Solingen Demo: Stimmung stand kurz auf der Kippe

Solingen · Veranstalter und Polizei zogen ein zufriedenes Fazit nach der Großdemo unter dem Motto "Das Problem heißt Rassismus". Es gingen deutlich mehr Teilnehmer als erwartet zur Unteren Wernerstraße. Zwei Vorfälle am Rande.

 Auch Linksautonome liefen in einem so genannten schwarzen Block mit durch die Solinger Innenstadt.

Auch Linksautonome liefen in einem so genannten schwarzen Block mit durch die Solinger Innenstadt.

Foto: Stephan Köhlen

Rund 2000 Menschen haben bei einer größtenteils friedlichen Demonstration am Samstagnachmittag der fünf Opfer des Solinger Brandanschlags vor 20 Jahren gedacht. Überschattet wurde der Zug durch die Innenstadt allerdings von einem Zwischenfall am Rathaus. Dort griffen rund zehn Demonstranten zwei junge Männer an, die sie irrtümlich für Rechtsextremisten hielten. Dabei wurde eines der Opfer leicht verletzt. Die Angreifer attackierten einen der jungen Männer derart heftig, so dass dieser später eine blutende Wunde im Gesicht hatte.

 Mit wehenden Fahnen beteiligten sich am Samstag rund 2000 Menschen an der Demonstration. "Die Veranstaltung war friedlich", sagte eine Polizeisprecherin.

Mit wehenden Fahnen beteiligten sich am Samstag rund 2000 Menschen an der Demonstration. "Die Veranstaltung war friedlich", sagte eine Polizeisprecherin.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Zum Zeitpunkt des Vorfalls waren die Demonstranten bereits über eine Stunde durch die Solinger City gezogen. Die Teilnehmer aus ganz NRW hatten sich gegen 13 Uhr unter dem Motto "Das Problem heißt Rassismus" im Südpark getroffen. Statt der vom Veranstalter "Solinger Appell" erwarteten 1000 Demonstranten waren rund doppelt so viele Menschen erschienen. Die Polizei schätzte die Zahl später auf rund 2000 Teilnehmer. Unter ihnen befanden sich auch etwa 200 Linksautonome, die in einem sogenannten schwarzen Block mit durch Solingen liefen.

Nach dem Start im Südpark machte der Demonstrationszug gegen 14.30 Uhr einen ersten Halt vor dem Rathaus. Redner sprachen zu den Demonstranten, als plötzlich die Stimmung zu kippen drohte. Zwei junge Männer gerieten in den Fokus einiger Autonomer. Die Linken hielten die beiden, die sich am Rande der Demo befanden, für Rechtsextreme, da einer der Männer eine Kamera bei sich trug.

Sofort machte das Gerücht die Runde, Neonazis wollten die Demoteilnehmer fotografieren – woraufhin eine Gruppe aggressiv gestimmter Autonomer auf die jungen Männer zustürmte. Diese liefen daraufhin in Richtung Merianstraße.

Und plötzlich machte sich in Sekundenschnelle Unruhe breit. Auch andere Demoteilnehmer stürmten die Straße hinunter. Zwar flehten die Organisatoren der Demonstration die Autonomen förmlich an, stehen zu bleiben. "Bitte bleibt hier", rief eine Sprecherin mit einem Megafon vom Veranstaltungswagen.

Doch erst der Polizei gelang es, die Verfolger zu stoppen und die Flüchtenden, von denen einer inzwischen eine blutende Nase hatte, aufzuhalten. "Die zwei Männer wollten nur einen Flyer an eine Wand kleben", schilderte später ein Augenzeuge, nachdem sich die Aufregung nach wenigen Minuten wieder gelegt hatte.

Inzwischen setzte sich der Demonstrationszug weiter fort in Richtung Untere Wernerstraße. Dort gedachten die Teilnehmer an der Stelle, an der bis zum 29. Mai 1993 das Haus der Familie Genç gestanden hatte, mit einer Schweigeminute der fünf ermordeten Mädchen und Frauen. Später zogen die Menschen dann zurück in die Innenstadt, wo die Demonstration mit einer Kundgebung auf dem Graf-Wilhelm-Platz ihren Abschluss fand.

Die Veranstalter zogen ein positives Resümee. Vor allem die unerwartet hohe Teilnehmerzahl freute die Verantwortlichen. Das ist ein klares Zeichen gegen Rassismus, sagte zum Beispiel der grüne Ratsherr Dietmar Gaida, der zuvor bei einer Ansprache vor allem die bürgerlichen Parteien scharf angegriffen hatte. Diese hätten mit ihrer Initiative zur Einschränkung des Asylrechts im Vorfeld der Brandanschläge die Bevölkerung aufgehetzt, so Gaida. Weiter kritisierte der Grüne die Verfassungsschutzbehörden. "Stoppt das V-Mann-Unwesen, das die Rechtsextremisten nur unterstützt", sagte Gaida mit Blick auf die NSU-Morde. Zugleich lobte der Ratsherr die Solinger Bevölkerung. Diese habe mit ihrem Engagement zur Aufarbeitung des Brandanschlags von 1993 beigetragen.

Lob verteilten die Veranstalter auch an die Polizei. Die Einsatzkräfte hätten stets besonnen reagiert, hieß es. Und die Polizei, die unter anderem mit Beamten des Staatsschutzes vor Ort war, zeigte sich ebenfalls zufrieden. "Die Veranstaltung war friedlich", sagte eine Sprecherin. Neben dem Vorfall am Rathaus habe es nur noch einen weiteren Zwischenfall gegeben. Direkt zu Beginn der Demo hatten sieben türkische Nationalisten versucht, sich unter die Teilnehmer zu mischen. "Diese Personen haben dann von uns einen Platzverweis erhalten", so die Polizeisprecherin.

(RP)
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