Leverkusen Die Mafia in NRW: Drogen, Betrug, Schutzgeld

Leverkusen · Mafiamorde wie vor fünf Jahren in Duisburg sind zum Glück in NRW nicht an der Tagesordnung. Aber die organisierte Kriminalität ist mit Schutzgelderpressung, Steuerhinterziehung im Baugewerbe oder Geldwäsche täglich in der Grauzone aktiv.

Chronik der Duisburger Mafia-Morde
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Foto: ddp

Im aktuellen "Lagebild Organisierte Kriminalität" für 2011 schätzt das Landeskriminalamt (LKA) den Tatertrag auf fast 76 Millionen Euro. Es wurden 66 OK-Verfahren bearbeitet. Ein Schwerpunkt lag beim Rauschgifthandel- und Schmuggel.

Wirtschafts-Kriminalität führte zu erheblichen Schäden, insbesondere durch Anlagebetrug im Aktienhandel (35 Mio. Euro). Das Agieren der "Baumafia" (58,8 Mio. Euro) und wettbewerbsverzerrende Absprachen durch Korruption im produktiven Gewerbe (18 Mio. Euro) verursachten zusätzlich hohe Steuerschäden, da weder Umsatz- noch Einkommenssteuer abgeführt werden.

Dabei sind nicht nur die italienischen Mafiaorganisationen Cosa Nostra, Camorra, 'Ndrangheta aktiv: Tatverdächtige kommen auch aus der Türkei, dem Libanon oder Weißrussland - die Rockergruppen nicht zu vergessen.

Brauchen wir einen Mafiaparagraphen?

Aber wie groß ist der Einfluss der Mafia in NRW? Und wie sollte man die organisierte Kriminalität bekämpfen? Die Meinungen von Autor Jürgen Roth ("Mafialand Deutschland") und vom LKA gehen auseinander.

Roth fordert einen Mafiaparagraphen und schließt sich der Meinung von Rüdiger Thust an, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und Mitglied der neuen Initiative "Kultur der Legalität". "Aber der wird nicht kommen. Denn die Politik ist nicht daran interessiert, etwas zu ändern", sagt Roth, der am Samstag an einer Podiumsdiskussion der Initiative in Köln teilnehmen wird. Der bekannte Publizist beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit organisierter Kriminalität und unterstellt der Politik "reine Dummheit", da man "seit zehn bis 15 Jahren gewarnt ist, dass eine Infiltration stattfindet".

Thomas Jungbluth, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität beim LKA, bezweifelt, dass es ein so weitreichendes Gesetz hierzulande akzeptiert würde: "In Italien ist die Mafia seit mehr als Hundert Jahren in der Gesellschaft verwurzelt. Deswegen ist man bereit, so starke Eingriffe in die Grundrechte zu tolerieren." Die Vorratsdatenspeicherung und die langwierige Diskussion darum nennt Jungbluth als Beispiel für die gesellschaftliche Ablehnung von staatlichen Eingriffen. "Die Kernfrage ist, was ist kriminalpolitisch durchsetzbar?" Die Forderung nach einem Mafiagesetz mit einer Beweislastumkehr würde "nicht auf fruchtbaren Boden fallen".

"Kämpfen nicht mit stumpfen Waffen"

Die Mafiamorde von Duisburg führt Jungbluth zudem als Beispiel an, dass mit den vorhandenen Gesetzen erfolgreich ermittelt werden kann. "Wir kämpfen nicht mit stumpfen Waffen. Die Täter von Duisburg wurden festgenommen, auch im Ausland."

Autor Roth sieht insbesondere das Baugewerbe inklusive Immobilienhandel unterwandert: "Sub-Unternehmen werden benutzt, um Löhne zu drücken. Die legale Konkurrenz, die ehrlich arbeitet, hat keine Chance."

LKA-Mann Jungbluth sieht hingegen keine Unterwanderung: "Das lässt sich schwer begründen und bringt eine ganze Branche in Verruf." Der Abteilungsleiter verweist auf etwa fünf große Ermittlungsverfahren pro Jahr, die gegen die Mafia geführt werden — häufig wegen Rauschgift, Steuerhinterziehung, KFZ-Schmuggel. Man wolle die "Gruppierungen frühzeitig erkennen und aus der Anonymität heraus bringen".

Mafia aus der Grauzone holen

Aus der Grauzone ins Bewusstsein will die Initiative "Kultur der Legalität" die Mafia rücken. Denn da ist man sich einig: Aufmerksamkeit stört die krummen Geschäfte. "Ich erhoffe mir, dass die Ermittler, die mit Herzblut an die Sache herangehen, Rückenwind bei den Vorgesetzten bekommen. Besonders aus dem Innenministerium gibt es wenig Unterstützung", sagt Jürgen Roth.

"Alles, was Öffentlichkeit schafft, ist gut. Die Mafia will im Verborgenen arbeiten", lobt Jungbluth den Vorstoß. "Aber das darf nicht im Kern dazu führen, dass die Botschaft vermittelt wird, die deutsche Gesellschaft ist machtlos."

(irz/top/jco)
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