RP Plus Auf Yachten gilt: "Frauen und Kinder zuletzt"

Jens Westerbeck verkaufte jahrelang Yachten an die reichsten Menschen der Republik. In seinem Roman "Boatpeople", der jetzt als Taschen- und Hörbuch erschienen ist, hat der 34-Jährige die wildesten Erfahrungen dieser Zeit festgehalten. Westerbeck, bis zuletzt Chefautor der ARD-Sendung "Gottschalk Live", spricht im Interview über brennende Porsche, Rolf Eden und Yachtbesitzer, die seine Ästhetik beleidigen.

 Jens Westerbeck hat über seine Erfahrungen als Yachtverkäufer ein Buch geschrieben.

Jens Westerbeck hat über seine Erfahrungen als Yachtverkäufer ein Buch geschrieben.

Foto: Foto: Nadine Martin

Jens Westerbeck verkaufte jahrelang Yachten an die reichsten Menschen der Republik. In seinem Roman "Boatpeople", der jetzt als Taschen- und Hörbuch erschienen ist, hat der 34-Jährige die wildesten Erfahrungen dieser Zeit festgehalten. Westerbeck, bis zuletzt Chefautor der ARD-Sendung "Gottschalk Live", spricht im Interview über brennende Porsche, Rolf Eden und Yachtbesitzer, die seine Ästhetik beleidigen.

Herr Westerbeck, wieso kaufen sich Menschen eine Yacht? Ist das nicht die höchste Form des Geldverbrennens?

Jens Westerbeck Mit einer Yacht verbrennt man tatsächlich Geld. Viel mehr als bei einer Luxusimmobilie oder bei einem Flugzeug, die ja beide im Wert sogar steigen können. Mit einer Yacht setzt man das Ausrufezeichen hinter seine persönliche Verschwendungssucht.

Wie sind Sie überhaupt Yachtbroker geworden?

Ich bin seit 1999 selbständiger Unternehmer und habe schon immer verkauft, was das Zeug hergab. Egal, welches Produkt, egal welche Branche. Ich habe dann über Umwege einen der damals erfolgreichsten Bootshändler der Welt kennengelernt. Er roch wohl mein Verkaufstalent und bot mir an, freiberuflich für ihn Schiffe zu verkaufen. Das war 2005, ich war damals 28 Jahre alt. Aufgehört habe ich Mitte 2010.

Weil Ihnen der Job langweilig wurde?

Weil ich es nicht ertragen konnte, wie sich die Kugeln im Casino des Geldadels nach der Krise Mitte 2009 wieder anfingen zu drehen. Da gossen sich dieselben Leute, die die Welt zuvor mit unseriösen Finanzspekulation an den Abgrund gebracht hatten, schneller wieder Champagner über den Kopf, als Bikinioberteile auf den gleichen Yachten fielen, die noch ein Jahr zuvor beim Pfandleiher standen. Mir war der unsinnige Luxus einfach irgendwann zuwider.

Verdirbt Geld also tatsächlich den Charakter?

Nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, glaube ich, dass Geld schlechte Charaktere zumindest schnell offenlegt und die Eigenschaft fördert, Statussymbole anderen gegenüber demütigend einzusetzen.

Betrachtet man sich als Verkäufer dieser Statussymbole eher als Diener der Superreichen oder als einer, der Ihnen schon einen Schritt voraus ist, quasi als Dealer einer Überdroge?

Ich war meinen Kunden bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 immer einen Schritt voraus. Wir hatten einen Verkäufermarkt und man konnte mit geschicktem Taktieren ein geringeres Angebot suggerieren, als tatsächlich vorhanden war, um so die Preise in die Höhe zu treiben. Nach der Lehman-Pleite und den damit verbundenen Aktienturbulenzen versilberten aber alle Jungmillionäre ihre absurden Luxusgüter wie Autos, Immobilien und Schiffe, und es gab ein wesentlich höheres Angebot, als Nachfrage vorhanden war. Also ein Käufermarkt. Da wurde man dann schnell wieder zum Diener, und der Kapitalismus zeigte seine hässliche Fratze.

Was sagte diese Fratze?

"Rette sich wer kann - Frauen und Kinder zuletzt!"

Apropos Fratzen, Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, dass man prima sehe, wie dumm Geld machen kann, wenn man sich die TV-Millionärsfamilie Geissen anschaut. Ist das der Prototyp des Yachtkäufers?

Zumindest in dem Bereich, in dem ich verkauft habe. Unsere Schiffe waren für den extrovertierten Kunden gefertigt, inklusive schriller Lackierungen. Auf den Automobilbereich übertragen könnte man sie mit Fahrzeugen von Lamborghini vergleichen. Und es ist ja wirklich so, dass aus einem Lamborghini eher ein Zuhälter mit dicker Uhr, Sonnenbrille und einem T-Shirt voll alberner Prints steigt, als der Typ Literaturprofessor. Das hieß für mich als Ästhet: Augen zu und durch! Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ich mir Typen wie Rolf Eden angucke, will und kann ich einfach nicht verstehen, warum es manchen Menschen schwer fällt, in Würde zu altern.

Und was haben diese Leute bei Ihnen für die Verjüngungskur "Privat-Yacht" hingeblättert?

Zwischen drei und sieben Millionen Euro.

Dafür kann man schon einige abgedrehte Extrawünsche erwarten, oder?

Klar. Der verrückteste Wunsch kam von einem Zahnarzt, der sich eine Behandlungskabine an Bord seines Schiffes wünschte, um damit Kunden im Hafen von Dubai zu behandeln. Aber der hatte immerhin Verwendung für sein Boot. Viele der Kunden haben ihre Yachten nach dem Kauf überhaupt nicht genutzt. Ich habe Schiffe in Zahlung genommen, die nach drei Jahren gerade mal 25 Betriebsstunden auf der Uhr hatten.

Bisschen neidisch gewesen in dieser Zeit, nicht auch mit so viel Reichtum gesegnet zu sein?

Viele meiner Kollegen sind tatsächlich am Neid zerbrochen. Allerdings muss man da differenzieren: Zunächst einmal ist Neid eine gar nicht mal so schlechte Eigenschaft. Sie spornt und treibt die Menschen an. Ohne Neid würde es ja vollkommen ausreichen, wenn wir alle dasselbe Auto fahren, im selben Haus wohnen und auf dem gleichen Küchentisch aus schlecht furnierter Spanplatte vögeln würden. Also wie in der DDR. Eine gesunde Portion Neid führt also dazu, dass Produkte entwickelt werden, um sich von der Masse abzusetzen, und darauf beruht nun mal wirtschaftlicher und damit auch gesellschaftlicher Wohlstand. Wird aus Neid dann aber Missgunst, fangen die Porsche in den besseren Wohnvierteln an zu brennen.

Ich wollte Ihnen nicht unterstellen, dass Sie heimlich an den Yachten Ihrer Kunden gezündelt haben.

Schon klar, ich wollte damit auch nur sagen: Ich kenne das Gefühl von Neid einfach nicht. Ich ticke ziemlich analytisch und weiß, dass auf einen Millionär 100 gescheiterte Unternehmer auf einem Berg voll Schulden sitzen, weil sie im richtigen Moment nicht an der passenden Stelle waren.

Gibt es trotzdem Accessoires aus Ihrer Zeit als Yachtbroker, die Sie heute noch tragen können, ohne von ihrem Umfeld schief angeguckt zu werden?

Nein. Ich habe mein neues Leben als Autor und Schriftsteller in voller Konsequenz begonnen und alles verkauft, was mich an mein altes Leben erinnert hat: die Uhren, meinen 30 Liter auf 100 Kilometer fressenden Edel-SUV, die Designeranzüge und alberne Accessoires wie Geldscheinklammern aus Gold. Das hat viele Vorteile. Heute muss ich beim Griff in den Kleiderschrank keine Angst haben, dass ich mit einem bunten "Etro"-Sakko auf dem Schulfest meines Sohnes aufkreuze.

Und Freunde von damals, haben Sie die wenigstens behalten können?

Einige sogar! Die schmücken sich jetzt damit, dass sie einen Schriftsteller in ihrem Freundeskreis haben. Mit dem Job ist man auf jeder Party der Star.

Sie haben auch eine eigene Late-Night-Show in Berlin. Wie sieht die aus?

"Westerbecks Woche" findet ungefähr alle acht Wochen in Berliner Hotelbars live vor Publikum statt. Und ich hatte schon wirklich tolle Gäste, wie zum Beispiel Atze Schröder.

Zieht es Sie mit einem solchen Format nicht ins Fernsehen?

Fernsehen wäre natürlich toll, aber ich befürchte, dass meine Show inhaltlich nicht ins Programm-Raster der heutigen Zeit passt. Bei mir wird gesoffen, geraucht und jeder zweite meiner Witze ist politisch garantiert nicht korrekt. Wenn ich dann sehe, dass Kollegen wie Charlotte Roche und Jan Böhmermann, die mit "Roche & Böhmermann" eine wirklich coole Talkshow auf ZDFneo machen, einen Sturm der Entrüstung entfachen, weil in der Sendung Alkohol getrunken und geraucht wird, dann sage ich: Das tue ich mir nicht an.

Also lieber noch mehr Bücher schreiben?

Auch, ja. Mein Job als Chefautor bei "Gottschalk live" endete ja bekanntermaßen mit der Einstellung der Sendung am 7. Juni. Nun schreibe ich meinen zweiten Roman "Löffelchenstellung" fertig, der im November erscheint, und was dann kommt, steht in den Sternen, in meinem E-Mail-Postfach oder landet als Angebot auf meinem Anrufbeantworter. Irgendwas ergibt sich immer.

Wenn Sie die Wahl hätten: Würden Sie den Job als Yachtbroker noch einmal annehmen?

Das Schöne daran, selbständig zu sein, ist, dass man immer die Wahl hat. Also ist die Frage gar nicht, ob ich eine Wahl hätte, sondern wie ich mich täglich entscheide. Und ich entscheide mich jeden Tag dafür, alles Mögliche zu tun - nur nicht mehr irgendwelchen Spinnern Yachten zu verkaufen.

Das klingt sehr richtig und fast ein bisschen philosophisch. Herr Westerbeck, herzlichen Dank für das Gespräch.

Frau Steeg, ich bedanke mich für ihr Interesse an meinem Leben. Haben sie heute noch irgendetwas vor? Ich würde sie gerne auf ein Glas Champagner einladen. Am liebsten im Liegen.

(seeg)
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