Schalter und Knöpfe müssen das richtige Gefühl vermitteln Haptik: Damit sich ein Audi anfühlt wie ein Audi

Ingolstadt (rpo). Normalerweise ist ein Schalter eine banale Nebensächlichkeit. Drückt man ihn, ist das Gerät an. Drückt man ihn nochmal, ist es wieder aus. Beim Autohersteller Audi kümmert sich ein ganzes Expertenteam um alle Angelegenheiten, die mit der Haptik, also dem Tastsinn zu tun haben. So prüft man eingehend, wie sich sämtliche Hebel und Knöpfe, Schalter und Klappen im und am Auto anfühlen.

Haptik im Auto
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Foto: Audi

Heutzutage unterscheiden sich die Fahrzeuge nicht mehr so stark in ihrer Leistung voneinander, wie der Leiter des Teams Gerhard Mauter, erklärt. "Ambiente und Luxus kommen stärker ins Spiel." Daher beschäftigen auch andere Autobauer wie BMW und DaimlerChrysler Haptik-Experten.

Autofahrer machen sich über Haptik meist wenig Gedanken. Wie selbstverständlich drücken sie auf die Hupe oder drehen am Lautstärkeregeler der Stereoanlage. So soll es auch sein, wie Mauter betont: "Wenn der Kunde nichts merkt, dann haben wir unsere Sache gut gemacht." Nur wenn sich ein Hebel etwa an einem ungewohnten Platz befindet oder sich nur schwer drücken lässt, wird der Fahrer stutzig. Das kann ärgerlich sein - manchmal aber auch gefährlich, denn die Beschäftigung mit einem widerspenstigen Schalter kostet Konzentration. Dies zu vermeiden ist die Aufgabe des Haptik-Teams.

Entwicklung kann Millionen kosten

Bei der Entwicklung eines neuen Bauteils arbeitet das Team von Anfang an mit. Lieferanten müssen sich an ein so genanntes Lastenheft halten, das die wichtigsten Anforderungen enthält. Anschließend prüfen die Haptiker die Muster auf Eigenschaften wie Leichtgängigkeit und Geräuscharmut. Sie vergeben jeweils Noten von eins bis sechs. "Die Gesamtnote darf nicht schlechter als 2,5 sein, sonst muss nachgebessert werden", sagt Mauter. Die Entwicklung eines neuen Bauteils sei in der Regel ein mehrjähriger Prozess, der bis zu fünf Millionen Euro kosten kann.

Der Tastsinn ist eng verbunden mit Hören und Sehen. "Schon wenn man einen Gegenstand sieht, meint man zu wissen, wie er sich anfühlt", sagt Mauter. "Das ist ein Lernprozess. Schon ein Säugling ertastet Gegenstände." Daher irritiert es den Kunden, wenn sich ein Knopf, der metallen aussieht, nicht wie Metall anfühlt. Außerdem ist das Drücken von Hebeln meistens mit einem akustischen Signal, einem "Klick" oder "Klack" verbunden. "Das zeigt dem Kunden, dass der Vorgang funktioniert hat. Wenn das Geräusch fehlt, ist er erstaunt und denkt an einen Defekt", erklärt Mauter. Deshalb müssten die Haptiker auch an den akustischen Signalen arbeiten.

Allerdings ist der Tastsinn starken individuellen Unterschieden unterworfen. Generell empfinden Männer anders als Frauen. Christine Walter, eine von drei Frauen im Team, berichtet: "Frauen sind meistens sensibler und kritischer." Anders sei vor allem auch das Temperaturempfinden. Das mache sich bei heißem Wetter bemerkbar: "Während ich mit einem warmen Schalter keine Probleme habe, klagt ein männlicher Kollege: Ist der aber heiß! Da verbrennt man sich ja die Finger!" Gebe es Meinungsverschiedenheiten im Team, suche man einen Kompromiss.

Japaner sind technik-offen

Auch kulturelle Unterschiede haben die Haptiker bemerkt. "Amerikaner mögen's eher etwas schwammiger", sagt Mauter. Aber Audi berücksichtige diese speziellen Vorlieben potenzieller US-Kunden nicht: "Wir bleiben beim typischen Audi-Feeling." In Japan, einem anderen wichtigen Exportmarkt, hat es der Autobauer leichter: "Japaner sind unkomplizierter. Sie sind sehr Technik-offen und nehmen neue Features gut an." Und was ist das spezielle Audi-Feeling? Mit der Antwort tun sich die Experten schwer. "Prägnant und angenehm", sagt Mauter. Walter fügt hinzu: Es handelt sich um ein hochwertiges Betätigungsgefühl." Dieses "Feeling" soll sich, möglichst homogen, durch alle Modelle ziehen: "Ob A2, A3, A6, A8 die Charakteristik bleibt gleich", sagt Mauter. Nur beim sportlichen Audi TT sei die Schaltung "durchaus knackiger" als etwa beim A4. Der Haptik-Experte traut sich daher auch zu, einen Audi blind von anderen Marken zu unterscheiden.

Ob knackig oder teigig, schwammig oder wenig präzise: Mauter hat eine ganze Palette hübscher Adjektive, um haptische Eigenschaften zu benennen. Aber sie reichen ihm bei weitem nicht aus. "Das Tastgefühl zu beschreiben, ist sehr schwierig", erklärt er. Das hänge auch damit zusammen, dass der griechische Philosoph Aristoteles den Tastsinn aus ethischen Gründen als niedersten Sinn des Menschen eingestuft habe, wundert sich der Chef-Haptiker. Erst im 20. Jahrhundert habe sich der Tastsinn emanzipiert. "Das ist sicher auch ein Grund, warum uns die Begrifflichkeiten fehlen", erklärt Mauter. Er jedenfalls hat sich zum Ziel gesetzt, der Haptik zu neuer Würde zu verhelfen.

(ap)
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