Köln ehrt Widerstandskämpferin

Gestern vor 100 Jahren wurde in Köln Freya von Moltke geboren, Mitglied des "Kreisauer Kreises" und Ehefrau des 1945 von den Nazis ermordeten Helmuth James von Moltke. Die geistliche Würdigung übernahm Margot Käßmann, die politische Bundespräsident Christian Wulff.

Köln Wenn Christian Wulff und Margot Käßmann gemeinsam ihre Aufwartung machen, der Bundespräsident und die derzeit prominenteste Vertreterin des deutschen Protestantismus, um eines 100. Geburtstags zu gedenken, dann muss der Geehrte schon einiges historisches Gewicht haben. Gestern in Köln war das so. Mit Gottesdienst und Festakt feierte die Stadt Freya von Moltke, die Widerstandskämpferin gegen die nationalsozialistische Diktatur, die 1911 in Köln geboren wurde und am Neujahrstag 2010 in den USA starb.

Nichts ist historisch zwangsläufig, auch nicht, dass Freya von Moltke im Kampf gegen die Nazis zu einer der großen deutschen Frauen des 20. Jahrhunderts wächst. Womöglich ist es der 18. Oktober 1931, an dem ihr Weg in den Widerstand beginnt. An diesem Sonntag nämlich heiratet in Köln die 20-jährige Freya Deichmann im Haus ihres Vaters, des Bankiers Carl Theodor Deichmann, den vier Jahre älteren Helmuth James von Moltke. Die Feier wird in kleinem Kreis gehalten, denn das Geld sitzt nicht mehr so locker wie ehedem – die Deichmannsche Bank ist durch die Wirtschaftskrise in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht, der Bräutigam hat gerade erst das Familiengut Kreisau in Schlesien wieder einigermaßen hochgewirtschaftet.

Die Ehe endet gut 13 Jahre später, im Januar 1945, durch Hinrichtung des Ehemanns. Helmuth James von Moltke, aktiv im Widerstand gegen Adolf Hitler, wird von Adolf Hitlers Schergen wegen Hochverrats gehängt. Freya von Moltke ist Mitwisserin und Beraterin ihres Mannes gewesen. Dass die Ehe bis heute als leuchtendes Beispiel der Unerschrockenheit im Angesicht des Bösen einen Ruhmesplatz in der deutschen Geschichte beansprucht, liegt nicht zuletzt daran, dass die Witwe das Inferno überlebt. Sie wird danach nicht müde werden, die Erinnerung an die mutigen Widerständler wachzuhalten.

Jüngst ist Freya von Moltke mit der Veröffentlichung der "Abschiedsbriefe" des Ehepaars wieder mehr ins Blickfeld gerückt, und das sehr zu Recht: Die aus dem und in das Gefängnis Tegel geschmuggelten Briefe offenbaren nicht nur im protestantischen Glauben felsenfest fundiertes Gottvertrauen ("Außer dem Leben können sie dir ja nichts nehmen") und tiefe Liebe – sie belegen auch, wie weit Freya von Moltke in die Pläne ihres Mannes für das Deutschland und das Europa nach Hitler eingebunden war. In Kreisau traf sich der "Kreisauer Kreis", zu dem Sozialdemokraten wie Carlo Mierendorff und Julius Leber, Katholiken wie Alfred Delp und Adelige wie Peter Graf Yorck von Wartenburg gehörten. Und wenn der Kreis sich traf, war Freya von Moltke nicht nur Gastgeberin, sondern Beraterin und Mitdiskutantin. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hat sie Kreisau neues Leben als europäische Begegnungsstätte eingehaucht.

Gestern, knapp 80 Jahre nach der Kölner Hochzeit, 66 Jahre nach der Ermordung Helmuth James von Moltkes, gut ein Jahr nach dem Tod Freya von Moltkes, ist es an Margot Käßmann, mit der Predigt in der Trinitatiskirche den geistlichen Teil der Würdigung zu bestreiten. Käßmann setzt grundsätzlich an – ohne Rückgriff auf Luther ("Hier stehe ich, ich kann nicht anders") und die 1934er Thesen der Bekennenden Kirche gegen die "falsche Lehre" des Nationalsozialismus ist protestantisches Widerstands-Gedenken schwer vorstellbar. Die Moltkes sind für Käßmann nicht weniger als eine moderne Verkörperung des Lutherschen Geistes, weil sie sich als freie Christenmenschen weder vom NS-Regime verführen noch von der Angst vor seiner Rache lähmen lassen. Das ist hoch gegriffen, hat doch Freya von Moltke ihren Heroismus stets mit den Worten verleugnet, sie habe nur getan, was sie eben habe tun müssen. Familiärer, fast intim intoniert dagegen im Festakt der Bundespräsident seine Rede, mit der leisen, getrösteten Melancholie, mit der man von im hohen Alter gestorbenen Verwandten zu sprechen pflegt. "Freya von Moltke fehlt uns", sagt Wulff: "Sie ist jetzt bei ihren Lieben, die sie zeitlebens in sich trug. Aber Freya von Moltke ist auch bei uns. Denn wir tragen sie in unseren Herzen." Es klingt angenehm wenig gefühlig, als er es sagt.

Wie sehr nicht nur die protestantischen, sondern auch die kölnischen Wurzeln Denken und Handeln Freya von Moltkes bestimmten, hat sie selbst in einem Interview festgestellt: "Wenn ich nicht eine Christin und Rheinländerin gewesen wäre, hätte ich das nicht überlebt." Natürlich wurde der Satz gestern zitiert. Wahr ist andererseits auch, dass Freya von Moltkes Wirken in Köln bisher öffentlich kaum sichtbar ist. Bald soll es eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus geben, wie Oberbürgermeister Jürgen Roters ankündigte. Von mehr war einstweilen nicht die Rede.

(RP)
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