Testbericht Volvo XC60 T8 - die Krux mit den Plug-in-Hybriden

Düsseldorf · Gutes Öko-Gewissen ganz ohne Reichweitenangst? Plug-in-Hybride wie der Volvo XC60 T8 suggerieren: klar, das geht. Aber hält der Schwede sein Versprechen auch in der Praxis ein?

Volvo XC60 T8 - Plug-in-Hybride zwischen neuer und alter Welt
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Volvo XC60 T8 - Plug-in-Hybride zwischen neuer und alter Welt

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Foto: Volvo

Die Automobilindustrie steht vor dem Umbruch, das ist eine Binsenweisheit. Momentan befindet sich die Branche aber noch in einer Art Zwischenstadium, fleißig werden klassische Verbrenner ver- und gekauft. Gleichzeitig wächst die E-Mobilität zwar durchaus langsam, verspricht dafür aber, die Zukunft zu sein.

Für diesen Konflikt für Hersteller wie Kunden steht derzeit wohl keine Antriebsform so wie der sogenannte Plug-in-Hybrid: einerseits ein Fahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor unter der Haube, andererseits findet sich unter derselben auch ein E-Antrieb, dessen dazugehörige Batterie Reichweiten von (theoretisch) meist 30 bis 50 Kilometern erlaubt und die anders als beim normalen Hybrid an der Steckdose aufgefüllt werden kann.

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Foto: VW

Unser Testwagen, der Volvo XC60 T8, ist genau so ein Auto. Der Mix aus Elektroantrieb und in diesem Fall einem Benzinmotor hört sich zunächst wie der Stein der Weisen an: einerseits emissionsfreie Fortbewegung, andererseits ohne Reichweitenangst auch längere Strecken bewältigen können. Aber passt das in der Praxis tatsächlich?

Kommen wir zunächst zum Auto selbst. Der XC60 ist ein großes SUV, formal der Mittelklasse angehörend, wo sich zum Beispiel auch ein VW Tiguan oder ein Mercedes GLC tummeln. Das aktuelle Modell ist vergleichsweise neu, erst seit etwa einem halben Jahr in Deutschland erhältlich. Es überzeugt durch die von jeher bekannten und durch einige neue Volvo-Tugenden, also ein hohes Sicherheitsniveau mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen, kühles skandinavisches Design innen wie außen, perfekte Verarbeitung und hohen Komfort. Was sich Volvo übrigens mehr denn je gut bezahlen lässt.

Die Preise für die Baureihe starten erst bei über 45.000 Euro, unser Modell mit den zwei Motoren kostet schon mindestens 67.000 Euro, der bestens ausstaffierte Testwagen sogar knapp 91.000 Euro, was Volvo in den Presseunterlagen aber auch nicht verschweigt. Die Schweden sehen sich eben auf Augenhöhe mit den süddeutschen Premium-Anbietern.

Die Bezeichnung T8 sollte keine falschen Erwartungen wecken, der Benzinmotor ist nicht etwa ein Achtzylinder, noch nicht einmal einer mit sechs Töpfen. Wie immer (mittlerweile) bei den Schweden arbeitet unter der Haube ein profaner Vierzylinder, der hier allerdings mit Turbo- und Kompressor-Unterstützung auf 320 PS kommt. Dazu gesellt sich der Elektromotor mit weiteren 87 PS, womit wir addiert bei der Systemleistung von 407 PS (300 kW) wären. Die Batterie soll eine rein elektrische Reichweite von 45 Kilometern ermöglichen.

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Foto: Mercedes-Benz

Soweit, so theoretisch. Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass der leer aufgrund seiner Doppelmotorisierung bereits 2,2 Tonnen wiegende Schwede sich nicht nach über 400 Pferdestärken anfühlt. Hätten wir raten müssen, wären wir wohl so bei ungefähr 250 Pferdchen gelandet.

Andererseits sorgt die E-Unterstützung wenn man es drauf anlegt für eine sehr sportliche Beschleunigung. Allerdings klingt der Vierzylinder schnell angestrengt, wie man es von einem 2,0-Liter-Aggregat angesichts der zu befördernden Masse nicht anders erwarten darf.

Und Achtung: Beschleunigungsorgien gehen sehr schnell auf die Batterie und damit auf die E-Reichweite. Aber Volvo hat vorgesorgt. Per Fingertatscher auf dem großen Display kann man die Batterie sozusagen sperren und sich deren Energie etwa für die letzten Kilometer durch die Stadt oder durchs Dorf aufsparen. Mehr noch, über eine weitere Funktion fungiert der Verbrenner zusätzlich zur eigenen Antriebsarbeit als Reichweitenverlängerer und lädt die Batterie aktiv auf.

Technisch ist das alles wunderbar gelöst, allerdings geht das Öko-Versprechen - wenig überraschend — letztlich überhaupt nicht auf. Natürlich ist der Normverbrauch von 2,1 Litern, berechnet unter der Annahme einer vollen Batterie für die ersten 100 Kilometer, sowieso ein (schlechter) Witz.

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Foto: dpa, srw zeh

Während unseres zweiwöchigen Tests kamen wir alles in allem auf rund 12 Liter für 100 Kilometer, wovon nur ein kleiner Teil auf die von uns ab und an genutzte Auflademöglichkeit der Batterie durch den Verbrenner geht.

Nein, sobald der Batterievorrat zur Neige ging, und das war real meist nach etwa 25 Kilometern der Fall, oder man auf längerer Strecke unterwegs war, schnellte der Verbrauch sofort in den zweistelligen Bereich.

Und das ist eben die Krux mit den Plug-in-Hybriden: Er ist eben nicht die ideale Mischung aus Elektroauto und klassischem Verbrenner-Mobil, sondern fährt zwischen zwei Welten sozusagen schnurstracks zwischen die Stühle.

Dafür kann der Volvo an sich natürlich nichts, das gilt für alle anderen Fahrzeuge mit dieser Technik ebenfalls. Im Schweden kann man sich aber immerhin damit trösten, in einem coolen Auto mit einem der gelungensten Interieurs zu sitzen. Daher unser Tipp: Den XC60 gibt es auch mit ganz normalen Diesel- und Benzinantrieben.

Fünftüriges, fünfsitziges SUV der Mittelklasse; Länge: 4,69 Meter, Breite: 1,90 Meter (2,12 Meter inkl. Außenspiegel), Höhe: 1,66 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: 505 — 1.432 Liter

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Plug-in-Hybrid, 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner: 235 kW/320 PS, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 2.200 - 5.400 U/min; Elektromotor: 65 kW/87 PS, maximales Drehmoment: 240 Nm bei 0 - 3.000 U/min; Systemleistung: 300 kW/407 PS; Allradantrieb, Achtgang-Automatik, 0-100 km/h: 5,3 s,

Vmax: 230 km/h, Vmax elektrisch: 125 km/h, Reichweite im E-Betrieb: 45 Kilometer, Normverbrauch: 2,1 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 49 g/km, Abgasnorm: Euro 6b, Effizienzklasse: A+, Testverbrauch: 11,9 Liter/100 Kilometer

Preis: ab 67.000 Euro (Momentum)

Preis des Testwagens: 90.910 Euro (Inscription + Sonderausstattung)

(csr)
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