Beschwerden freier Tankstellen Kartellamt geht gegen Ölmultis vor

Berlin · Den Wettbewerbshütern platzt der Kragen. Weil sie ein Ausbooten der freien Tankstellen fürchten, gehen sie gegen die Ölkonzerne vor. Doch ob das etwas bringt, ist fraglich. Unterdessen suchen die Bürger verstärkt nach Alternativen zum teuren Fahren mit dem eigenen Auto.

Kartellamt gegen Ölkonzerne: Fragen und Antworten
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Foto: AP, AP

Im Kampf gegen das Allzeithoch bei den Spritpreisen hat das Bundeskartellamt gegen die führenden Mineralölkonzerne ein Wettbewerbsverfahren eingeleitet. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, sind den Unternehmen BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total förmliche Auskunftsersuchen zugestellt worden.

Konkret geht es darum, dass die Konzerne für die Belieferung von freien Tankstellen teilweise höhere Preise verlangt haben sollen als von Endkunden an den eigenen Tankstellen. Damit könnten die freien Tankstellen ausgebootet werden. "Das ist ein Beitrag, um den Wettbewerb durch die freien Tankstellen gegenüber dem Oligopol zu stärken", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt der Zeitung.

Westaustralien-Modell

Die Bundesländer aber auch die Fraktionen von Union und FDP fordern, dass die Bundesregierung und das Kartellamt Preisfesseln für Tankstellen prüfen sollen. Eine Variante wäre das in Westaustralien praktizierte Modell, wo am Vortag von jeder Tankstelle an eine Behörde gemeldet werden muss, welchen Literpreis man am nächsten Tag verlangt. Dieser darf dann 24 Stunden lang nicht verändert werden.

Mundt betonte: "Man könnte auch über Formen des westaustralischen Modells nachdenken, die nur die Oligopolmitglieder einbeziehen und so den Außenwettbewerb durch die freien Tankstellen stärken". Die konzernunabhängigen Anbieter könnten dann jederzeit auf die Preise der großen Fünf reagieren, während diese jeweils am Vortag ihre Preise für den nächsten Tag mitteilen müssten.

Viele Bürger in Deutschland suchen wegen der Preise verstärkt nach Alternativen zum eigenen Auto. Anbieter von Mitfahrgelegenheiten verzeichnen eigenen Angaben zufolge ein Plus von bis zu 25 Prozent seit Dezember, wie eine Umfrage der dpa am Dienstag ergab.

2011 gab es zudem mit 10,9 Milliarden so viele Fahrten wie nie zuvor bei Bussen und Bahnen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Allerdings muss dies nicht primär mit hohen Spritpreisen zusammenhängen, sondern auch mit verbesserten Angeboten und einem schnelleren Fortkommen in Großstädten, betonen Verkehrsexperten.

Wegen der Rekordstände an den Zapfsäulen achten inzwischen zwei Drittel der Autofahrer auf einen möglichst spritsparenden Fahrstil, wie aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" hervorgeht. Vier von zehn Befragten erklärten zudem, derzeit auch öfter das Auto stehen zu lassen. 28 Prozent steigen demnach aufs Rad um oder nutzen stärker als bislang Bus und Bahn (15 Prozent).

Unterdessen bekommen in der schwarz-gelben Koalition die Befürworter einer höheren Pendlerpauschale durch eine aktuelle Studie des Bundestags Auftrieb. Demnach müsste die Pauschale heute bei 74 statt bei 30 Cent liegen, um eine Entlastung wie noch 1991 zu erreichen. Als Grundlage diente ein Arbeitsweg von 17 Kilometern.

Pendlerpauschale müsste bei 49 Cent liegen

Die Berechnung des Wissenschaftlichen Dienstes wurde im Auftrag der Linken-Fraktion erstellt und liegt der dpa vor. Vor 20 Jahren konnten die Bürger mit der von der Steuer abzusetzenden Pauschale noch 61 Prozent der Fahrtkosten zurückbekommen, 2004 waren es nur noch 40 Prozent. Um zumindest die gleiche Entlastungswirkung bei den Fahrtkosten wie 2004 zu erreichen, müsste die Pendlerpauschale eigentlich bei 49 Cent liegen, heißt es in der Expertise.

Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trotz der derzeit höchsten Benzinpreise aller Zeiten die seit 2004 geltende Pauschale von 30 Cent nicht anheben will, ist Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) dafür. Auch CDU-Vize Norbert Röttgen, der sich in Nordrhein-Westfalen im Wahlkampf befindet, kann sich eine Anhebung vorstellen, auch aus der CSU wächst der Druck hierfür.

Den Staat kostete die Pendlerpauschale im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro. Sie wird unabhängig vom Verkehrsmittel gezahlt. FDP-Generalsekretär Patrick Döring bekräftigte den Willen, in der Koalition eine Erhöhung durchzusetzen. "Nicht nur die Benzinpreise, auch die Eisenbahnpreise sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen", sagte er den "Ruhr-Nachrichten".

Die Benzinpreise verharrten am Dienstag auf dem Rekordhoch von 1,71 Euro je Liter Super. Für Superbenzin E10 waren im Schnitt 1,68 Euro zu zahlen, für Diesel 1,53 Euro. Die Deutsche Energie-Agentur, die Grünen, Umweltverbände und Energiefachleute halten von einer höheren Pendlerpauschale dennoch nichts, da diese Milliardenzuschüsse letztlich nur zu weiteren Preisrunden führen könnten und dies ein falscher Anreiz sei. Sie fordern einen Umstieg auf alternative Antriebe, spritsparendere Modelle und einen Elektromobilitätsausbau.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) hält Benzin immer noch für zu billig. "Für die Autoindustrie und die Gutverdiener sind die Spritpreise eigentlich noch zu niedrig", sagte der Vorsitzende Michael Ziesak dem "Tagesspiegel". "Sonst würden nicht so viele spritschluckenden Luxusautos gebaut und gekauft." Ziesak sprach sich für eine Abschaffung der Pendlerpauschale aus.

(dpa)
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