Bergisches Land Offensiver Umgang mit Behandlungsfehlern

Bergisches Land · Im Oberbergischen und im Rheinisch-Bergischen Kreis wurden im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Behandlungsfehler bei der AOK gemeldet. Die Krankenkasse bietet Beratung an – und will nun die Gründe für die Häufung untersuchen. Die Krankenhäuser in Wermelskirchen und Radevormwald gehen offen mit dem Thema um.

 Der Ärztliche Direktor am Sana Krankenhaus in Radevormwald, Dr. Reinhold Hikl.

Der Ärztliche Direktor am Sana Krankenhaus in Radevormwald, Dr. Reinhold Hikl.

Foto: hertgen

Im Oberbergischen und im Rheinisch-Bergischen Kreis wurden im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Behandlungsfehler bei der AOK gemeldet. Die Krankenkasse bietet Beratung an — und will nun die Gründe für die Häufung untersuchen. Die Krankenhäuser in Wermelskirchen und Radevormwald gehen offen mit dem Thema um.

48 Patienten aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis meldeten sich 2011 beim Serviceteam "Ärztliche Behandlungsfehler" der AOK. In Oberberg sind es 68 Fälle. Das entspricht neun bzw. 7,6 Fällen pro 10.000 Versicherten, der Durchschnitt bei der AOK Rheinland/Hamburg liegt bei 6,5. "Das werden wir unter die Lupe nehmen", sagt Astrid Pollmann vom Serviceteam. "Das könnte beispielsweise mit einem bestimmten Arzt oder mit einer Organisations-Umstellung in einem Krankenhaus zu tun haben." Die Gründe zu finden ist nicht einfach und wichtig ist der Krankenkasse: "Aus den Zahlen kann man nicht automatisch auf eine schlechtere Behandlung in der Region schließen." Denn die Zahlen beziehen sich in erster Linie auf den Wohnort der Versicherten.

Im Gespräch mit Patient bleiben

Seitdem das Angebot 1997 eingeführt wurde haben sich 11.563 Versicherte gemeldet, im Vorjahr registrierte das zehnköpfige Team 874 Fälle. Zur Zeit sind 1850 Schadensfälle in Bearbeitung. "Es werden immer mehr Patienten aufmerksam und nutzen das Angebot", erklärt Pollmann die steigende Tendenz.

Damit aus einer Beschwerde im Krankenhaus Wermelskirchen erst gar kein offizieller Fall wird, kümmert sich die Geschäftsführung und ein Beschwerdemanager um unzufriedene Patienten. "Wir versuchen vorab, die Situation mit dem Patient zu klären", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Ralf Schmandt. "Wir wollen im Gespräch bleiben. Bevor der Fall bei der Haftpflichversicherung landet, wird er im Haus mit den Medizinern oder Pflegern angeguckt." Es gebe zwar immer mal wieder Beschwerden, aber selten erweist sich ein Fall als echter Behandlungsfehler. Schmandt betont: "Wir sind kein Haus, das in den Vergleichszahlen der Versicherung negativ heraus sticht."

"Fehlervermeidungskultur" in Rade

Das "Sana Krankenhaus" in Radevormwald bemüht sich vor allem um Fehlervermeidung. "Wir versuchen, davor anzusetzen, damit Fehler erst gar nicht passieren. Darin investieren wir viel", erklärt der Ärztliche Direktor Dr. Reinhold Hikl. "Und wenn es doch passiert, dann versuchen wir, sehr offen zu kommunizieren und den Weg soweit gewünscht gemeinsam zu gehen. Es macht keine Sinn drumherum zu reden."

Die meisten Beschwerdefälle bei der AOK kommen mit 30,3 Prozent aus der Chirurgie. Es folgen Beanstandungen in der Diagnostik (16,2 Prozent), Zahnmedizin (9,5 Prozent), Orthopädie (5,8 Prozent) und der Geburtshilfe (4,5 Prozent). Diese Gewichtung stimmt laut Pollmann auch ungefähr für den Oberbergischen und Rheinisch-Bergischen Kreis. "Die Chirurgen sind aber nicht die bösen Ärzte. In anderen Fachbereichen werden Fehler nicht bemerkt oder sind nicht so offensichtlich." Wenn eine falsche Schraube eingesetzt werde, falle das eben eher auf als eine falsche Medikamentierung durch den Hausarzt.

Beweislastumkehr nur bei groben Fehlern

25 bis 30 Prozent der Fälle werden anerkannt und führen zu einem Schmerzensgeld — doch zunächst muss ein Gutachten erstellt werden, dabei ist Geduld gefragt "Wir geben dann Tipps, wie es weitergeht. In der Regel erfolgt der Gang zum Anwalt." Die meisten Fälle werden außerhalb des Gerichts geregelt, indem mit der Haftpflichtversicherung verhandelt wird. Dennoch können sich die Fälle jahrelang hinziehen, da häufig mehr als ein Gutachten nötig wird.

Die Beweislast liegt in der Regel beim Patienten. Der muss nicht nur den Fehler nachweisen, sondern auch beweisen, dass die Schädigung durch den Fehler entstanden ist. "An diesem Kausalitätsprinzip scheitern viele Prozesse", sagt Pollmann. Nur bei einem groben Behandlungsfehler gibt es eine Beweislastumkehr — das klassische Beispiel dafür ist das vergessene OP-Besteck im Bauchraum. Pollmann: "Der Patient hat es aber selten so einfach, zu seinem Recht zu kommen."

Info AOK-Service Tel. 0211-8791-1124

(irz/top)
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