Arlberg 45 Millionen Euro für einen Superlativ

St. Anton · Die neue Flexenbahn verbindet St. Anton mit Lech und macht den Arlberg zum größten Skigebiet in Österreich.

 Von der Alpe Rauz nahe dem Dörfchen Stuben surrt die Flexenbahn hinauf zur neuen Bergstation. Mit ihren Zehner-Kabinen können 2400 Skifahrer pro Stunde transportiert werden.

Von der Alpe Rauz nahe dem Dörfchen Stuben surrt die Flexenbahn hinauf zur neuen Bergstation. Mit ihren Zehner-Kabinen können 2400 Skifahrer pro Stunde transportiert werden.

Foto: dpa

Am Arlberg wird seit 1885 Jahren Ski gefahren - angeblich war die Region um St. Anton sogar die Wiege des modernen Skisports. Und all die Jahre gab es für Skifahrer nur einen Weg vom quirligen St. Anton im Osten hinüber ins vornehme Lech im Nachbartal: die weltberühmte Tiefschnee-Abfahrt über den Nordhang der Valluga. Der 40 Grad steile Hang war für Generationen von Skifahrern eine der prestigeträchtigsten Mutproben überhaupt - und für die örtlichen Skischulen ein lukratives Beigeschäft: Denn die letzte Gondel hoch zum Valluga-Gipfel dürfen Skifahrer nur in Begleitung eines Bergführers besteigen.

Diese Zeiten sind nun vorbei. Seit der aktuellen Skisaison müssen auch Anfänger nicht mehr in den ungemütlichen blauen Skibussen über den Pass kriechen, wenn sie zwischen St. Anton und Lech pendeln wollen: Die Zehner-Kabinen der neuen Flexenbahn bieten 2400 Skifahrern pro Stunde die Möglichkeit, über spektakuläre Steilwände an der Valluga vorbei zwischen den beiden Skigebieten St. Anton/St. Christoph auf der Tiroler und Lech/Zürs auf der Vorarlberger Seite umher zu schweben.

300 Pistenkilometer

Für knapp 45 Millionen Euro haben die Betreiber eines der größten Seilbahn-Projekte gebaut, das in den vergangenen Jahren überhaupt in den Alpen realisiert wurde. Auf einen Schlag wurde der neue gemeinsame Skizirkus mit nun knapp 90 Liften und über 300 Pistenkilometern damit zum größten zusammenhängenden Skigebiet in ganz Österreich.

Diskutiert haben die örtlichen Bahnbetreiber ein solches Projekt schon vor Jahrzehnten. Es war weniger der Aufwand als mehr eine Art Dünkel, der sie so lange zögern ließ. In St. Anton dominieren berüchtigte Massen-Hütten wie der "Mooserwirt" und das "Krazy Kanguruh" die Après-Ski-Szene. In Lech sind es eher leise und betont authentische Hütten wie die "Kriegeralpe". Und im Lecher Tal gönnt man sich auch schon mal gerne Champagner statt Bier zum Tagesausklang. Deshalb herrschte auf Lecher Seite lange die Befürchtung, die Kundschaft aus St. Anton könne das eher filigrane Flair des eigenen Bergdorfes ruinieren.

Aufwändige Beschneiungsanlagen

Aber am Ende siegte ein Marketing-Argument, das nach Auffassung einschlägiger Tourismus-Forscher inzwischen tatsächlich zum wichtigsten Pfund im Wettbewerb der Skiressorts überhaupt geworden ist: Größe. Denn weil die Skifahrer immer weniger und ihre Skiurlaube immer kürzer werden, müssen die Ressorts sich mit Milliardeninvestitionen gegen den Trend stemmen. Seit 2000 haben allein die österreichischen Liftbetreiber über sieben Milliarden Euro in ihre Anlagen investiert.

Aufwändige Beschneiungsanlagen gegen den Schneemangel und neue Hochleistungs-Lifte gegen die Warteschlangen der Hauptsaison sind in den Top-Gebieten aber längst Standard. Wer wirklich ganz vorne mitspielen will, braucht zusätzlich einen Superlativ: Das höchste, größte, schneesicherste oder wenigstens das familienfreundlichste Skigebiet muss es sein. Zu diesem erlesenen Kreis gehört nun auch die Skiregion am Arlberg - das Ressort ist nun sogar das fünftgrößte weltweit.

Tolle Aussicht

Dennoch ist das komplette Skigebiet auch in der neuen Größe für einen geübten Fahrer gut an einem Tag zu durchmessen. Jeden Hang wird man nicht an einem Tag abfahren können, aber ein fröhliches Hin- und Her zwischen Lech und St. Anton plus einige Ausflüge auf diesen oder jenen Berg dazwischen sind machbar. Die neue Verbindung ermöglicht vor allem viel mehr Möglichkeiten bei der Wahl der Hütten für die Einkehr am Mittag. Und davon hat der Arlberg viele empfehlenswerte zu bieten.

Die schon erwähnte Kriegeralp-Hütte in Oberlech etwa, eine Sennerei mit eigener Käseproduktion, weshalb die "Kaspressknödelsuppe" für 7,80 Euro hier auch besonders gut schmeckt. Deutlich moderner, aber keineswegs ungemütlich ist die Balmalp-Hütte, die jeder passieren muss, der die grundsätzlich unpräparierte Madloch-Piste nach Zug hinuntergefahren ist. Dezente Groove-Musik beschallt die Sonnenterrasse. Dazu der Blick über die Gipfel, die Bedienung arbeitet flott, und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist fair: Die Hüttenpizza, von der zur Not auch zwei Skifahrer satt werden, kostet 14,80 Euro. Im Teil-Skigebiet Zürs ist die "Tritt-Alpe" kurz oberhalb des Tals für einen Auskehrschwung zu empfehlen, und hoch oben über St. Anton, unweit der Albonagrat-Bergstation, ist das "Albona"-Bergrestaurant wegen der tollen Aussicht einen Besuch wert.

(tor)
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