Wesel Lebens-Spuren nachgezeichnet

Wesel · Schüler des Leistungskurses Kunst des Andreas-Vesalius-Gymnasiums haben Bewohner des Martini-Stiftes porträtiert. Unter dem Motto "Teil-Bereiche" rückten die Künstler Details der Physiognomie in den Mittelpunkt.

 AVG-Schülerin Laura Taubach (vorn) zeigt stellvertretend für ihre Mal-Kollegen das Porträt einer 96-jährigen Bewohnerin. Auch Veränderungen durchs Alter an Nasen, Händen oder Füßen wurden festgehalten.

AVG-Schülerin Laura Taubach (vorn) zeigt stellvertretend für ihre Mal-Kollegen das Porträt einer 96-jährigen Bewohnerin. Auch Veränderungen durchs Alter an Nasen, Händen oder Füßen wurden festgehalten.

Foto: Malz

Längst ist es schöne Tradition geworden, dass Schüler des Leistungskurses Kunst am AVG über den soziokulturellen Tellerrand der eigenen Peergroup hinausschauen und sich intensiv mit alten Menschen beschäftigen.

Passend zur Martini-Woche gibt es im benachbarten Martini-Stift die nunmehr sechste Ausstellung, die das Teilen auch künstlerisch sichtbar macht. "Wir nutzen die Nähe zum Stift, um interessante Modelle zu finden", sagt Kunstlehrerin Beate Florenz-Reul, die gemeinsam mit Gisela Henschel vom Martini-Stift das Projekt begleitet. "Gleichzeitig wird durch den Kontakt die Schwellenangst bei der Begegnungen zwischen Jung und Alt abgebaut."

Nase, Augen und Mund schweben

In den zurückliegenden Jahren war vielfach nach Fotos gemalt worden. Mit dem Vor-Ort-Besuch im Stift ist man zu den Wurzeln des Austausches zurückgekehrt. Spannend fand das Projekt beispielsweise Nadia Mir-Montazeri, die vorhat, später Design zu studieren: "So konnten wir einmal dem Bereich der Kunsttheorie entkommen und durften live zeichnen." Sie brachte drei Profile zu Papier.

Höchst interessante Zeichnungen zu Teil-Bereichen der Physiognomie entstanden überall. Skizzen und Ausschnitte wurden zum Thema genommen. Mit Feder, Pinsel, Kohle oder Bleistift wurde gearbeitet. Das Projekt trifft sich gut: im nächsten Zentralabitur steht Albrecht Dürer im Mittelpunkt. Dessen detailgetreue, fein strichelnde Arbeitsweise haben die Schüler zweifellos gut nachempfunden. Jeder kennt zum Beispiel den 509 Jahre alten "Feldhase(n)".

So wie Dürer die Natur mit all ihren Schönheitsfehlern darstellte, unter anderem am Bildnis der Mutter, so haben auch die Schüler die Spuren des Lebens, die sich in die Gesichter eingegraben haben, sorgfältig wiedergegeben und damit, ohne zu idealisieren, ihre Sympathie für die jeweilige Lebensgeschichte ihres Modells bekundet.

Veränderungen durch das Alter fanden ihr Interesse, etwa an Nasen, an Händen oder Füßen. Manche verzichteten auf Konturen und ließen Augen, Nase und Mund quasi schweben. Andere zeichneten lieber die vielen kleinen Details, die den Alltag der alten Menschen begleiten: den Wellensittich, die Brille, den Esslöffel.

Die Senioren freuten sich über den Besuch, boten den Künstlern Süßigkeiten an und plauderten gern aus ihrem Leben. Laura Taubach erzählt vom Besuch bei einer 96-jährigen Dame. "Auch wenn sie sehr ernst wirkte, so hat sie sich doch über den Besuch gefreut und viel erzählt. Trotzdem war sie zuerst ein bisschen verunsichert, genauso wie ich selbst."

Laura zeichnete auf braunem Ingres-Papier. Ihr Gesicht zeigt ein höchst lebendiges und kritisches Auge, bei dem sie mittels der Technik des sogenannten Höhens mit weißen Akzenten einen interessanten plastischen Effekt erzielte.

(age)
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