RP Plus Der Überproduzent

Kaum ein Künstler belegte in den vergangenen zehn Jahren häufiger Platz eins der Charts als der Rapper und "Black Eyed Peas"-Boss Will.i.am. Aktuell verhilft er Britney Spears zu einem Comeback. Porträt eines musikalischen Opportunisten.

 Seit Wochen belegt Will.i.am mit "Scream And Shout" Platz eins der deutschen Charts.

Seit Wochen belegt Will.i.am mit "Scream And Shout" Platz eins der deutschen Charts.

Foto: dpa

Kaum ein Künstler belegte in den vergangenen zehn Jahren häufiger Platz eins der Charts als der Rapper und "Black Eyed Peas"-Boss Will.i.am. Aktuell verhilft er Britney Spears zu einem Comeback. Porträt eines musikalischen Opportunisten.

Der Song ist fast schon aufreizend simpel. Er basiert auf einem melodiefreien Techno-Sample, dazu singt Britney Spears mit entfremdeter Stimme den immergleichen stumpfen Text. Schließlich setzt der Chef zum Refrain an: "I wanna scream and shout, and let it all out." Der Chef, das ist der Rapper und Produzent Will.i.am (37), und seine Single "Scream And Shout" ist derzeit in diversen Ländern auf Platz eins der Charts, auch in Deutschland.

Es ist diese Mischung aus Rap und Kirmestechno-Elementen, die seit rund einem Jahrzehnt das Massenpublikum fasziniert und die vor allem eine Band populär gemacht hat: die "Black Eyed Peas". Deren Mastermind wiederum ist Will.i.am, und der zählt inzwischen zu einem der erfolgreichsten und einflussreichsten Musikproduzenten überhaupt.

Rund 50 Millionen Alben hat er mit seiner Band verkauft, dazu war er an unzähligen Hits anderer Künstler beteiligt. Michael Jackson setzte ebenso auf ihn wie U2, und zuletzt saß er in der Jury der extrem erfolgreichen Castingshow "The Voice" in Großbritannien. Nach zweijähriger Pause arbeitet er nun zusammen mit seinen Bandkollegen Fergie, Taboo und Apl.de.ap an einem neuen "Black Eyed Peas"-Album.

Absage an den Gangsta-Rap

Es war ein langer Weg zur ultimativen Hit-Formel. Will.i.am stammt aus einem heruntergekommenen Viertel im Osten von Los Angeles. Um ihn herum waren Schnapsläden, billige Motels und Typen, die Drogen verkauften. Dank eines staatlichen Förderprogramms besuchte er eine Privatschule am anderen Ende der Stadt. Nach einigen Jahren konnte sich die Familie den Umzug in eine bessere Gegend leisten. Will.i.am, der bürgerlich William James Adams Jr. heißt, hatte das Elend vor sich, er wusste, wo er ohne Bildung und Geld landen würde.

Doch die klassische Bürokarriere kam für ihn nicht in Frage. Er platzte vor Neugier, war ein kreativer Kopf, der ständig Neues ausprobieren musste, der nicht still sitzen konnte. Mit seinem Kumpels Apl.de.Ap und Taboo gründete er 1995 die "Black Eyed Peas", das Trio unterschrieb bei Interscope Records. Deren Chef Jimmy Iovine, so erzählt es Will.i.am heute noch begeistert, sagte zu ihnen: "Egal, wie erfolgreich ihr seid, ich werde euch weiter Musik machen lassen."

Die "Black Eyed Peas" verweigerten sich dem damals angesagten Gangsta-Rap. Will.i.am war kein Gangsta, er war ein aufgeweckter Typ mit solider Schulbildung und offenem Blick auf die Welt. Der Sound der Band war leicht, die Samples melodisch und die Texte ausgefeilt, gewitzt und weit entfernt von dem albernen Gepose ihrer vorbestraften Kollegen mit den dicken Autos und Dollarbündeln. "Wir brauchen kein Geld zum Repräsentieren. Wir benutzen einfach unsere Unschuld und unser Talent", heißt in der Single "Fallin' up".

Der große Durchbruch blieb aus

Die "Black Eyed Peas" wurden schnell zum Geheimtipp für Hip-Hop-Fans, die Texte zum Mitdenken schätzen, doch der große Durchbruch gelang dem Trio nicht. Nach zwei mäßig erfolgreichen Alben ("Behind The Front" 1998, "Bridging The Gap" 2000), traf Will.i.am eine Entscheidung. Er schaltete von Underground auf Mainstream um, und zwar mit allen Konsequenzen. Der Sound wurde tanzbarer, die Texte simpler, und er holte eine Sängerin für die eingängigen Refrains ins Boot, Stacy "Fergie" Ferguson.

Eingefleischte Hip-Hop-Fans halten diesen Umschwung, der auf dem Album "Elephunk" (2003) erstmals zu hören war, bis heute für eine unverzeihliche Sünde, doch Will.i.am reichte es nicht, Held einer Minderheit zu sein. Er kam aus dem Ghetto, er wollte ausbrechen, Geld verdienen, seine Ideen umsetzen. "Es gibt nur eine Art von Musik, und das ist gute Musik, egal, aus welchem Genre sie kommt", sagt er fast trotzig. Ihn hätten die Möglichkeiten der elektronischen Musik fasziniert, er habe sich öffnen wollen. So wurde aus Hip Hop der bis heute erfolgreiche "Black Eyed Peas"-Sound.

Mit Hits wie "Where Is The Love?", "Shut Up", "My Humps" "I Gotta Feeling" oder "Boom Boom Pow" belegte die Band wochenlang die Spitzenplätze der Charts. Kritiker schmähten die Musik als unsäglichen Dorfdisko-Schund, doch es war der Sound des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts, dem auch Rihanna oder Lady Gaga ihren Aufstieg verdanken.

Schwergewicht mit sozialer Ader

Will.i.am, der einstige Querkopf mit den Rasta-Zöpfen, war nun einer der Überproduzenten mit Sonnebrille und Designerklamotten, ein Platzhirsch der Branche. Zwar trat er nie so protzig auf die Puff Daddy oder Jay-Z, aber er spielte in ihrer Liga. "Gute Musik", wie er es nennt, sind Songs wie das tumbe "Boom Boom Pow" oder das synapsensprengende "The Time (Dirty Bit)", sicher nicht. Aber sie sind erfolgreich, das Werk eines musikalischen Opportunisten, der es leid war, in der zweiten Liga zu spielen.

Seine Popularität und sein Geld nutzt er, um auch anderweitig Einfluss zu nehmen. Im Jahr 2008 vertonte er zusammen mit Stars wie Scarlett Johansson eine Rede des damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und stellte das Video ins Netz. Rund 28 Millionen Mal wurde es angeklickt, Obama kennt er seitdem persönlich. Er unterstützt sozial benachteiligte Jugendliche, indem er ihnen das College bezahlt. Er ist ein Mäzen, ein Macher, ein Schwergeicht mit sozialer Ader. Einer, dem man deswegen die Abkehr von geschmackvoller Musik nur schwer übelnehmen kann.

Dennoch ist es ein Jammer, dass das kreative Potenzial, das in Songs wie "Fallin' Up" oder "Joints and Jam" zu hören ist, im Gewaber der Technobeats verschwunden ist. Vielleicht besinnt er sich auf seinem nächsten Album wieder darauf. Für Opportunismus ist er inzwischen eindeutig zu reich.

(seeg)
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