Borussia Mönchengladbach Die Bundesliga braucht diese Derbys

Mönchengladbach · Die Bundesliga – ein Premium-Produkt. Ein Selbstläufer. Ein Verkaufsschlager. Eine Erfolgsgeschichte. Die Macher des Ligaverbandes DFL wie die Macher in den Vereinen selbst werden nicht müde, Fußball-Deutschland regelmäßig darüber zu informieren, wie sehr sein liebstes Kind doch inzwischen boomt.

Gladbach gegen Köln: Elf Fakten zum Derby
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Foto: dpa, rwe nic

Die Bundesliga — ein Premium-Produkt. Ein Selbstläufer. Ein Verkaufsschlager. Eine Erfolgsgeschichte. Die Macher des Ligaverbandes DFL wie die Macher in den Vereinen selbst werden nicht müde, Fußball-Deutschland regelmäßig darüber zu informieren, wie sehr sein liebstes Kind doch inzwischen boomt.

Neulich erst wurde publik, dass die Bundesliga in der Saison 2013/2014 ihren zehnten Umsatzrekord in Folge aufgestellt hatte. 2,45 Milliarden Euro standen hier unter dem Strich — 12,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 13 von 18 Bundesligisten schreiben schwarze Zahlen. In den vergangenen fünf Jahren zahlten die Bundesligisten zusammen mehr als vier Milliarden Euro Steuern an den deutschen Fiskus, 48.830 Menschen arbeiteten 2013/2014 im Bundesligazirkus.

Ein wichtiger Faktor dieser Erfolgsgeschichte: die TV-Präsenz. Die Erlöse stiegen in den vergangenen Jahren stetig in die Höhe, gleichzeitig verzeichnet der Pay-TV-Anbieter Sky steigende Abo-Zahlen. Noch immer liegt der Branchenprimus, die englische Premier League, bei den Fernsehgeldern weit voraus, aber die Bundesliga hat den Abstand verkürzt. Und sie will ihn weiter verkürzen. Dabei besonders im Fokus: die Bundesliga als globale Marke. Die Strategen der DFL wollen ihr Produkt weltweit vermarkten, in immer mehr Regionen, in immer mehr Absatzmärkte, für immer neue Kunden. So soll beispielsweise der Vertrag mit dem US-Sender Fox, den die DFL im Herbst 2013 abgeschlossen hat und der mit der Spielzeit 2015/2016 beginnt, dazu beitragen, den Umsatz aus der Auslandsvermarktung für die Bundesliga auf rund 150 Millionen Euro zu verdoppeln.

Doch die Bundesliga stößt bei diesem Streben nach stetigem Wachstum ihrer Einnahmen womöglich bald auf ein ernstes Problem. Eines, das das Premium-Produkt nachhaltig ausbremsen könnte. Es handelt sich dabei um den elementaren Bestandteil des Fußballs: die sportliche Entwicklung. Man stelle sich ganz einfach folgendes Szenario vor, das vor Jahren noch als Hirngespinst eines Berufs-Pessimisten hätte abgetan werden können, nun aber als durchaus denkbar am Horizont steht: Am Ende der laufenden Saison steigen Borussia Dortmund, der VfB Stuttgart und der Hamburger SV in die Zweite Liga ab, und im Gegenzug steigen RB Leipzig, der FC Ingolstadt und Darmstadt 98 in Liga eins auf. Das hätte ab August eine Zusammensetzung der Ersten Liga zur Folge, die zum Beispiel einen solchen Spieltag nach sich ziehen könnte:

Eintracht Frankfurt — SC Freiburg
Hannover 96 — Mainz 05
Borussia MG — Darmstadt 98
FC Ingolstadt — VfL Wolfsburg
SC Paderborn — Bayern München
1. FC Köln — RB Leipzig
Hertha BSC — Bayer Leverkusen
1899 Hoffenheim — Werder Bremen
FC Schalke 04 — FC Augsburg

Fände man in diesen neun Partien das Spiel, das an so einem Spieltag zwingend das Top-Spiel am Samstagabend um 18.30 Uhr sein müsste? Welche Partie entwickelt schon Tage vorher bundesweit eine Brisanz, so dass man es in Flensburg wie in Oberstdorf kaum erwarten kann, dass endlich Anpfiff ist? Da bedarf es schon gehöriger marketing-technischer Kniffe, um eine dieser Partien zum "Must- See"-Event hochzustilisieren. Mit einem solchen Spieltag hätte die DFL zweifelsohne ein Problem — und das gilt besonders auf dem internationalen Markt. Denn wenn sich schon heute hierzulande die Sky-Quoten für Spiele zwischen Wolfsburg und Leverkusen im nicht messbaren Bereich bewegen, so dass eine Einschaltquote von 0,0 Prozent ausgegeben wird, wer soll sich dann bitteschön morgen auf dem amerikanischen Kontinent allen Ernstes für Ingolstadt gegen Wolfsburg begeistern lassen? Und wer soll in einem zweiten Schritt bereit sein, dafür zu zahlen?

Die Liga droht an Attraktivität zu verlieren. Auf dem Platz. Auf den Rängen. Vor dem Fernseher. Und in den Medien. Die "Welt” schrieb neulich, "es droht eine Verschiebung weg von den Traditionsvereinen, hin zu hochgepäppelten Retortenklubs”. Wenn der BVB, Stuttgart und der HSV absteigen, verliert die Bundesliga nicht nur drei Traditionsclubs, sie verliert gleichzeitig auch über 13 Millionen Facebook-Likes und ein addiertes Stadion-Fassungsvermögen von fast 200.000 Fans. Ingolstadt, Leipzig und Darmstadt bringen zusammen im Gegenzug weniger als 200.000 Facebook-Likes und nur 75.000 Plätze mit. Die DFL braucht also mehr denn je Highlights im Spielplan — gerade vor dem Hintergrund, dass der Kampf um den Meistertitel angesichts der Dominanz der Bayern auf Jahre auszufallen droht. Das Premium-Produkt Bundesliga braucht Spiele, die elektrisieren. Es braucht Derbys wie Mönchengladbach — Köln, wie den ewig jungen rheinischen Vergleich, wie er heute nachmittag im Borussia-Park stattfindet.

Borussia gegen den FC gewinnt künftig aus Sicht der Liga-Vermarkter als Spiel noch einmal mehr an Bedeutung, weil es als Aushängeschild taugt. Es ist ein Spiel, auf das die Fans in beiden Lagern wochenlang hinfiebern, das selbst bei den beteiligten Profis ein anderes Kribbeln auslöst als andere Partien. Es ist ein Spiel, um das herum niemand krampfhaft Geschichten erzeugen muss, weil es immer Geschichten hervorgebracht hat und immer hervorbringen wird — Geschichten, die die Faszination des Fußballs transportieren und damit genau das tun, was die Bundesliga braucht, um ihren Boom am Leben zu erhalten. Gladbach gegen Köln produziert verlässlich Emotionen, weil es als ausverkauftes Derby von eben solchen Emotionen lebt. Diese Partie ist Folklore, Lebensinhalt oder Spiel des Jahres — je nach Vorliebe, je nach persönlicher Färbung des Betrachters, aber sie lässt in jedem Fall kaum einen kalt, der sich ihr widmet.

Borussia Mönchengladbach: Jecke Spiele an Karneval
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Jecke Borussen-Spiele an Karneval

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Es wird für die Bayern-dominierte Bundesliga zunehmend schwieriger, etwas naserümpfend auf spanische Verhältnisse hinzuweisen, wo entweder der FC Barcelona oder Real Madrid Meister werden, weil das eben so nicht mehr stimmt. Stattdessen betonen Verantwortliche hierzulande inzwischen mit Vorliebe, die Faszination der Bundesliga liege darin, dass sie so ausgeglichen sei und eigentlich jeder jeden schlagen könne. Nur: Vielen wäre es wohl egal, ob künftig Ingolstadt Hoffenheim schlägt oder umgekehrt. Der märchenhafte Aufstieg des FC Augsburg lässt sich eine Saison lang als Geschichte schön verpacken, eine zweite nicht mehr. Fußball-Deutschland labt sich womöglich eine Zeit lang am Scheitern des HSV, aber nicht jahrelang. Ein Derby wie Gladbach gegen Köln ist von der Faszination her, die es auslöst, dagegen zeitlos. Das macht es aus DFL-Sicht zu einem dringend benötigten, verlässlichen Quoten- und Zuschauertreiber.

Die Bundesliga steht und fällt mit der Qualität ihrer 18 Mitglieder. Der Qualität, für Fans in den Stadien und Zuschauer vor den Fernsehern zu sorgen. Ein oder zwei "Exoten” in Form von mäzen-getriebenen Kunstprodukten wie RB Leipzig oder 1899 Hoffenheim oder Underdogs wie Paderborn kann die Liga im Verbund auffangen. Wenn sie allerdings überhandnehmen, wird es schwierig für die Bundesliga als Ganzes, die Faszination für ihr Produkt glaubwürdig hochzuhalten. Borussia steht für Faszination. Für Boom. Für ein verlässlich volles Stadion, selbst gegen nicht so attraktive Gegner in der Europa League. Die Uefa schmückt sich nicht umsonst so gerne mit den Gladbachern, veranstaltete ja nicht ohne Grund den offiziellen Auftakt zur diesjährigen Europa League im Borussia-Park.

Die Zeiten sind gut wie nie für ein Derby wie Borussia gegen Köln. Allein, das ist keine gute Nachricht für die Bundesliga.

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