Mönchengladbach Die Mappe der Schuhmacher

Mönchengladbach · Der ehemalige Obermeister der Rheydter Schuhmacher-Innung hat eine Mappe zusammengestellt, die alte Fotos und Berichte enthält. Sie erinnern an die Zeit, in der die Schuhmacherei das wichtigste Handwerk war.

 Josef Titz mit der geschichtsträchtigen Mappe der Rheydter Schuhmacher-Innung.

Josef Titz mit der geschichtsträchtigen Mappe der Rheydter Schuhmacher-Innung.

Foto: Isabella Raupold

Rheydt Die erste Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1946. Es handelt sich um eine Preisliste für Sohlen und Absätze. Damals kosteten zum Beispiel neue Sohlen für Damenschuhe etwa fünf Mark. "Das war für die Zeit richtig teuer", weiß Josef Titz, Schuhmacher im Ruhestand und ehemaliger Obermeister der Rheydter Schuhmacher-Innung. Er hat sich dem Vermächtnis der Innung angenommen: einer alten Mappe, die Aufzeichnungen von früher enthält.

Die mittelbraune Ledermappe fand Titz 1975 in einem Tresor der Rheydter Innung, als diese mit der Innungen Gladbach zusammengelegt wurden. Das silberne Emblem mit einem Doppelkopfadler auf der Vorderseite zeigte, wie alt die Mappe sein muss. Sie beinhaltete Fotos, Erinnerungen, Aufzeichnungen aus einer Zeit, in der die Schuhmacherkunst noch das wichtigste Handwerk war. "Denn die Leute brauchten doch Schuhe, um zur Arbeit zu laufen", sagt Titz. Er restaurierte das Leder und sammelte fortan die Erinnerungen der Innung.

Titz selbst hat sich 1961 in Rheydt selbstständig gemacht. Mitglied der Innung war er von Anfang an. "Der Zusammenschluss war ja wichtig für uns. Wir waren immer zwischen 15 und 18 Mitglieder in Rheydt." So sorgte die Innung dafür, dass die Schuhmacherausbildung ordentlich ablief, dass Uneinigkeiten schnell geklärt werden. Der Aufschwung der Nachkriegszeit verhalf dem Schuhmacher Titz und vielen Kollegen zu Wohlstand. Doch dann bekamen die Schuhmacher Konkurrenz: In der Mappe liegt ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 1978. "Damals hat die Innung dagegen geklagt, dass Nicht-Schuhmacher Absätze gemacht haben", sagt Titz. Das Urteil, das zu Gunsten der Nicht-Schuhmacher ausfiel, ist für Titz noch heute ein wichtiges Dokument. Es zeigt, wie sich die Arbeitswelt in den Jahren verändert hat. Im Jahr 1981 feierte die Rheydter Innung ihr 100-jähriges Bestehen. Titz hat Einladungen, Speisekarte, Fotos aufgehoben, um zu zeigen, wie groß der Zusammenhalt in der Gruppe gewesen ist. Ebenfalls wurden zahlreiche Ausflüge organisiert: Es ging nach München, Hamburg und an den Rhein. Auch ein privates Erlebnis hält Titz in der Mappe in Erinnerung: Im Jahr 1982 ist er dreieinhalb Monate mit dem Fahrrad über Spanien nach Afrika gefahren, um dann über Italien zurück nach Rheydt zu gelangen. "Das war ein Jugendtraum von mir."

Heute arbeitet Josef Titz nicht mehr. Er hat sich in den vergangenen zwei Jahren der Innungsmappe gewidmet und die Erinnerungen sortiert und aufgeklebt. "Zuletzt hatten wir 2005 ein Weihnachtsessen", erzählt er. Doch die meisten Innungsmitglieder seien heute nicht mehr am Leben. "Auch mit dem Nachwuchs ist es schwierig. Denn heutzutage lässt ja kaum jemand mehr seine Schuhe reparieren", sagt Titz.

Wer eines Tages die Mappe erhalten wird, weiß Titz nicht. Er will nur eins: "Sie soll in gute Hände kommen und weiter geführt werden, damit wir älteren Herren in Erinnerung behalten werden."

(RP)
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