Neukirchen-Vluyn Niederberger beklagen eine "Klientelpolitik"

Neukirchen-Vluyn · Nach dem Ratsbeschluss, keinen großen Handel anzusiedeln, sind sowohl die RAG als auch die Neusiedler mit der Situation unzufrieden.

 Blick über den Förderturm des ehemaligen Bergwerks auf die Fläche, wo zurzeit das Wohnquartier IV entsteht.

Blick über den Förderturm des ehemaligen Bergwerks auf die Fläche, wo zurzeit das Wohnquartier IV entsteht.

Foto: Christoph Reichwein

Der Traum von einem großen Lebensmittelmarkt auf der Südfläche des ehemaligen Zechengeländes Niederberg ist vorbei - das hat die Ratsmehrheit jüngst beschlossen. Um die Geschäfte in den Ortskernen von Neukirchen und Vluyn nicht zu beeinträchtigen, soll die Größe eines Marktes für Niederberg auf rund 900 Quadratmeter begrenzt werden, so wie es das neue Einzelhandelsgutachten empfiehlt.

Nicht nur die Neubürger, die im Vorfeld einen größeren Markt propagiert hatten (und sich nun getäuscht fühlen), sondern auch die RAG Montan Immobilien (RMI) muss sich nun auf die neue Situation einstellen. "Wir haben Verständnis für die Entscheidung des Rates", sagt Frank Schwarz, Pressesprecher der RMI. Allerdings habe man sich ein anderes Ergebnis gewünscht und sei "nicht zufrieden". Dennoch werde die RAG Montan Immobilien die Entwicklung auf der Fläche weiter vorantreiben. Auf die derzeitige Vermarktung des Wohnquartiers IV nördlich der Niederrheinallee hat der Ratsbeschluss allerdings keinen Einfluss - die Parzellen gehen weg wie die vielzitierten warmen Semmeln.

"Ich vermute, dass die RMI einen Investor an der Hand hatte", meint SPD-Fraktionsvize Günter Zeller. Mit dem Aus für eine große Einzelhandelsfläche werde es schwerer, größere Anbieter zu begeistern, sich vor Ort anzusiedeln. Die Sozialdemokraten hatten sich gegen die Entscheidung des Rates gestemmt, doch sie standen damit allein.

 Anja R. Steinhoff und Theo Schulte gehören zu den Bewohnern der Siedlung, die sich im Vorfeld für die Interessen der Niederberger eingesetzt hatten.

Anja R. Steinhoff und Theo Schulte gehören zu den Bewohnern der Siedlung, die sich im Vorfeld für die Interessen der Niederberger eingesetzt hatten.

Foto: s-g

Der Ton zwischen der Politik in Neukirchen-Vluyn und den Entwicklern der RAG Montan Immobilien war in den vergangenen Monaten und Jahren gelegentlich rau geworden. Die Fraktionen tadelten regelmäßig, dass die Wohnquartiere zwar erfolgreich vermarktet würden, dass sich auf der Südfläche jedoch zu wenig tue. Die CDU hatte vor rund einem Jahr sogar ein Druckmittel ins Spiel gebracht: Grünes Licht für das neue Wohnquartier solle die Politik erst geben, wenn es "sichtbare Ergebnisse" auf der Südfläche gebe. "Bei der letzten Zusammenkunft der Fraktionen mit der RMI war spürbar, dass man dort darüber verstimmt war", erinnert sich Günter Zeller. Letztlich kam es allerdings nicht zu einer Bremse für das neue Quartier.

Und die Niederberger? Wie fühlen sie sich nach der Ratsentscheidung? "Die Stimmung ist resigniert", meint Einwohnerin Anja R. Steinhoff. Sie und andere Bewohner der ehemaligen Zechensiedlung verstehen nicht, warum für die Neugestaltung der Südfläche mit den denkmalträchtigen Gebäuden nicht schon seit Jahren ein Konzept besteht. Hier Handel anzusiedeln, biete lukrative Möglichkeiten, meint Steinhoff, stattdessen werde von den Parteien eine "Klientelpolitik" für die Geschäfte in den Ortskernen von Neukirchen und Vluyn betrieben.

Auch die nun wieder propagierte Förderung des Einzelhandelsstandortes an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße sieht sie als Bemühen um Wählerstimmen. Was das Gutachten als Richtschnur für die Entscheidung des Rates betrifft, meint Steinhoff: "Es gibt in diesem Gutachten durchaus Interpretationsspielraum."

(s-g)
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