Gerresheim Alte Insel ist auch nach 130 Jahren noch vital

Gerresheim · Bewohner der kleinen Siedlung am südlichen Zipfel von Gerresheim schwelgen in Erinnerungen und feiern ein großes Fest.

 Zum 130-jährigen Bestehen haben die "Insulaner" sich extra blaue Shirts anfertigen lassen.

Zum 130-jährigen Bestehen haben die "Insulaner" sich extra blaue Shirts anfertigen lassen.

Foto: Marc Ingel

Wilfried Legner ist mit sich, der Welt, seinen Nachbarn und Freunden zufrieden. "Wir wollten beweisen, dass auch hier, am südlichsten Zipfel von Gerresheim, groß gefeiert werden kann. Ich denke, das ist uns gelungen", sagt er. Dass die Schützen ihn im Stich gelassen haben - geschenkt. Stattdessen schickte die Gerresheimer Bürgerwehr eine Delegation, die Mittelaltergruppe aus Knittkuhl baute ein kleines Dorf auf, der Förderkreis Industriepfad informierte über Historisches, es gab einen Trödelmarkt, Livemusik von Daddy P. sowie Unbelehrbar, und für Kinder wurde ebenfalls so einiges geboten - der würdige Rahmen also für das Jubiläumsfest zum 130-jährigen Bestehen der Straße Alte Insel.

Was Legner, Kopf des veranstaltenden Arbeitskreises "Wohnen, Arbeiten und Leben an der Glashüttenstraße" , in dem Zusammenhang aber fast noch wichtiger ist: "Wir werden inzwischen angehört." Seit vielen Jahren fordern die "Insulaner", dass die Rasenfläche über der Düssel, die ständig von Autos zugeparkt ist und sich in einem bedauernswerten Zustand befindet, saniert und einem vernünftigen Zweck zugeführt wird. Mehr Aufenthaltsqualität für alle Bewohner, das forderten Legner und seine Mitstreiter lange umsonst. "Jetzt heißt es plötzlich, reichen sie ihre gesammelten Unterschriften ein, wir werden uns kümmern", wundert sich der 68-Jährige.

Aber so ein Fest ist natürlich auch bestens geeignet für eine Rückschau, zumal die Alte Insel, vor 130 Jahren von Ferdinand Heye für die Arbeiter der Glashütte errichtet, eine wirklich turbulente Vergangenheit aufweisen kann. Eine Foto-Ausstellung in der Sparkasse zeugt aktuell davon. Doch Legner hat es sich nicht nehmen lassen, eine persönlich geprägte Aufbereitung der Insel-Zeit - von sich und seinem langjährigen Freund Siegfried Roloff, die beide in der Arbeitersiedlung aufwuchsen - bei dem Fest zu präsentieren. Veröffentlicht hat diese Monika Egbringhoff für ihr Buch "Alltagsgeschichten".

Auf diesem Wege erfuhren die Festbesucher, dass die Alte Insel früher wirklich mal eine Insel war, weil die Düssel in einem großen Bogen verlief und die Straße quasi umarmte, bevor sie dann später begradigt und unter die Erde verlegt wurde. Dass alle Hötter Jungen und Mädchen auf der Insel zusammen Karneval feierten, Fußball spielten mit einer aufgeblasenen Schweinsblase. Der kleine Wilfried musste beim Schweineschlachten immer das auslaufende Blut in einer Schüssel auffangen und umrühren, damit es nicht gerinnen und es stattdessen zur Wurstverarbeitung genutzt werden konnte.

Die Düssel war stets Dreh- und Angelpunkt der Siedlung. Als sie dann 1958 aus der Wahrnehmung der Bewohner verschwand, ergaben sich neue Spielmöglichkeiten. Die Sandberge wurden als Rodelbahn erkannt, mit einer dicken Pappe unter dem Po fühlten sich die Kinder wie rasante Abenteurer. Die Pappe war demnach ein rares Gut, und wer zu Weihnachten ein Paket geschenkt bekam, hütete sich, die Verpackung zu entsorgen.

Was Monika Egbringhoff in ihrer Geschichte "Die letzten echten Insulaner" so anschaulich beschreibt, ist das, was die Bewohner der Alten Insel zusammenhält und miteinander stets verbindet - die Erinnerung an die alten Zeiten, die noch so wach und abrufbar ist, als wäre alles erst gestern passiert.

(RP)
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