Der große Test in NRW Umstieg vom Auto auf die Bahn

Düsseldorf · Unser Reporter fährt eigentlich immer mit dem Auto – das ändert sich jetzt. Georg Amend testet Strecken und Züge in NRW. Bei seinem ersten Einsatz merkt er schnell, dass er ein völliger Bahn-Laie ist und nur einer von vier Zügen pünktlich kommt.

 Georg Amend fährt eigenlich keine Bahn. Bis jetzt.

Georg Amend fährt eigenlich keine Bahn. Bis jetzt.

Foto: Andreas Endermann

Unser Reporter fährt eigentlich immer mit dem Auto — das ändert sich jetzt. Georg Amend testet Strecken und Züge in NRW. Bei seinem ersten Einsatz merkt er schnell, dass er ein völliger Bahn-Laie ist und nur einer von vier Zügen pünktlich kommt.

Ich bin Autofahrer. Das ist kein spektakuläres Outing, aber es heißt: Die Bahn war bislang nicht mein bevorzugtes Transportmittel: Ein Mal nach Köln, ein Mal nach Hamburg, ein Mal in die Toskana — das war's, wenn man die Male vernachlässigt, in denen ich drei Stationen S-Bahn gefahren bin. Ab sofort wird diese Liste erweitert — jetzt bin ich Bahnreporter.

Dass mich diese Bezeichnung noch nicht für eine Zugfahrt qualifiziert, wird mir direkt am Hauptbahnhof Düsseldorf klar. Am Service-Point der Deutschen Bahn frage ich den Mann am Schalter, ob ich bei ihm ein Ticket kaufen kann. "Leider nein. Entweder am Automaten oder im Reisecenter."

Um im Reisecenter ein Ticket zu bekommen, muss man ein Ticket ziehen. Meines trägt die Nummer 1499, und sobald diese aufleuchtet, darf ich an einen Schalter gehen. Es ist 10.16 Uhr. Um 10.29 Uhr erscheint 1499 auf dem Monitor, die Dame an Schalter 4 — einem von sechs geöffneten — hat den Bahn-Laien "gewonnen". "Ich würde gerne den ganzen Tag durch NRW fahren. Was wäre das beste Ticket für mich?" "Sind Sie Single?" "Bitte? Nein, verheiratet." Genervtes Augenrollen. "Ob Sie alleine reisen, meine ich." "Ach so, ja." "Dann das NRW-Ticket S-i-n-g-l-e", sagt die Schalter-Dame betont. Hab' ich verstanden. Trotzdem eine Frage: "Und damit kann ich mit allen Bahnen fahren?" "Ja. Mit allen Bussen und Bahnen in allen Städten in NRW. Das macht 29 Euro." Ich überreiche einen 50er und frage: "Was wäre gewesen, wenn ich den Schein in den Automaten gesteckt hätte?" "Der hätte den gar nicht genommen. Der nimmt nur den zum Fahrpreis nächstgrößeren Schein." Ich spare mir die Frage, wo ich einen 30-Euro-Schein bekomme.

Plötzlich eine Durchsage

Auf dem Weg zu Gleis 16, wo ich in den "NRW-Express", den RE 1 nach Aachen, einsteigen will, höre ich, dass der ICE nach Frankfurt zirka 45 Minuten Verspätung hat. Der RE 1 ist pünktlich, ich steige um 10.41 Uhr ein. Um 11.04 Uhr stempelt der erste Schaffner mein Ticket, 20 Minuten später der zweite. Plötzlich eine Durchsage: "Wegen einer Weichenstellung können wir den Bahnsteig Langerwehe nicht anfahren." Was es nicht alles gibt.

In Aachen suche ich einen neuen Zug — ich will ja Bahnprofi werden. Nach dem NRW-Express, der rund 90 Minuten benötigte, soll's nun schneller gehen. Der ICE 15 nach Frankfurt sieht gut aus — der sollte um 11.39 Uhr an Gleis 9 ankommen, hat aber 50 Minuten Verspätung. Das wäre ungefähr jetzt. So steht es auch an Gleis 9 — bis die Anzeige umspringt: Der ICE 16 nach Brüssel kommt als nächstes. Was ist da los? Ich frage das Bahnpersonal. "Der ICE 15 hat 80 Minuten Verspätung." "Warum?" "Wahrscheinlich ein technischer Defekt. Das steht nicht in der Mitteilung."

In der Verspätung pünktlich

In der Verspätung ist der ICE aber pünktlich: Um 12.59 Uhr fährt er auf Gleis 9 ein — aber nicht direkt wieder ab. "Die Weiterfahrt verzögert sich um zehn Minuten", lautet die Durchsage. Kopfschütteln bei den Fahrgästen, die schon länger in diesem Zug sind. Ich nutze die Zeit, besichtige den ICE. Ein Bordrestaurant, toll. Fünf Bahn-Mitarbeiter sind die einzigen Gäste. Ich bestelle einen Kaffee und frage den Mann mit den meisten roten Streifen auf den Schultern, was denn mit diesem Zug los ist, der dauernd Verspätung hat. "Es ist kalt, da fahren die Züge nicht", sagt er. Wenige Meter weiter sagt eine Zugbegleiterin: "Das hat wahrscheinlich was mit der Stromumstellung zu tun."

Um 13.15 Uhr fährt der ICE los, er soll um 13.45 Uhr in Köln sein. Kurz nach der Anfahrt fragt eine Zugbegleiterin in die Runde: "Ist noch jemand dazu gestiegen?" Ich melde mich und überreiche mein NRW-Ticket. "Mit diesem Ticket dürfen Sie eigentlich nicht hier mitfahren." "Das tut mir leid. Aber in Düsseldorf haben die mir gesagt, dass ich damit in allen Zügen fahren kann." Erneut merke ich — auch an ihrem Blick —, dass ich ein absoluter Bahn-Laie bin. "Ihr Ticket gilt nur für den Nahverkehr, also Regio- oder S-Bahnen. Für den Fernverkehr gibt es so etwas nicht. Aber wenn Sie am nächsten Halt in Köln aussteigen, ist das mal in Ordnung." Danke.

Um 14.02 Uhr ist der ICE in Köln, und ich suche eine Regio-Bahn, die mich nach Düsseldorf zu einem Termin bringen kann — es wird RE 5, Gleis 3. Auf dem Weg schmunzele ich über die Durchsage, dass im Wagen 9 des IC 2024 nach Hamburg-Altona die Heizung ausgefallen ist — kurz darauf bereue ich die Schadenfreude. Der RE 5 hat zehn Minuten Verspätung — ich verschiebe meinen Termin um 15 Minuten.

Als ich abends nach Hause will, hat die S 6 zehn Minuten Verspätung. "Grund ist ein technischer Defekt an einem anderen Zug." Später lese ich auf der Internetseite der Deutschen Bahn, dass ihre Personenzüge im Jahr 2011 zu 92,2 Prozent pünktlich waren. Dumm, dass ich erst jetzt Bahnreporter werde.

(RP/jre/csi/top)
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