Interview mit Ursula Theissen "Die Realität spricht eine andere Sprache"

Krefeld · 25 Jahre Frauenkulturbüro NRW in Krefeld: Wir fragten die Leiterin Ursula Theißen, ob das Projekt überholt ist, ob sie lediglich für Symbolpolitik steht und ob auch Konservative das anfangs rot-grüne Projekt mögen.

 Ursula Theißen leitet das Frauenkulturbüro NRW.

Ursula Theißen leitet das Frauenkulturbüro NRW.

Foto: Thomas Lammertz

Ist eine Institution wie das Frauenkulturbüro nach 25 Jahren nicht old fashioned? Hat sich dieser Ansatz der Frauenförderung nicht überlebt?

Theissen Das wäre der größte Herzenswunsch, dass man das Büro schließen kann, weil der Ansatz überholt ist und sich das Problem erledigt hat. So ist es aber nicht. Junge Studentinnen distanzieren sich zwar tatsächlich davon und sagen: Das ist Frauenpolitik unserer Mütter. Die Realität spricht aber eine andere Sprache. Wir haben vor zwei Jahren eine Studie bei der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf in Auftrag gegeben, die bestätigt, dass Frauen im Kulturbereich nach wie vor unterrepräsentiert sind. Auch eine Studie des Deutschen Kulturrates resümiert, dass Frauen zwar in einzelnen Sparten des Kulturbetriebes aufgeholt haben, aber eben nur in der Bildenden Kunst. Im Theater- und Musikbereich sieht die Welt anderes aus.

 Das Frauenkulturbüro NRW befindet sich in der Fabrik Heeder.

Das Frauenkulturbüro NRW befindet sich in der Fabrik Heeder.

Foto: Lammertz, Thomas

Dennoch: Schafft man mit spezieller Frauenförderung nicht ein Reservat um den Preis, dass die, die dort ein Auskommen finden, nicht ernst genommen werden?

Theissen Nein, ein Reservat hätte ja einen begrenzten Umfang. Wir wirken, indem wir ausstrahlen in den Kunstbetrieb und indem wir uns mit großen Partnern zusammentun. So haben wir mit dem WDR den Künstlerinnenpreis NRW für die beste Jazzmusikerin Europas ausgeschrieben, mit Förder- und Hauptpreis. Da haben Fachleute entschieden. Da sind Sie nicht mehr in einer Nische, und auch ein großer Sender stellt fest, dass man so ein großes Publikum erreicht und sich neue Qualitäten erschließen lassen.

Ist die Einteilung in Geschlechter nicht am Ende doch eine dem Jazz fremde Unterscheidung. Guter Jazz ist ja nicht männlich oder weiblich, sondern guter Jazz.

Theissen Das stimmt, aber gute Kunst von Frauen setzt sich eben noch nicht von allein durch. Es gab vorher auch Jazzwettbewerbe, aber Frauen waren da unterrepräsentiert. Ich versuche, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Frauen auf dem Markt genauso präsent und qualitätvoll zur Verfügung stehen wie Männer. Frauen werden nur oft nicht wahrgenommen.

Woran liegt's?

Theissen Im Musikbereich ist es noch so, dass viel über Empfehlungen läuft. In anonymisierten Verfahren, in denen das Geschlecht nicht mitgeteilt wird, haben Frauen plötzlich viel bessere Chancen. Die Entscheidungen sind andere, wenn man nicht weiß, mit wem man zu tun hat. So haben wir zum Beispiel das sogenannte 'Spiel hinter dem Vorhang' bei Neuaufnahmen im Orchester gemeinsam mit dem Musikrat bereits in den 90er Jahren durchgesetzt. In Nordrhein-Westfalen leben 30.000 Menschen von der Kunst, ein Drittel sind Frauen - sie muss man mit ins Boot und in die Auswahl holen.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit etwas bewirkt, oder ist das Projekt Frauenkulturbüro eher Symbolpolitik?

Theissen Nein. Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Wir haben über den langen Zeitraum natürlich auch Ergebnisse evaluiert und beobachten, was aus den Künstlerinnen geworden ist, denen wir ein Stipendium vermittelt haben.

Warum muss man überhaupt Künstler, die nicht von Ihrer Kunst leben können, stützen? Sind die nicht schlicht im falschen Beruf? In anderen Bereichen gibt man sich ja auch keine Mühe, Leute, die in einer Sparte erfolglos sind dort zu halten.

Theissen So einfach ist das nicht. Ohne Förderung hätten wir bald gar keine Künstler mehr, und die Fördertöpfe sind mehr und mehr zurückgefahren worden, und dann ist es für jeden Künstler schwer durchzukommen. Da zu sagen: Die sind eben alle nicht gut, greift entschieden zu kurz. Kunst hat eben Werte, die man nicht allein über den Kunstmarkt und Kommerz definieren darf. Und es gibt mittlerweile viele Beispiele, wie Künstlerinnen, die wir in einer wirtschaftlich schwierigen Phase gefördert haben, ihren Weg gemacht haben.

Das Frauenkulturbüro ist am Anfang ein rot-grünes Projekt gewesen. Spüren Sie Vorbehalte aus konservativen Kreisen?

Theißen Nein, parteipolitische Färbung spielt keine Rolle; das Interesse an Kunst und Kultur ist bei Konservativen stark verwurzelt. Vorbehalte gegen unsere Arbeit der Künstlerinnenförderung spüre ich da nicht.

(RP)
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