Solingen Piraten wollen mitmischen

Solingen · Herr Reintzsch, wie erklären Sie sich den großen Erfolg ihrer Partei mit 8,9 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl in Berlin?

Herr Reintzsch, wie erklären Sie sich den großen Erfolg ihrer Partei mit 8,9 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl in Berlin?

Reintzsch Das Potenzial hatten wir schon. Zehn Tage vor der Wahl kam dann die Prognose, die uns bei 4,5 Prozent gesehen hat. Dadurch ist wohl die Hemmschwelle für viele Wähler gefallen, weil wir nun echte Chancen auf Landtagsmandate hatten.

Sind sie eine Protestpartei?

Reintzsch Ja, insofern, als wir uns aus Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik gegründet haben. Mit unseren Kernthemen, dem Datenschutz einerseits, und der Transparenz in der Politik andererseits, sind wir in ein Vakuum gestoßen.

Wie ist ihre Partei im Bergischen Land organisiert?

Reintzsch Wir haben in Solingen noch keine echte Verbandsstruktur. In Wuppertal, Remscheid und Solingen gibt es 90 Mitglieder, 22 in Solingen. Wir veranstalten regelmäßig offene Stammtische. Für Oktober erwarten wir einen Zuwachs.

Zu den Themen: Wie sehen ihre Forderungen im Hinblick auf den Datenschutz konkret aus?

Reintzsch Die Informationstechnik ist fortgeschritten. Um die Auswüchse zu verhindern, müsste es teurer werden, persönliche Daten zu speichern. Außerdem sind wir der Auffassung, dass Behörden verpflichtet werden sollen, den Bürgern mitzuteilen, über welche ihrer Daten sie verfügen.

Wie soll Politik transparenter gemacht werden?

Reintzsch Wir sind für eine stärkere Bürgerbeteiligung bei politischen Entscheidungen. Wir wollen, dass Bürger selbst Vorschläge einbringen und darüber abstimmen können. Zudem muss man über eine Reform des Wahlsystems nachdenken. Zum Beispiel sollten die Bürger kumulieren und panaschieren können, damit man die Zustimmung zu den Bewerbern besser gewichten kann. Schließlich stimmt niemand zu 100 Prozent mit einer Partei überein.

Als weiteren Schwerpunkt ihres Programms bezeichnen sie die Bildungspolitik.

Reintzsch Wir sind für eine kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Universität. Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft. Außerdem wollen wir das Schulsystem verändern. Das Klassensystem halten wir für überholt, weil jeder Schüler sein eigenes Lerntempo hat. Auf die Grundschule, in der man Grundlagen für das Lernen schafft, soll ein individuelles Kurssystem folgen.

Gibt es weitere Politikfelder?

Reintzsch Ja, die Sozialpolitik. Wir entwickeln beispielsweise ein Modell für ein gemeinnütziges Grundeinkommen. Mit dem wollen wir das Ehrenamt stärken, durch das heute sehr viel Geld erwirtschaftet wird.

Wie steht es um den Bereich der Kommunalpolitik?

Reintzsch Wir beginnen gerade erst damit, uns mit der Kommunalpolitik zu befassen. Man darf nicht vergessen, dass wir uns zunächst wegen bundespolitischer Aspekte zusammengefunden haben.

Welche Kooperationspartner sehen Sie?

Reintzsch Es gibt Schnittmengen mit der SPD, den Grünen und auch der FDP. Bei der Union hätten wir Schwierigkeiten wegen ihrer kritischen Haltung zu Bürgerbeteiligungen. Wir sehen uns als sozialliberale Partei.

Ein Blick in die Zukunft: Werden die etablierten Parteien Ihr Programm übernehmen oder werden sie selbst einmal eine etablierte Partei sein?

Reintzsch Alles ist möglich. Die anderen Parteien haben seit den Erfolgen der Grünen die Umweltpolitik übernommen. So geht es jetzt mit dem Thema Internetpolitik, in dem wir die Kernkompetenz stellen. Vielleicht werden wir in 20 Jahren angestaubt sein. Dann kommt womöglich etwas Neues.

Alexander Riedel führte das Gespräch mit Alexander Reintzsch.

(ied)
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