Steiger-Awards in Bochum Erdogan sagt Deutschland-Besuch ab

Bochum · Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan hat seinen für Samstag geplanten Besuch in Deutschland abgesagt. Er sollte bei der Verleihung des Medienpreises Steiger-Awards in Bochum ausgezeichnet werden.

Recep Tayyip Erdogan: Das ist der türkische Staatspräsident
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Wie der Veranstalter der Preisverleihung auf seiner Internetseite mitteilte, wurde die Absage mit dem Absturz eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan begründet. Bei dem Unglück kamen 14 Menschen ums Leben.

Erdogan sollte am Samstagabend in Bochum mit dem Steiger Award 2012 ausgezeichnet werden. Der Preis sollte ihm "für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft stellvertretend für das türkische Volk" übergeben werden, wie die Veranstalter mitteilten. Mit dem aus einer Privatinitiative entstandenen Preis sollen laut den Initiatoren Persönlichkeiten gewürdigt werden, "die sich durch Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz auszeichnen". Die Veranstalter hätten "Erdogan gerne bei uns begrüßt". Man habe aber Verständnis für die Absage. "Unser Mitgefühl gilt den Familien der Opfer."

Proteste trotz Erdogans Absage

Die geplante Auszeichnung Erdogans war heftig kritisiert worden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, einen Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan zu vergeben, sei eine bizarre und geschmacklose Fehlleistung. In der Türkei herrsche Unterdrückung von religiösen und ethnischen Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit und fehlende Gleichberechtigung von Frauen. Starke Kritik an die Verleihung äußerten auch die Grünen und der Deutsche Journalisten-Verband.

Auch nach der Absage Erdogans rechnet die Polizei in Bochum weiterhin mit erheblichen Protestkundgebungen. "Die Demonstrationen stehen noch so wie sie angemeldet worden sind", sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. Gegen die Preisverleihung wollen nach Polizeiangaben ab Samstagmittag weiterhin mehrere tausend Menschen in der Bochumer Innenstadt protestieren.

Demonstrationen wurden unter anderem von alevitischen, armenischen und kurdischen Organisationen angemeldet. Sie sehen den Preis an Erdogan als einen "Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der Türkei". Allein der Dachverband der alevitischen Gemeinden kündigte 20.000 Protest-Teilnehmer an. Die Bochumer Polizei hat Unterstützung in anderen Städten angefordert, um für die Menge an Demonstranten gewappnet zu sein.

Auf die Veranstaltung in Bochum werde sich die Absage nicht auswirken, sagten die Veranstalter. "Wir haben noch zehn weitere Preisträger", sagte der Event-Manager Sascha Hellen. Der Fokus der Berichterstattung in den Medien habe sich zuletzt auf Erdogan konzentriert. Unter anderem werden die schwedische Königin Silvia und der frühere Bundespräsident Horst Köhler erwartet.

Seit 2005 wird der undotierte Steiger Award jährlich an Personen vergeben, die sich für Menschlichkeit und Toleranz einsetzen.

Nato-Hubschraubers stürzte nahe Kabul ab

Beim dem Absturz des türkischen Nato-Hubschraubers wurden in Afghanistan zwölf Soldaten und zwei Zivilisten getötet. Der Helikopter war nach Polizeiangaben am Freitagvormittag aus noch ungeklärter Ursache in ein Haus nahe der Hauptstadt Kabul gestürzt und hatte Feuer gefangen. Die Türkei ist mit 1850 Soldaten am internationalen Afghanistan-Einsatz beteiligt.

Bei den beiden getöteten Zivilisten handelte es sich um zwei Frauen, die an der Unglücksstelle lebten, wie das Innenministerium in Kabul mitteilte. Die Insassen des Hubschraubers vom Typ Sikorsky stammten aus der Türkei.

Die Trümmerteile sollen nun genau untersucht werden, um die Unglücksursache zu klären. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sprach von einem möglichen "Unfall bei einer Notlandung". Die NATO-Truppe ISAF schloss ihrerseits einen Angriff vorerst aus. Erste Hinweise deuteten darauf hin, dass es zum Absturzzeitpunkt "keine Feindesaktivität" gegeben habe, erklärte sie.

Die Türkei ist mit 1850 Soldaten am internationalen Afghanistan-Einsatz beteiligt. In Kabul führen die türkischen Truppen das dortige Regionalkommando.

(rm)
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