Düsseldorf Im Theater sollen die Widersprüche tanzen

Düsseldorf · Im Central diskutierten Regisseure, Schauspielhaus-Intendant Wilfried Schulz und der Chef vom Bühnenverein über den politischen Anspruch des Theaters.

In einem Punkt waren sich die Gäste auf dem Podium einig: Den Untertitel zur Diskussion über die Lage und Zukunft des Theaters lehnten sie alle ab. "Gesellschaftlicher Auftrag oder künstlerische Autonomie?" hieß der und, so befand man unisono, ein solcher Gegensatz sei Unfug. Trotz dieser anfänglichen Einigkeit blieb dann bei der Debatte auf der kleinen Bühne des Centrals genug Stoff für ein lebhaftes, beinahe zweistündiges Gespräch. Zum Beispiel darüber, wie sich die Forderung nach niedrigschwelliger Kulturvermittlung mit dem Anspruch auf Kunst oder Qualität vereinen lässt. Oder welche Rollen neue Zuschauergruppen, geändertes Konsumverhalten oder die Distanz der Politik spielen.

Für den Schauspieler und Regisseur Herbert Fritsch ist das alles "kalter Kaffee". Seit Jahren begeistert er sein Publikum mit Inszenierungen ohne politischen Zeigefinger, dafür aber mit überbordender Spielfreude. Hingegen hält der Regisseur und Autor Hans-Werner Kroesinger politisches Theater für gut, "weil man sich gerade dort konzentrieren kann". Allerdings missfällt auch ihm das übertrieben Belehrende. Gesellschaftliche Widersprüche solle man einfach "zum Tanzen bringen". Der Theaterkritiker Andreas Wilink, der seit Jahren Mitglied der Jury des Berliner Theatertreffens ist, erzählt, er habe allein in der vergangenen Spielzeit über 100 Inszenierungen gesehen, davon etwa ein Viertel mit politischer Botschaft. Das scheint ihm ein angemessenes Verhältnis zu sein, zumal er warnt: Mit wachsendem Anspruch an ein Theater der Zeitfragen verliert dieser an Schärfe.

Passende Zahlen zur Debatte konnte Marc Grandmontagne als neuer Direktor des Deutschen Bühnenvereins beisteuern. Die etwa 140 Theater in öffentlicher Trägerschaft werden für ihren Betrieb zu 90 Prozent bezuschusst und registrieren pro Jahr knapp 40 Millionen Zuschauer. Die Theater, so der Kulturmanager, erfüllten eine derart wichtige Funktion für die Demokratie, dass er sich Sorgen für die Zeit nach 2020 mache. Dann nämlich käme die Schuldenbremse und mit ihr ein noch größerer Sparzwang für kleine Häuser in kleinen Städten. Schauspielhaus-Intendant Wilfried Schulz ging auf die Frage ein, ob man im Bildungstheater nicht ohnehin nur Leute antreffe, die der gleichen Meinung wie die Künstler seien. Also maximal 20 Prozent der Bevölkerung. Mit einer in die Stadt ausgelagerten Bürgerbühne und einem erfolgreichen Kinder- und Jugendtheater habe man die Hoffnung, weitere Bevölkerungsschichten für das "große Spiel der Welt" zu begeistern.

(RP)
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