"Schutzranzen" Peilsender im Schulranzen - Debatte um App

Ludwigsburg · Ein GPS-Sender soll Kinder schützen. Doch noch vor dem ersten Test steht das Projekt "Schutzranzen" in der Kritik.

 Ein GPS-Sender, der mit der "Schutzranzen" App eingesetzt werden kann, steht vor einem Schulranzen.

Ein GPS-Sender, der mit der "Schutzranzen" App eingesetzt werden kann, steht vor einem Schulranzen.

Foto: Lino Mirgeler/dpa

Mit einem Peilsender im Ranzen will ein Unternehmen den Schulweg von Kindern sicherer machen. Getestet werden soll das Projekt mit Schülern in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) - doch noch vor dem Start hagelt es Kritik. Datenschützer werfen der App mit dem Namen "Schutzranzen" Intransparenz und eine Überwachung der Kinder vor. Im niedersächsischen Wolfsburg, wo ebenfalls ein Testlauf geplant war, wurde das Projekt auf Eis gelegt. In Ludwigsburg hält man an der Idee fest, sucht aber den Dialog. In einer Stellungnahme schreibt die Stadt, sie wolle Datenschützer, Polizei, ADAC, Schulen und Eltern an einen Tisch holen, um über die Bedenken zu diskutieren.

"Schutzranzen" funktioniert über eine App oder einen GPS-Sender, den die Kinder dabei haben. Darüber wird ihre Position erfasst. Kommt ein Autofahrer ihnen gefährlich nahe, erhält er eine Warnung über sein eigenes Telefon, visuell und akustisch: "Achtung Kind" oder auch "Achtung Schule", wenn er in die Nähe eines Schulgebäudes fährt. So sollen Unfälle vermieden werden. In der Kritik steht eine weitere Funktion: Eltern können über das Programm des bayerischen Unternehmens feststellen, wo sich der Nachwuchs gerade aufhält.

Erfinder Walter Hildebrandt kam auf die Idee, weil es ihm schwer fiel, seinen Sohn früher alleine zur Schule gehen zu lassen. Die gelbe Warnweste, die dieser eigentlich tragen sollte, um besser gesehen zu werden, zog er bald nicht mehr an. Jeden Tag zur Schule fahren wollte ihn Hildebrandt auch nicht. "Aber Kinder mögen Digitales, so kam ich auf die Idee." Damit die App Autofahrer erfolgreich warnen kann, müssen aber sowohl Kind als auch Fahrer die Anwendung installiert haben.

Kritik kommt auch von der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten Barbara Thiel. "Wenn Eltern jederzeit per Knopfdruck die Position ihrer Kinder erfahren können, stellt das eine Totalüberwachung dar", sagte sie. "Die Aussage, dass die Positionsdaten der Kinder nur anonym in die Cloud übermittelt werden, ist zumindest zweifelhaft." Auch der Verband Bildung und Erziehung hat wenig für das Projekt übrig. "Ich warne mit Nachdruck davor, sich trügerischen Sicherheiten im Tausch von Daten hinzugeben", sagt der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Es sei nicht Aufgabe der Eltern, stets zu wissen, wo ihr Kind sei, sondern sie fit für den Straßenverkehr zu machen. Der Bielefelder Verein Digitalcourage beklagt mangelnde Transparenz - Daten gingen über die Server etwa an Google, Amazon und Microsoft.

"Wir wollen keine Daten verkaufen und speichern sie auch nicht", wehrt sich Hildebrandt. Alles werde verschlüsselt. Um sich zu registrieren, genüge ein Pseudonym. "Kein Autofahrer bekommt die exakte Position eines Kindes." Die App zeige lediglich Sektionen mit einem Radius von 150 Metern an, in der sich Kinder aufhielten. Für ein gutes Ergebnis brauche auch nicht jeder den digitalen Schutz - eine Abdeckung von 30 Prozent genüge.

Laut Hildebrandt können Eltern zumindest über die App die Kinder nicht automatisch lokalisieren. "Das Kind muss die Funktion selbst freischalten und kann sie auch jederzeit wieder deaktivieren."

Ludwigsburg hält weiter an der Partnerschaft fest. Aber auch dort ist die Kritik angekommen. Datenschutz und -sicherheit hätten höchste Priorität, heißt es in einer Stellungnahme.

(dpa)
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