Fußball Herr Seidel geht in Rente

Fußball · Nach fast 50 Jahren bei Bayer AG und Bayer 04 hat Jürgen Seidel heute den letzten Arbeitstag. Von Reiner Calmund in die Fußballabteilung geholt, hatte der 63-Jährige dort viele Funktionen. Zuletzt betreute er die Amateure.

 Berufsalltag an der Seitenlinie: Jürgen Seidel (r.) bei seinem letzten Spiel gegen den FC Schalke 04 II.

Berufsalltag an der Seitenlinie: Jürgen Seidel (r.) bei seinem letzten Spiel gegen den FC Schalke 04 II.

Foto: Uwe Miserius

Der Weg zum Arbeitsplatz von Jürgen Seidel führt durch die Tiefgarage unter der BayArena. Sein fensterloses Büro im Keller ist voll mit Trikots, Hosen, Stutzen. Jeweils zum Training der Fußballer von Bayers zweiter Mannschaft hat er die Sachen rausgelegt. "Meist für so 20 Spieler. Jeder kriegt eine Garnitur."

Für das Waschen sei er, der Betreuer und Zeugwart, inzwischen nicht mehr zuständig. Seidel lächelt. Bald wird er auch für alles andere nicht mehr zuständig sein. Heute ist sein letzter Arbeitstag, nach fast 50 Jahren "beim Bayer".

Mit 14 Jahren heuerte Seidel als kaufmännischer Angestellter im Unternehmen an. "Der Schreibtisch — das war nichts für mich", erinnert sich der 63-Jährige. Es dauerte knapp 20 Jahre, bevor er sein berufliches Glück fand. Das verkörpert für Seidel ein gewichtiger Name im Leverkusener Sport: Reiner Calmund. "Nachdem ich ihn kennengelernt hatte, holte er mich Anfang der 80er in die Geschäftsstelle von Bayer 04." Calli schloss Seidel Türen zu einer Welt auf, in der der Fußballbegeisterte immer arbeiten wollte: Kartenverkauf, Jugendtrainer, Jugendleiter, seit fast 20 Jahren Betreuer der Amateure.

"Wie ein Sechser im Lotto"

"Das alles war wie ein Sechser im Lotto", sagt Seidel. Hunderte Fußballer sah er kommen und gehen. Flüchtig erzählt er, wie er Falko Götz bei sich versteckte, nach dessen Flucht aus der DDR. Auch sei er viel gereist mit den Bayer-Fußballern — unbezahlbar sei das. Vor allem Kenia habe es dem Küppersteger angetan. "Da fliege ich jeden Winter hin." Im Berufsalltag habe er gelernt, mit Menschen umzugehen. Schließlich war er stets von jungen Leuten umgeben.

Aber: Im Sinne von Disziplin und Ordnung "konnte ich ein Schweinehund sein. Ich habe mit den Jungs auch ein Bier getrunken — aber ich war für sie immer der Herr Seidel. Nie der Jürgen." Beim Blick in den Rückspiegel des Arbeitslebens fallen drei Namen aus der Bayer-Familie gehäuft: Calmund, Michael Reschke, Ulf Kirsten. Mit ihnen verbinde er mehr als nur den Arbeitgeber. In schweren Stunden "gab es viel Beistand für mich aus dem Verein".

Wenn Seidel ("Es ist die richtige Zeit, um zu gehen") heute sein Büro abschließt, dann nimmt er Stolz mit aus dem Stadion: "... darauf, dass ich etwas beigetragen habe, dass mancher im Fußball weit gekommen ist". Ab morgen reduziert sich seine Wochenarbeitszeit von gut 60 auf null Stunden. Er habe noch viel vor. Seidel ist verheiratet, hat zwei Töchter, drei Enkel und seit neuestem einen Schrebergarten. An den Arbeitsplatz im Keller will er nicht zurückkehren. Wenn er künftig in die BayArena kommt, dann sitzt Herr Seidel auf der Tribüne.

(RP/rl)
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