Literpaturprojekt "Glaube, Liebe, Hoffnung" Das Glaubensbekenntnis von "Pegida"

Dresden · "Glaube, Liebe, Hoffnung", das ist einer der bekanntesten Dreiklänge des Neuen Testaments. Die zentralen Begriffe stammen aus dem 1. Brief Paulus' an die Korinther. In seiner verkürzten Version ist das in dem Brief enthaltenen "Hohelied der Liebe" einer der meistgewählten Trausprüche und nun Ausgangspunkt für ein Literaturprojekt, dass Einblicke in den Glauben der "Pegida"-Bewegung gewährt.

Pegida: Literaturprojekt sammelte Facebook-Bekenntnisse
Foto: Kay Nietfeld

Unter Papst Gregor dem Großen entwickelte sich aus den drei Begriffen der Kanon der sieben Tugenden. Glaube, Liebe und Hoffnung sind unter diesen Tugenden die göttlichen. Diese religiös aufgeladenen Worte haben zwei deutsche Studenten nun als Ausgangspunkt für ein Literaturprojekt gewählt.

Ein Bibelzitat zu Beginn

Gregor Weichbrodt (27) und Hannes Bajohr (30) haben die Aussagen von Anhängern der "Pegida"-Bewegung drei Kategorien untergeordnet. Insgesamt 282.596 Kommentare von der Seite der "Pegida"-Bewegung im sozialen Netzwerk Facebook haben der Kommunikationsdesigner und der Literaturwissenschaftler für einen Textkorpus gesammelt. Aus diesem entstand das Projekt "Glaube, Liebe, Hoffnung", dem bewusst ein Bibelzitat vorangestellt wurde: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen."

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Dabei war zu Beginn der Sammlung noch nicht klar, dass sich das Projekt zu einer Art Glaubensbekenntnis der "Pegida"-Bewegung entwickeln würde. Die Kommentare auf der Facebook-Seite hatte Gregor Weichbrodt zunächst eher zu dokumentarischen Zwecken gesammelt. "Ich war zunächst erschrocken, was Teilnehmer einer Demonstration in einem Fernsehbeitrag erzählten. Wir wollten ähnliche Kommentare auf Facebook erstmal sichern, um später damit arbeiten zu können", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Relativ schnell sei aber deutlich geworden, dass das "Hohelied der Liebe" gut als Vorlage für ein Projekt über die "Patriotischen Europäern gegen eine Islamisierung des Abendlandes" passen würde. Schließlich positioniere sich die Bewegung selbst als Bewahrerin christlicher Werte.

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Manche Sätze sind voller Hass

Zu jedem Begriff des bliblischen Trios der göttlichen Tugenden finden sich in dem im Internet veröffentlichten Projekt dann auch mehrere Dutzend bis Hunderte Zitate. Zum Thema Glauben schreibt etwa ein Facebook-Nutzer "Ich glaube an Gott", ein anderer ergänzt: "Ich glaube an die Worte Jesu und die haben hier in Europa nicht nur Schaden angerichtet." Die Kommentare bilden sowohl kurze Bekenntnisse wie auch aufwendige Welterklärungsversuche ab. Besonders verschwörungstheoretische Beiträge bewegen sich oft entlang der Grenze zur Volksverhetzung, wie dieses Beispiel zeigt: "Ich glaube daran, dass die Rothschild NWO hier mehr lenkt als man glaubt , aber in diesem bevorstehenden Krieg werden auch Juden unter den Opfern sein." In solchen Kommentaren werden besonders oft Abgrenzungen zwischen Religionen, Nationen und Ethnien vorgenommen. Dass die Liebe dem "Hohelied" nach die wichtigste unter den Tugenden gilt, ist aus diesen Kommentaren nicht mehr herauszulesen.

Auch unter der Überschrift "Liebe" finden sich bei den Studenten Zitate, die wenig bis gar nichts mit der christlichen Nächstenliebe zu tun haben. Die Sätze, die "Pegida"-Anhänger mit den Worten "Ich liebe..." begonnen haben, zeugen viel mehr von einem tiefliegenden Hass. "Ich liebe den Schwarzen lieber als den kapitalistischen Juden, der seine eigene Brut aufhängen lässt!", heißt es etwa. Die einzige offen geäußerte Liebe scheint unter den "Pegida"-Anhängern die Vaterlandsliebe zu sein. Bekenntnisse dazu finden sich zumindest viele in dem Literaturprojekt, das zwischen Dezember 2014 und Januar 2015 entstand. Zeichen von Liebe finden sich damit weniger im Text als viel mehr im Wesen der Autoren. "Unter den Kommentatoren sind offensichtlich viele Väter und Mütter", sagt Gregor Weichbrodt.

In der Ikonographie wird die Liebe durch eine Mutter mit Kindern repräsentiert. Unter dem Stichwort "Hoffnung" äußern die Mütter und Väter auf der "Pegida"-Facebookseite ihre Wünsche für die Zukunft ihrer Kinder. Während die beiden Studenten für ihr Literaturprojekt keine detaillierte Charakterisierung der Kommentatoren vorgenommen haben, scheint sicher, dass unter ihnen auch zahlreiche praktizierende Christen sind. Dafür spricht unter anderem der Duktus, in dem Kommentatoren über Glaubens- und Religionsfragen sprechen. "Ich glaube an Gott, an Jesus Christus unsern Herrn...", schreibt ein Facebook-Nutzer. Gleichzeitig finden sich zahlreiche Kommentatoren, die sich selbst als gläubige Christen bezeichnen, aber die Kirche kritisch sehen, wie dieser Beitrag zeigt: "Ich glaube schon lange nicht mehr, dass unsere christlichen Kirchen der Nächstenliebe verpflichtet sind."

Kirchen im Zwiespalt

Der Umstand, dass unter den Teilnehmern der "Pegida"-Demos in Dresden und anderen deutschen Großstädten auch regelmäßige Kirchgänger waren, hat die Kirchen in Deutschland in einen Zwiespalt gebracht. "Pegida" sei unerträglich, sagte etwa der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, im Januar. Vom Bamberger Erzbischof Ludwig Schick war zu hören: "Christen dürfen dort nicht mitmachen".

Doch gleichzeitig waren es kirchliche Würdenträger und ehemalige Geistliche, die einen Dialog mit den Demonstranten suchten. Der sächsische Bischof Bohl rief zum Dialog auf, der ehemalige Domvikar von Dresden, Frank Richter lud die Organisatoren der Demonstrationen zum Gespräch. In seiner Funktion als Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen sprach Richter unter anderem mit der ehemaligen Organisatorin Kathrin Oertel. Aus der Landeszentrale war jedoch zu hören, dass die Kommunikation des sogenannten Orga-Teams stark von der der Demonstrationsteilnehmer abweiche. Unter den Demonstranten herrsche eher ein Ton, der den Kommentaren in sozialen Netzwerken gleiche.

Für manche bot sich nur noch ein Aussteigerprogramm an

Dennoch finden sich unter dem Banner der "Hoffnung" einzelne Angebote zur Kommunikation mit den "Pegida"-Anhängern. Diese verstecken sich jedoch eher in Zitaten wie diesem: "Ich hoffe, dass noch mehr Menschen wach werden und sehen, um was es hier geht." Doch selbst wenn die Kommentatoren deutlicher ihre Bereitschaft zur Diskussion zeigen würden - diese dann auch zu führen steht auf einem anderen Blatt.

Das weiß auch Martin Strunden. Der Pressesprecher des Innenministeriums in Sachsen hat über den Kurznachrichtendienst Twitter, per E-Mail und per Post mit "Pegida"-Anhängern geschrieben. Die Kommentare seien mitunter derart ausfallend und mit rechtsradikalen Parolen gespickt gewesen, dass Strunden den Verfassern nur noch ein Aussteigerprogramm des Bundeslandes Sachsen für Neonazis ans Herz legen konnte. Seit Mitte Dezember 2014 hat Strunden verstärkt über Twitter das Gespräch zu Pegida-Anhängern gesucht. Die zahlreichen Zuschriften, die er dort erhalten hat, ergeben für Strunden einen ganz eigenen Einklang. Göttlich ist dieser dabei ganz und gar nicht. "Es gab Kommentare, die komplett unter der Gürtellinie und beleidigend waren, dann gab es welche, die eindeutig rechtsradikal waren und eine dritte Gruppe von Kommentatoren hat Kritik geäussert, aus der sich eine Diskussion entwickelt hat", so der Pressesprecher. Doch auch in der dritten dieser Gruppen gab es nicht überall Bereitschaft zum Dialog. "Obwohl die Landesregierung immer wieder über die Themen Zuwanderung und Asylpolitik informiert hat, sagten die Kommentatoren oft 'Mit uns spricht ja keiner'", so Strunden.

Strundens teilweise ergebnislose Bemühung um einen Dialog erinnert an den ersten Satz des "Hoheliedes der Liebe": "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle."

Weitere Beispiele für die Bekenntnisse von "Pegida"-Anhängern finden Sie hier in unserem Überblick.

(ac)
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