RP Plus Die Gewinner der Energiewende

Düsseldorf (RPO). Nicht nur die Windkraft- und Solar-Branche profitiert vom Atomausstieg. Auch traditionsreiche Konzerne freuen sich auf grüne Geschäfte.

Manchmal kommt alles anders, als man denkt. Das gilt auch an der Börse. Am Tag nach der Bundestagswahl 2009, aus der Union und FDP als Gewinner hervorgegangen waren, legten die Aktien von Eon und RWE kräftig zu. Die Börsianer freuten sich auf die von Schwarz-Gelb angekündigten längeren Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke. Das versprach den Strom-Riesen Milliarden an Extra-Gewinnen.

Dann kam im März 2011 das Unglück in Fukushima und die Kehrtwende der Kanzlerin. RWE und Eon sind nun die großen Verlierer der deutschen Energiewende. Und ausgerechnet viele Öko-Unternehmen können sich auf Geschäfte freuen, von denen sie unter einer rot-grünen Bundesregierung niemals zu träumen gewagt hätten. Denn im Gegenzug zur Abschaltung der Atomkraftwerke will die Bundesregierung die erneuerbaren Energien kräftig ausbauen. Derzeit kommen 17 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2020 sollen es 35 Prozent sein.

Das Land braucht neue Windparks

Damit das gelingt, braucht das Land neue Windparks, neue Biomasse-Kraftwerke, manche meinen auch: neue Solaranlagen. Es braucht aber auch neue Leitungen und neue Kohle- und Gaskraftwerke, die die Grundlast sicherstellen, was der wechselhafte Ökostrom nicht kann. Ein Milliarden-Markt, auf dem Ökostromanbieter ebenso mitspielen wollen wie Konzerne der Old Economy.

Da der Anteil erneuerbarer Energien nach dem Willen der Bundesregierung vor allem über neue Windparks im Meer (Offshore-Parks) gesteigert werden soll, erwarten Windanlagen-Hersteller einen Schub. Prompt legte nach der Energiewende die Aktie des Wind-Spezialisten Nordex kräftig zu. Das Unternehmen, 1985 in Dänemark gegründet und seit 2001 an der Börse, stellt heute mit über 2500 Mitarbeitern Windkraftanlagen in allen Größen her. Unter anderem hat es Anlagen mit einem Rotor-Durchmesser von 150 Metern im Angebot, wie sie für die geplanten großen Offshore-Parks gebraucht werden.

Nordex machte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 972 Millionen Euro, der Gewinn lag bei mageren 40 Millionen. Doch auch Deutschlands reichste Frau, Susanne Klatten, glaubt an das Unternehmen, das in Rostock sitzt. Sie hält über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion knapp 24 Prozent der Nordex-Aktien.

Aktien stiegen um 40 Prozent

Ebenso wollen die Hersteller von Solaranlagen von der Energiewende profitieren, wenngleich Experten der Solarenergie im vergleichsweise sonnenarmen Deutschland nur ein begrenztes Potenzial zutrauen. Die Aktien von Conergy legte am Tag nach der Energiewende um über 40 Prozent zu. Nun darf man das nicht überbewerten, weil es bei Solar-Aktien oft ebenso schnell rauf, wie runter geht.

Gleichwohl zeigt der Kurssprung, welche Hoffnungen selbst in Deutschland auf der Sonne liegt. Die Conergy Group, die es seit zwölf Jahren gibt und die ihren Sitz in Hamburg hat, baut Photovoltaik-Anlagen für Solarparks, für Privat- und Geschäftshäuser. Das Unternehmen mit weltweit 1500 Mitarbeitern, davon 1000 in Deutschland, schreibt rote Zahlen. Zuletzt ist der Verlust (vor Steuern und Zinsen) immerhin kleiner geworden. Eine neue Belebung des Geschäftes würde auch die Commerzbank freuen, die 29 Prozent an der Conergy Group hält.

Aktien der Solarunternehmen legen zu

Auch die Aktien anderer Solarwerte legten zu. Das bekannteste Solarunternehmen in Deutschland ist die Solarworld AG, die seit 1999 an der Börse ist. Heute gehört vom Vorprodukt Solarsilizium über die Solarzelle für das heimische Dach bis hin zur großen Solarstromanlage alles rund um die Sonne zum Sortiment des Unternehmens mit 2300 Mitarbeitern weltweit. Unter anderem mit Evonik baute Solarworld eine Anlage zur Produktion von Siliziumpulver, das man für die Beschichtung von Solarzellen benötigt. Im vergangenen Jahr erlöste der Konzern 1,3 Milliarden Euro und erzielte einen Gewinn von 192 Millionen Euro.

Durchaus nicht immer haben die Schlagzeilen, die das Bonner Unternehmen macht, etwas mit wirtschaftlichem Erfolg zu tun. So wurde Solarworld-Gründer Frank Asbeck, der noch heute ein Viertel der Anteile besitzt, vielen dadurch bekannt, dass er im Jahr 2008 die deutschen Opel-Werke retten wollte. Die Opel-Mutter General Motors lehnte dankend ab. Heute wirbt Solarworld mit "Dallas"-Star Larry Hagman. der behauptet, von Öl auf Sonne umgestiegen zu sein. Das ist bemerkenswert, weil in der Solar-Branche wie in der legendären TV-Serie Aufstieg und Fall nah beieinander liegen können.

Deutschen Solaranlagen-Hersteller sind im Vergleich zu chinesischen um bis zu 30 Prozent teurer, sagen Analysten und warnen wie Robert Schramm von der Bank Macquarie vor zu viel Euphorie: Selbst wenn wegen der deutschen Energiewende die Solar-Nachfrage nun stark steigt, könne das die Preisrückgänge nicht ganz kompensieren.

Siemens soll zum "grünen Mischkonzern" werden

Auf das Thema grüne Wirtschaft sind inzwischen auch traditionsreiche Konzerne der Old Economy gekommen. Allen voran die Siemens AG, die ihr Chef Peter Löscher zu einem "grünen Mischkonzern" machen will. Siemens will unter anderem die Stromleitungen liefern, die nötig sind, um den Wind von der Küsten in die Industriezentren im Süden zu bringen.

Die Energieagentur Dena erwartet, dass Deutschland 3600 Kilometer neuer Hochspannungsleitungen braucht. Siemens liefert auch Turbinen für neue Gas-Kraftwerke, die Deutschland nun verstärkt als neue Grundlastkraftwerke bauen muss. Die Dena hält 15 bis 20 neue Gas- und Kohlekraftwerke für nötig.

Zudem will Siemens davon profitieren, dass Deutschland immer verbrauchsärmere Produkte wie sparsamere Züge braucht. Auch das Energiesparen gehört zu den Grundpfeilern der deutschen Energiewende. Andernfalls kann das Land sein Klimaziel gar nicht erreichen, dass durch die Abschaltung der CO2-armen Kernkraftwerke gefährdet ist.

Schon vor der Energiewende hatte Siemens angekündigt, seinen Jahresumsatz mit grüner Technik von 19 Milliarden Euro (im Jahr 2008) auf 25 Milliarden Euro in diesem Jahr zu steigern. Da passte die Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Atomkonzern Areva so gar nicht zum neuen Image. Folgerichtig ist Siemens hier inzwischen ausgestiegen.

Selbst der Schwerindustrie-Riese ThyssenKrupp will grüner werden. Er will nicht nur sparsamere Fahrstühle bauen, sondern beliefert auch schon jetzt im großen Stil Ökostrom-Erzeuger. So werden im Dortmunder Werk Rothe Erde Großwälzlager hergestellt, die für Windkraft- und Solaranlagen benötigt werden.

Und auch Evonik ist ein gutes Beispiel für den Wandel. Der traditionsreiche Essener Konzern betreibt seit 2009 ein grünes Gemeinschafts-Unternehmen mit Daimler: Im sächsischen Kamenz entwickelt und baut ihre gemeinsame Li-Tec Battery GmbH Lithium-Ionen-Batterien für Elektro-Autos. Die sollen ab 2012 schon mal in den Smart eingebaut werden und dabei helfen, das Klimaziel zu erreichen. Was für ein Wandel: Ausgerechnet die Evonik AG, die aus dem Kohlekonzern RAG hervorging, wird nun selbst zu einem Vorreiter für grüne Geschäfte.

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