Wermelskirchen Bei Autismus stößt Inklusion an Grenzen

Wermelskirchen · Ute Gagaridis weiß als Mutter und Integrationshelferin, welche Fachlichkeit bei Autismus nötig ist.

Mit dem Inklusionsgesetz werden Eltern behinderter Kinder die Möglichkeit bekommen, ihre Kinder in jedwede Regelschule zu schicken. "Das stößt an Grenzen," warnt allerdings Ute Gagaridis. Sie hat als Mutter eines Sohnes, der an Asperger Autismus leidet, die regionale Selbsthilfegruppe gegründet und ist seit vier Jahren auch selbst als Schulassistentin bzw. Integrationshelferin für behinderte Kinder tätig.

Eltern von Kindern mit Autismus haben laut Gagaridis aber schon im Vorfeld des Inklusionsgesetzes eine brennende Problematik. "Die Jugendämter gewähren uns zwar heilpädagogische oder erzieherische Fachkräfte als Integrationshelfer für unsere Kinder. Diese wissen aber nichts über Autismus, weil ihnen die notwendige Zusatzausbildung oder persönliche Erfahrung fehlt", verdeutlicht Gagaridis. Da sei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten: "Wir sind nicht gegen die Inklusion in den Regelschulen, aber es gibt bei Autismus Grenzen. Eltern sollten nicht überehrgeizig sein und ihr Kind auf Teufel komm raus auf eine Regelschule schicken wollen", rät Gagaridis. Kinder mit Autismus seien an Regelschulen nur dann auch gut aufgehoben und könnten glücklich werden, wenn sie die exakt für ihr Handicap passende fachliche Begleitung bekämen.

Solange aber die Kostenträger nur nach Akteneinsicht die Fachlichkeit eines Integrationshelfers für Autismus-Kinder nur in einer heilpädagogischen oder erzieherischen Ausbildung sähen, werde Kindern mit Autismus nicht geholfen, beklagt Gagaridis auch im Namen der mehr als 40 Eltern, die ihrer Selbsthilfegruppe angehören. "Uns wird von den Kostenträgern immer vorgehalten, wir hätten doch Fachkräfte für unsere Kinder, was wollten wir denn mehr?", berichtet die Mutter.

Aber es fehle an Kenntnis, was Autismus-Kinder tatsächlich benötigen und vor allem, "wie sie ticken". Sie nennt ein Beispiel aus der Praxis: "Viele Kinder mit Autismus ertragen es nicht, wenn man sie anfasst. Sie können das einfach nicht ertragen. Das muss man aber wissen. Deshalb kann eine Situation schon eskalieren, wenn ein Pädagoge gut meinend ein Autismus-Kind nur mal zur Seite nehmen möchte und es dabei anfasst", verdeutlicht die Mutter.

Das Inklusionsgesetz sei ein hehres Ziel, es dürfe aber kein Schnellschuss werden: "Inklusion dauert und kostet viel Geld", sagt Gagaridis voraus. Die Kinder dürften bei diesem Prozess auf keinen Fall zu Versuchskaninchen werden. Ihr eigener Sohn hatte sich übrigens in der elften Klasse des Gymnasiums entschieden, der Regelschule adé zu sagen. Anschließend hat er es aber trotz Asperger Autismus mit entsprechender fachlicher Begleitung geschafft, seine Ausbildung als Chemielaborant zu absolvieren, eine feste Anstellung zu bekommen und sogar inzwischen in einer eigenen Wohnung zu leben: "Wir müssen unseren Kindern auch was zutrauen", hat die Mutter von ihrem Sohn gelernt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort