Neue Studie Pendler schalten im Auto das Großhirn aus

Düsseldorf (RP). Bei Autofahrern, die auf Routinestrecken unterwegs sind, ist nur der Hirnstamm aktiv. Das haben Forscher der Uni Duisburg/Essen jetzt erstmalig nachgewiesen.

Der Professor steht vor einer Kernspin-Tomographie-Aufnahme. Das Bild zeigt das menschliche Gehirn - einige Bereiche sind deutlich sichtbar rot unterlegt. Nein, es handelt sich nicht um den Befund eines Krebspatienten. Der Professor ist kein Mediziner, sondern Verkehrsforscher. Michael Schreckenberg erklärt das Foto: "Hier sehen wir, was im Hirn vor sich geht, wenn ein Autofahrer am Steuer sitzt."

Der Fachbereich "Physik von Transport und Verkehr" an der UniDuisburg/Essen, gestern Vormittag. Im Besprechungsraum von Schreckenberg findet eine Premiere statt. Erstmals gewährt der Physiker Einblicke in ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt. "Es konnte nachgewiesen werden, dass Autofahrer auf Routinestrecken das Großhirn, also den Verstand, ausschalten", sagt Michael Schreckenberg. "Das kann besonders bei Stauenden zur tödlichen Gefahr werden."

Ein sechsköpfiges Team mit Schreckenberg, dem Physiker André Bresges und der Ärztin Elke Gizewski hatte Versuchspersonen mit einem Joystick eine computeranimierte Teststrecke fahren lassen. Dabei lagen die Probanden in einem Kernspin-Tomographen, die Hirnaktivitäten wurden aufgezeichnet. "Bei Autofahrern, die auf ihrer Hausstrecke pendeln, ist neben dem Sehzentrum und der Sensomotorik nur der Hirnstamm aktiv", sagt Schreckenberg. "Sie sind praktisch als Jäger und Sammler unterwegs."

Eine Diagnose, die Folgen haben muss, sagt Schreckenberg. "Wir müssen erforschen, wie wir zum Beispiel durch eine bessere Ausschilderung die Aufmerksamkeit der Fahrer zurückerlangen können", so der Professor. "Das macht den Verkehr sicherer, es gibt weniger Staus. Perspektivisch müsse man darüber nachdenken, ob man Lastwagen und Personenverkehr auf bestimmten Abschnitten in NRW nicht besser völlig voneinander entkopple.

Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) hatte am Dienstag gegenüber unserer Redaktion erklärt, er wolle ein Überholverbot von Lastwagen auf zweispurigen Autobahnen in NRW prüfen. Ein Vorschlag, den Schreckenberg befürwortet. Sein Konzept geht jedoch noch weiter.

"Wir haben festgestellt, dass Autofahrer im Verkehr vor nichts mehr Angst haben als vor Lastwagen. Eine Trennung von Lastwagen und Pkw-Verkehr würde einen effizienteren Fluss ermöglichen. Im Ruhrgebiet könnte man zu bestimmten Zeiten die Autobahn A 40 für Pkw reservieren und die Lastwagen über die parallel verlaufende A 42 leiten."

Bis zum Jahr 2014 soll der Güterverkehr auf den Straßen um 64 Prozent zunehmen. Experten sind sich sicher, dass dieser Zuwachs nur durch einen Ausbau von Informatik und Telematik zu beherrschen ist. "Man kann Verkehrsströme auch durch die Lkw-Maut lenken", so Schreckenberg. "Durch entsprechende Gebühren auf stark belasteten Strecken wird der Verkehr auf weniger befahrene umgeleitet."

Seit gestern ist sicher, dass Schreckenberg das Verkehrsinformationssystem "Ruhrpilot" weiter mit ausbauen wird. Künftig sollen die aktuelle und die prognostizierte Verkehrslage nicht nur für die Autobahnen im Ruhrgebiet, sondern auch für die Städte im Internet abrufbar sein. Die Daten zur Verkehrslage- und Prognose werden von Schreckenberg und seinem Team zur Verfügung gestellt. Zunächst wird die Verkehrslage in Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und Bochum abgebildet. Bis 2007 sollen alle Ruhr-Städte erfasst sein.

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