel haben sie seltener einen Dammriss." Und auch die Nebenwirkungen von Medikamenten bleiben aus, denn bei einer Hausgeburt verabreichen die Hebammen keine starken Beruhigungs- oder Schmerzmittel und auch keine Medikamente, die die Wehen beeinflussen.

Für die Mütter ist vor allem das psychische Erleben wichtig: "Ich habe mich von Anfang an sicher gefühlt und nur das gemacht, was ich wollte", erzählt Stefanie Claßen. Bei den ersten Geburten hätten die Schwestern und Ärzte ständig gewechselt, hätten ihr Vorschriften gemacht, wie sie sich verhalten soll. "Die meinten: ,Legen Sie sich jetzt auf die Seite.' Oder: ,Stellen Sie sich besser hin.' Das war mit alles zu fremdgesteuert."

Hebamme Gudrun Schöngen will den Frauen genau dieses Selbstbestimmt-Sein wieder zurückgeben. "In unserer Gesellschaft wird den Schwangeren gesagt, was sie alles nicht dürfen. Ihnen wird von vielen Ärzten das Gebfühl vermittelt, dass sie krank sind. Aber eine Schwangerschaft ist etwas Natürliches. Die Frauen müssen wieder lernen, auf ihren Mutterinstinkt zu hören."

Dennoch — das sagen sowohl Ärzte als auch Hebammen — gibt es Fälle, in denen eine Hausgeburt zu gefährlich ist. Dr. Gunnar Schwennicke ist leitender Oberarzt des Perinatalzentrums am Elisabeth-Krankenhaus und betreut ebenfalls viele Geburten. "Aus Sicht eines Geburtsmediziners rate ich von Hausgeburten ab. Die Gefahr für Komplikationen, die nicht vorhersehbar sind, ist zu groß." Es gäbe auch Schwangerschaften, bei denen die Frauen Risiken entwickeln, wie zum Beispiel hohen Blutdruck oder Schwangerschaftsdiabetes. "Auch besonders kleine oder große Kinder sollten besser im Krankenhaus auf die Welt kommen", sagt der Mediziner. Auch Gudrun Schöngen bestätigt: "Es gibt Fälle, bei denen ich die Hausgeburt ablehne."

Die Geburt des kleinen Janosch ist problemlos verlaufen. Er hat im Badezimmer der Familie Claßen das Licht der Welt erblickt. "Für meinen Mann und mich war diese Geburt das wundervollste Erlebnis in unserem Leben", sagt die Mutter. Der kleine Janosch kann dabei nur zufrieden lächeln.

(RP)
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