Spiele-Branche trifft sich zur Gamescom Spielen ist Volkssport

Köln · 35 Prozent der Deutschen spielen regelmäßig an PC, Konsole oder auf dem Handy. Die Spiele-Branche, die sich zur Gamescom trifft, ist optimistisch. Der Bedarf an Zerstreuung wächst. Vorbei die Zeit, als nur bleichgesichtige Teenager sich hinter dem Computer verkrochen und ihre Klickreflexe trainierten.

Gamescom 2012: Sony stellt Neuigkeiten vor
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Zwischen 24 und 25 Millionen Deutsche spielen laut aktueller Umfragen regelmäßig Computer- und Videospiele. Das entspricht 35 Prozent der Bundesbürger über 14 Jahren.

Wahrscheinlich ist der Mensch seit jeher ein Spieler, weil er sich im Spiel als freies Wesen empfinden und sich ganz seinen Gefühlen hingeben kann. Er kann Wagnisse eingehen, in Rollen schlüpfen, Strategien austüfteln, ist vollkommen Herr über sein Handeln. Wo erlebt man so viel Selbstbestimmung heute noch?

Nur im Spiel ist das Tun befreit von wirklichen Konsequenzen, für eine intensiv erlebte Zeit aber doch vollkommen ernst. Im Spiel kann sich der Mensch vom Druck des Alltags befreien, dem Hier und Jetzt entkommen. Das macht es so reizvoll, in Spielwelten einzutauchen — ob man sich nun um ein Brett versammelt und bei "Monopoly" Elektrizitätswerke verhökert oder in die viel suggestiveren Kunstwelten von Computerspielen eintritt.

Typischer Spieler nicht mehr 15 und männlich

Die Lust am Computerspielen sickert in alle Altersschichten ein. Laut dem Branchenverband Bitkom ist unter den Deutschen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren jeder Vierte ein regelmäßiger Spieler. Von Jugend-Subkultur kann keine Rede mehr sein. Spielen ist auch keine Männerdomäne mehr: Zwar ist noch die Mehrheit der Spieler männlich, aber Frauen bringen es inzwischen auch auf einen Anteil von 44 Prozent.

Gespielt wird daheim am PC oder auf der Konsole, aber immer häufiger auch auf mobilen Geräten wie iPad oder Handy. Längst sind Spiele wie "Angry Birds" oder "Doodle Jump" die meistgekauften Kleinprogramme für das Mobiltelefon, weit vor praktischen Produkten wie der Navigation fürs Auto.

Der "Homo ludens 2.0" zockt unterwegs, stets verbunden mit Spielern in der ganzen Welt, und kauft virtuelles Zubehör wie neue Charaktere, Waffen, Bauplätze im Internet. Die Branche, die sich ab morgen zur Spielemesse Gamescom in Köln trifft, freut's: Im ersten Halbjahr 2012 wurden laut Branchenverband Biu bereits sechs Prozent mehr Spiele verkauft als im Vorjahr. 845 Millionen Euro hat die Spiele-Industrie seit Jahresbeginn insgesamt mit dem Verkauf von Games, Hardware und Online-Angeboten umgesetzt. Spielen ist längst Volkssport.

Außerdem sind nicht nur immer mehr Menschen Spieler, das Spielerische ist längst der Modus geworden, in dem wir Informationen wahrnehmen. Animierte Figuren lotsen uns durch Gebrauchsanweisungen, Immobilien besichtigen wir beim virtuellen Rundgang, für die Kleinsten gibt es animierte Bilderbücher und das Lernprogramm für die Grundschule.

Denken ist das noch nicht

Natürlich hat das Folgen. Wer liest, entwirft seine Welten selbst, hat Raum zu hinterfragen. PC-Spieler begeben sich in fertige Kulissen mit kalkulierten Charakteren, berechneten Abenteuern. Selbst intelligente PC-Strategie- oder Rollenspiele machen den Spieler zwar zum interaktiven Erkunder, doch hat er am Ende immer nur die Wahl zwischen gegebenen Optionen. Er fühlt sich aktiv, kreativ, reagiert aber doch nur, schult Reflexe, verarbeitet Informationen. Denken ist das noch nicht.

Computerspiele versetzen in Zustände, in denen der Moment zählt, das Erleben, die Emotion. Perfekte Zerstreuung. Anscheinend leben wir in Zeiten, da der Bedarf zum Abtauchen wächst.

(RP/csi/sap)
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