Brandanschlag in Solingen 20. Jahrestag: Familie Genç wirbt für Respekt

Solingen · Nach dem Solinger Brandanschlag auf ihre Familie wird Mevlüde Genç nicht müde, für Gewaltverzicht und ein tolerantes Miteinander zwischen allen Nationen und Kulturen zu werben. Am 29. Mai 1993 starben fünf Mädchen und junge Frauen.

20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags steht bevor
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Unmittelbar danach drohte Solingen im Chaos zu versinken. Wütende türkische Jugendliche zogen über die Straßen, der Verkehr lag brach. Inmitten der aufgewühlten Stimmung sagte die Frau, die selbst Opfer ist, die berührenden Worte: "Lasst uns Freunde sein". Die Dankbarkeit dafür ist heute noch spürbar. Das Wort der zurückgezogen lebenden Frau wird gehört. Sie wählte voriges Jahr als Mitglied der Bundesversammlung den Bundespräsidenten mit.

In der Familie Genç wird nur über das Flammeninferno gesprochen, wenn die Eltern und ihre Kinder zusammen sind. Die Enkel sollten erst im Erwachsenenalter davon erfahren, berichtete die 70-jährige Großmutter auf Türkisch. Weil die Familie sich den vielen Anfragen zum 20. Jahrestag des Anschlags nicht mehr gewachsen fühlte, antwortete sie am Donnerstag mit Hilfe eine Dolmetschers gebündelt auf Fragen. "20 Jahre sind wie gestern", meinte der 49 Jahre alte Sohn Kamil auf Deutsch. Er war mit Mutter und seinem Vater Durmus (69) gekommen.

"Sie glaubt, dass das Leben besser wäre, wenn alle aufeinander zugingen." So lautete eine übersetzte Antwort der 70-Jährigen mit dem ernsten Gesicht. Einmal im Monat besuche sie den Ort, wo das Haus der Familie stand. "Wenn sie nicht hinginge, würde sie sich nicht wohlfühlen."

Dort befindet sich heute eine Art Gedenkstätte. Ein Stein trägt den Namen der Toten, fünf Bäume wurden gepflanzt. Ein politisches Mahnmal steht vor einem Berufskolleg in der Stadt. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die ein Hakenkreuz zerreißen. Seit diesem Jahr gibt es auch einen "Mercimekplatz" - benannt nach dem türkischen Heimatort des Ehepaares, das seit mehr als 40 Jahren in Solingen lebt. Hier sei ihre Heimat, bekräftigte die 70-Jährige. Und ihr Sohn ergänzte: "Ich bleibe hier, das ist meine Stadt".

"Es ist bis heute ein unvergessener Tag der Trauer", sagte Oberbürgermeister Norbert Feith (CDU), als er im Januar das Programm zum 20. Jahrestag des Anschlags vorstellte. Die Stadt hat das Erbe angenommen. Ihre Integrationsarbeit ist inzwischen preisgekrönt. Jeder dritte der 160.000 Solinger hat ausländische Wurzeln.

(irz/anch/dpa)
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