Solingen Japan will von Solingen lernen

Solingen · Das in der Klingenstadt praktizierte Verfahren der Bürgerbeteiligung bei der Sanierung des Stadthaushalts hat offenbar weltweit Aufsehen erregt. Gestern besuchte der japanische Verwaltungs-Professor Jiro Uno von der Universität Sapporo den Kämmerer und ließ sich darüber ins Bild setzen.

 Über den Solinger Bürgerhaushalt informierte sich gestern der japanische Professor Jiro Uno bei Stadtkämmerer Ralf Weeke.

Über den Solinger Bürgerhaushalt informierte sich gestern der japanische Professor Jiro Uno bei Stadtkämmerer Ralf Weeke.

Foto: Anja Tinter

Der Schock von Fukushima sitzt in Japan offenbar tief. Denn es war nicht das erste Mal, dass eine Naturkatastrophe den fernöstlichen Inselstaat heimsuchte. Immer wieder waren es die Bürger selbst und so genannte Non-Profit-Organisationen, die in solchen Notsituationen dem scheinbar gelähmten Staat halfen. Doch nun sollen die Bürger etwas zurückbekommen.

"Das Thema Bürgerbeteiligung wird in unserem Land immer wichtiger", sagt Jiro Uno. Der 38-jährige Japaner muss es wissen, denn er ist Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Sapporo. Gestern blickte er in einem Sitzungssaal gebannt auf eine Präsentation, die Stadtkämmerer Ralf Weeke für ihn vorbereitet hatte. Mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Texten, die eine Dolmetscherin dem Gast übersetzte, beschrieb der Stadtkämmerer Solingens Weg zum und durch das Bürgerbeteiligungsverfahren zur Haushaltssanierung im Jahr 2010.

Damals hatte die Stadt ihre Bürger per Internetvotum gefragt, wo die Stadt sparen soll. Die Teilnehmer konnten 78 Vorschläge und 30 Sondermaßnahmen bewerten und in Kommentaren auch eigene Vorschläge machen. Immerhin 3500 Bürger nutzen die Chance und beteiligten sich am Internet-Votum. Das entspricht 2,2 Prozent der Stadtbevölkerung und war damals weit mehr als erwartet.

"Der Schnitt solcher Bürgerbefragungen liegt bei einem Prozent", sagt Weeke. Die Klingenstadt wurde vielfach in überregionalen Presseorganen erwähnt und erhielt einen von der Bertelsmannstiftung ausgelobten Preis, den "European Public Sektor Award", der auf europäischer Ebene gespielt und in Maastricht vergeben wurde.

Das blieb offenbar auch den japanischen Verwaltungs- und Finanzwissenschaftlern der Universität Sapporo nicht verborgen. Für Professor Uno war es der Anlass, Solingen auf seine Reiseroute zu setzen - neben Hamburg, Berlin, Köln und Bonn.

Finanzprobleme von Städten und Kommunen gebe es eben auch in Japan, erklärt Uno. Weniger in der Zwei-Millionen-Metropole Sapporo selbst, wohl aber in den nördlichen Provinzen ringsum. 2006 war die frühere Bergbaustadt Yubari pleitegegangen und musste mit Staatsgeld gerettet werden.

"Damals ist den Bürgern schmerzhaft bewusst geworden, wie wichtig die Entschuldung ist", sagt der Professor. Bei dem Solinger Modell beeindruckt ihn die Offenheit der Bürger, im Interesse der Stadt auch gegen eigene Interessen zu votieren. Menschen im typischen Autofahreralter 35 bis 60 Jahre hätten für den Erhalt von Nahverkehrsangeboten und für die Erhöhung von Parkgebühren gestimmt. Kurze und präzise Informationen seien bei der Bürgerbeteiligung wichtig. Gleichwohl seien die Sparvorschläge weitgehend vorgegeben. Das will Weeke beim nächsten Durchgang (s. Info) ändern — "wir werden mehr Raum für eigene Vorschläge der Bürger lassen."

(RP/rl)
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