Solingen Hilflos gegen Junkies

Solingen · In die Stadtbibliothek in den Clemens-Galerien kommen immer öfter Drogenabhängige, um sich einen Schuss zu setzen. Auch die Kinderbibliothek bleibt davon nicht verschont.

Claudia Elsner-Overberg sieht die glänzenden Augen des kleinen Jungen noch vor sich, der in der Sommerlesenacht in der Kinderbibliothek ein Tier aus Luftballons geschenkt bekam und sich artig bedankte. Auch in der darauffolgenden Woche sah die Direktorin der Stadtbibliothek den kleinen Jungen, begleitet von seinem Vater.

Erst nach ein paar Tagen bekam Claudia Elsner-Overberg mit, dass der Vater seinen Sohn nur als Vorwand benutzte, um sich auf der Jungen-Toilette der Kinderbibliothek in Ruhe einen Schuss zu setzen. Drogenabhängige in der Bücherei, dies ist ein zunehmendes Problem, wie die Leiterin in dieser Woche auch den Mitgliedern des Kulturausschusses berichtete.

Die Szene hält sich bevorzugt rund um die Clemens-Galerien auf, das ist nicht neu und daher hat die Stadtbibliothek auch schon einiges unternommen, um ihre Kunden nicht mit den Drogenabhängigen oder Alkoholikern zu konfrontieren. Abgeschlossene Toiletten, eine Aufsicht im Haus, ein Hausmeister.

"Mehr können wir nicht tun, wir verdrängen das Problem ja ohnehin nur", sagt die Leiterin, die auch schon so manche Bierflasche aus dem Eingangsbereich der Bibliothek weggeräumt und zum gegenüberliegenden Kiosk an der Mummstraße gebracht hat. Dort gibt es besonders günstiges Flaschenbier, was verstärkt die Szene anlockt.

Blaues Licht nützt wenig

Ein größeres Problem sind allerdings die Junkies, die es immer wieder schaffen, sich in den Toiletten einen Schuss zu setzen. Zum Beispiel, wenn bei Veranstaltungen die Türen nicht abgeschlossen sind. "Das spricht sich ganz schnell herum", weiß Elsner-Overberg.

Das blaue Licht, das auf der Herrentoilette angebracht ist, damit die Junkies ihre Venen für die Spritze nicht finden, war nur am Anfang ein Erfolg. "Jetzt malen sich die Drogensüchtigen die Venen mit einem Stift nach und finden sie so auch unter blauem Licht", berichtet die Bibliotheksleiterin.

"Auf der Platte ist viel los", bestätigt auch Bezirkspolizist Maik Brückmann, der die Innenstadt wie seine Westentasche kennt. Nur noch zwei Ärzte in Solingen, die Drogenabhängige ins Metadonprogramm nehmen, in den umliegenden Städten zum Teil gar keine Mediziner mehr, die sich um Abhängige kümmern, darin sieht der Polizeibeamte einen der Gründe, warum sich die Zahl der Süchtigen rund um die Clemens-Galerien erhöht hat.

Gegen die Menschen auf der Platte vorzugehen, dafür gibt es für die Polizei in der Regel keinen Grund. Wie man dem Problem begegnen kann, darauf weiß Maik Brückmann auch keine richtige Antwort. "Machen sie die Stadt schuldenfrei und geben sie der Polizei mehr Personal", sagt er und weiß natürlich, dass dies eine Utopie ist.

So müssen Claudia Elsner-Overberg und ihre Kollegen weiter mit dem schier unlösbaren Problem leben und jeden Morgen mit einem mulmigen Gefühl die Türen aufschließen. Denn auf einen Mann, der sich am Abend zuvor einschließen ließ, ist sie morgens auch schon gestoßen.

(RP)
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