Nach der Bluttat von Norwegen Der aussichtlose Ruf nach Datenspeicherung

Oslo/Berlin · Während Norwegen um die Opfer des Anschlags und des Blutbades im Stillen trauert, führen die Taten in Deutschland auch zu einer politischen Diskussion. Plötzlich geht es wieder um die innere Sicherheit und die Vorratsdatenspeicherung. Das Vorhaben des Anders Behring Breivik allerdings hätten mit einer solchen Maßnahme wohl nicht verhindert werden können. Denn auch in Norwegen gibt es die Vorratsdatenspeicherung.

Anders Breivik - Mann mit zwei Persönlichkeiten
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Es ist schon fast Standard, dass nach einem Anschlag der eine oder andere Unionspolitiker in Deutschland mit der Forderung nach der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorprescht. So auch jetzt nach dem Blutbad von Oslo und Utoya.

Diesmal ist es der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, der dafür plädiert. Der "Passauer Neuen Presse" sagte er: "Im Vorfeld muss die Überwachung von Internetverkehr und Telefongesprächen möglich sein. Nur wenn Ermittler die Kommunikation von geplanten Anschlägen verfolgen können, können sie solche Taten vereiteln und Menschen schützen."

Und Uhl legte noch einmal nach. In einer Pressemitteilung erklärte er: "Solche Taten mögen von radikalisierten Einzelnen begangen werden, geplant werden sie im Internet." Die Sicherheitsbehörden müssten stärker im Netz auf Streife gehen. Und sie müssten in der Lage sein, strafbare und extremistische Inhalte, wenn sie sie entdeckten, einem bestimmten Urheber zuzuordnen.

Kein Zuspruch aus dem Innenministerium

Allerdings bekommt Uhl diesmal keine Rückendeckung aus dem Innenministerium, auch wenn der zuständige Minister Hans-Peter Friedrich gern für eine Wiedereinführung plädiert und damit auf Konfrontationskurs zu Justizminister Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geht. Aus seinem Haus hieß es aber zu Uhls Vorschlag lediglich: "Die Vorgänge in Norwegen geben in diesem Zusammenhang keine zusätzlichen Argumente."

Tatsächlich wurde die Vorratsdatenspeicherung nach den Anschlägen vom 11. September im Rahmen der Terrorbekämpfung eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehende Regelung allerdings gekippt. Seither ringt die Koalition um eine Neuregelung. Aber auch in Norwegen war erst im April ein Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung gefasst worden und durch das Parlament gebracht worden. Das Blutbad allerdings hat das nicht verhindert.

Denn die endlose Speicherung von Daten führt noch lange nicht dazu, dass ein einzelner Täter unter den Unmengen von Daten ausfindig gemacht werden kann. Zumal sich im Internet jede Menge wirre Gedanken finden, die teils tatsächlich Anlass zur Sorge bieten, andere wiederum nicht. Zudem hatte der norwegische Attentäter selbst erklärt, seinen Freunden nicht von seinen Anschlägsplänen erzählt zu haben. Und sein Manifest verschickte er erst kurz bevor er zu den Taten aufbrach.

Und so zeigt die Diskussion nur wieder einmal, wie hilflos die Politik dem Phänomen Internet gegenübersteht. Ganz nach dem Motto: Lieber alles kontrollieren statt sich am Ende etwas vorwerfen zu lassen.

FDP contra Union

Dabei hatte Uhl selbst erklärt, dass die Sicherheitsbehörden gefundene extremistische Inhalte ihrem Urheber zuordnen sollen können. Das allerdings entspräche eher dem Vorschlag der Liberalen, die die Datenspeicherung nur auf einen konkreten Verdacht hin wollen. Der Unionspolitiker aber fordert von der FDP, ihren Widerstand aufzugeben.

Denn seit Monaten schwelt der Streit um die Vorratsdatenspeicherung in der Berliner Koalition. Erst kürzlich hatten Innenminister und Justizministerin zumindest eine Einigung bei den Anti-Terrorgesetzen erzielen können. Von der Speicherung der Telekommunikationsdaten der Deutschen war da allerdings keine Rede. FDP und Union wollen in dieser Hinsicht ganz unterschiedliche Dinge.

Während die Union die Daten möglichst lange und ohne konkreten Anlass speichern will, sprechen sich die Liberalen für eine Begrenzung ein und dass die Speicherung nur bei einem konkreten Verdacht durchgeführt wird.

Rechtsextremismus im Netz auf Vormarsch

Wesentlich wichtiger dürfte es sein, gerade die einschlägigen Webseiten und Foren von rechts- wie linksradikalen oder islamistischen Gruppierungen gezielter zu durchsuchen. Denn dass gerade der Rechtsradikalismus sich immer offener etwa in sozialen Netzwerken wie Facebook positioniert, davor warnen Jahr für Jahr Organisationen wie etwa jugendschutz.net. Geändert hat sich in dieser Hinsicht aber kaum etwas.

Und so sagt auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, dass man extremistisches und menschenfeindliches Gedankengut in Blogs und Foren nicht auf die leichte Schulter nehmen solle und sich die Bürger auch nicht scheuen dürften, solche Einträge der Polizei zu melden. "Die Polizei kann nicht in die Köpfe der Menschen schauen und sollte es auch nicht tun können", so Witthaut.

Es klingt schon fast wie ein Hilferuf. Denn um das Internet tatsächlich durchsuchen zu können, braucht es bei der Polizei vor allem eines: Personal - und noch dazu geschultes - und nicht Unmengen an gespeicherten Daten. Und so wächst auch die Kritik an Uhls Forderung. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck etwa erklärte gegenüber "Handelsblatt Online": "Die Vorratsdatenspeicherung hätte nach dem Stand der Erkenntnisse kein einziges Menschenleben retten können."

(mit Agenturmaterial)
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