Wie es im Vorfeld scheint, ist in der lombardischen Metropole ein außergewöhnlich starker Aufschlag zu erwarten: Außer Harley-Davidson, Indian, Suzuki und Victory, die ihr Neuheiten-Pulver für 2015 schon verschossen haben, glänzen in Mailand alle renommierten Hersteller mit einem oder sogar mehreren neuen Modellen.

Vor allem die italienischen Hersteller haben ihre Neuheiten 2015 bisher nur sehr sparsam ans Licht kommen lassen; der größere Teil der Neumodelle made in Italy wird in den Mailänder Messehallen erstmals zu sehen sein. Von Aprilia erwartet man, dass die Vierzylinder-Powerbikes mehr oder weniger starke Modellpflege-Streicheleinheiten erhalten; im Falle der unverkleideten Tuono gibt es Gerüchte über einen von 1.000 auf 1.100 Kubikzentimeter wachsenden V4-Motor.

Schon raus ist, dass Ducati einen neuen 1,2 Liter-Motor in L-Konfiguration zeigen wird, der durch eine variable Ventilsteuerung glänzt. Das soll Laufkultur und Leistung steigern und zugleich den Verbrauch senken. Den größten Effekt könnte die Marke aus Bologna wohl erzielen, wenn sie das neue Triebwerk in die nächste Generation der Multistrada einbauen würde.

Bereits kurze Zeit im Internet zu sehen war eine hubraumgrößere Version des Superbikes 1199 Panigale. Auf dem schnell wieder zurückgezogenen Foto, das offenbar auf einer Händlerpräsentation entstanden war, konnte man die Typenbezeichnung 1299 lesen.

Auch Moto Guzzi wird in Mailand Neues zeigen. Von Insidern der Marke war zu hören, dass die California-Modellreihe mit 1.400 Kubik-Motor ausgebaut wird; Andeutungen dazu hatte Chefdesigner Mario Galluzzi bereits im Juli in Interviews gemacht.

Die Katze bereits aus dem Sack gelassen hat vergangene Woche MV Agusta, seit kurzem als mögliches Invest von Daimler Benz im Gespräch. In Varese hat man die Modelle Brutale 800 Dragster und Brutale 800 von 125 auf nunmehr 140 PS aufgerüstet und die neuen Versionen jeweils mit dem Kürzel RR ausgestattet. Insbesondere die mit Speichenrädern und extremer Linienführung versehene Dragster 800 RR ist ein Hingucker erster Güte geworden — erst recht in der Farbkombination rot-weiß.

Bleiben wir bei den supersportlichen Motorrädern. Diese Art Bikes gibt es immer häufiger auch im Bonsai-Format. Zur EICMA zeigt Yamaha erstmals das Modell YZF-R3 mit einem 321 Kubikzentimeter kleinen Zweizylinder-Reihenmotor und 42 PS Leistung. Ebenfalls dort zu sehen sein wird die vollkommen neue YZF-R1, deren technische Daten momentan noch streng geheim sind. Um den derzeitigen Platzhirsch im Segment, die vor vier Wochen in Köln vorgestellte neue BMW S 1000RR zu toppen, wird ein großer Wurf von Yamaha nötig sein.

Ebenfalls im Supersport-Segment angesiedelt ist die neue Kawasaki Ninja H2, deren nicht homologiertes Sondermodell bereits in Köln präsentiert worden ist. Für Mailand hat Kawasaki die Vorstellung der zulassungsfähigen Version angekündigt, verschweigt aber bislang die technischen Daten. Wir tippen auf gut 200 PS für den neuen Einliter-Vierzylinder-Kompressormotor, der vor allem bisher ungekannte Beschleunigungswerte ermöglichen soll. Kawasaki wird aber zur EICMA noch in einem ganz anderen Segment aktiv: Mit der Vulcan S zeigen die Japaner, wie sich nach ihrer Ansicht die Mittelklasse-Cruiser entwickeln werden. Hin zu einer "urbaneren" Optik und einer gesteigerten Nutzerfreundlichkeit im Stadtverkehr.

Ganz im Gegenteil dazu dürfte eine Neuentwicklung von Honda stehen, über die allerdings bereits seit Jahren spekuliert wird und von der momentan auch noch nicht klar ist, ob sie in Mailand wirklich schon in Serienversion erscheinen wird: Ein Nachfolgemodell der legendären Reiseenduro Africa Twin ist seit Jahren überfällig.

Die seit Ende des vergangenen Jahres verstärkten Anstrengungen von Honda im Rallyesport lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass die neue Africa Twin tatsächlich auf der EICMA ihre Premiere feiern wird. Ebenfalls schon lange erwartet wird von Honda ein Technologie-Highlight im Supersport-Bereich. Es wäre kein Wunder, wenn das Super-Superbike mit V4-Motor, eng an die Werksrenner angelehnt, in Mailand zu sehen wäre.

Immer wieder kritisiert, vor allem in punkto Fahrwerk, werden die kleinen Reiseenduros von Triumph, die Modelle Tiger 800 und Tiger 800 XC. Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn der englische Hersteller diesen beiden Modellen die nach vier Jahren nötige Überarbeitung angedeihen lassen würde. Immerhin hat Honda erst kürzlich die neue VFR 800X Crossrunner vorgestellt, die ebenfalls in diesem Segment angesiedelt ist.

Und wie schaut es mit den beiden größten europäischen Herstellern aus, also mit BMW und KTM? Von den Österreichern wird gemunkelt, sie würden ihr Adventure genanntes Reiseenduro-Angebot mit einer 1.050er Version erweitern, die in leistungsreduzierter Version auch mit dem Führerschein A2 gefahren werden könnte. Von BMW weiß man, dass eine Art "bayerischer Multistrada" mit vier Zylindern in Arbeit ist, die einige Gene der Boxer-GS und des unverkleideten Roadsters S 1000R vereinen soll.

Ob dieses Crossover-Modell tatsächlich schon so weit fertig ist, dass es in Mailand gezeigt wird, ist unbekannt. Vorstellbar ist dagegen, dass man dem sehr erfolgreichen Roadstermodell der 800er Baureihe, der F 800R, eine Auffrischungskur gönnt und auf der EICMA die nächste Generation präsentiert. Ob sie vielleicht gar den fantastischen 900 Kubik-Motor der verblichenen Husqvarna Nuda erhalten wird?

Interessant zu sehen sein wird in Mailand auch, ob das engagierte Projekt der Wiederauferstehung der in den 1930er Jahren verblichenen englischen Marke Brough-Superior im Lauf der letzten 12 Monate Fortschritte gemacht hat. Vor Jahresfrist war ein Prototyp einer neuen SS 100 gezeigt worden, verbunden mit der Aussage, 2015 sei die Serienversion zu haben.