Im Test: das neue "Tomb Raider" Lara Croft ist wieder da — zum Glück!

Düsseldorf · Nach nur noch mäßigen Erfolgen war es viele Jahre ruhig geworden um die einstige Computerspiel-Ikone Lara Croft. Nun stellte Entwickler Crystal Dynamics einen neuen Teil vor, der Grundstein einer neuen Serie werden soll. Das Spiel ist ein gelungenes Reboot, das an einigen Stellen aber etwas Feinschliff benötigt hätte. Dafür erfährt man so viel über den Menschen Lara Croft wie noch nie.

"Tomb Raider" - alles auf Anfang bei Lara Croft
12 Bilder

"Tomb Raider" - alles auf Anfang bei Lara Croft

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Was tut man, wenn man nicht mehr weiter weiß, aber eine Figur hat, deren Namen längst zur Ikone geworden ist? Vor diese Frage gestellt fanden Entwickler Crystal Dynamics und Publisher Square Enix eine Antwort, die sich auch in Hollywood bewährt hat — ein Reboot.

Das heißt: Alles auf Anfang und noch einmal beginnen. Und Tomb Raider hat es tatsächlich geschafft, Lara Croft ein neues Spieleleben einzuhauchen, nachdem die Ikone mit der — immer noch — üppigen Oberweite schon ein Zimmer im Altersruhesitz für abgelegte Computerheroen gemietet hatte.

Das Spiel hält sich indes nicht lange mit einem Intro auf, um die Figur vorzustellen. Es beginnt gleich mit einem Sturm und dem Schiffbruch einer Lara Croft, wie man sie so noch nie kannte. Nicht cool oder stets überlegen, sondern eine getriebene, ehrgeizige, verletzliche junge Wissenschaftlerin, die kaum, dass sie den Strand erreicht, niedergeschlagen und verschleppt wird.

In den ersten Minuten lässt Crystal Dynamics den Spieler kaum verschnaufen, sondern fordert, peitscht und treibt ihn vorwärts — bis Lara aus ihrem Gefängnis entkommen kann. Erst dann kehrt ein Moment der Ruhe ein.

Bis dahin aber kann man schon erahnen, dass auf dieser Insel im Pazifik etwas mächtig aus dem Ruder gelaufen ist. Während Lara lernen muss zu überleben, lernt der Spieler die Archäologin besser kennen als in allen Spielen aus den vergangenen 17 Jahren zuvor. Die Aufnahmen einer Videokamera dienen dabei als Rückblenden zu den Ereignissen auf dem Forschungsschiff, die einem nach und nach Lara Croft näherbringen — wie auch die anderen Mitglieder der Besatzung, die ebenfalls überlebt haben und nach denen die Heldin sucht.

Sie verblassen aber und kommen kaum aus der Klischee-Ecke raus. Es bleibt ihnen kaum Raum angesichts des Platzes, den man Lara Croft gegeben hat, um aus ihr einen Menschen zu machen — und mehr als nur irgendeine Heldin im virtuellen Spieleuniversum.

Abwechslungsreiches Gameplay

Das heißt indes nicht, dass Tomb Raider eine tiefgründige, langatmige Charakterstudie ist. Es ist und bleibt ein Actionspiel, in dem man von den Trümmern eines explodierenden Flugzeuges verfolgt oder von einem reißenden Fluss mitgerissen wird. Zugegeben: Es ist nicht immer innovativ, aber überaus packend. Man leidet mit Lara mit.

Zumal Crystal Dynamics der Versuchung widerstanden hat, aus dem Spiel eine reine Action-Orgie zu machen, bei dem ein Bombast-Moment den anderen jagt. Lara muss jagen, klettern, Ausrüstung finden, den Überlebenden helfen — und erst im weiteren Verlauf des Spiels immer öfter kämpfen. Die Entwickler haben es geschafft, das alles nahtlos zu verknüpfen.

Wer nur der Hauptstory folgt, hat das Gefühl, Teil eins Films ohne große Längen zu sein. Lässt man sich aber ein bisschen mehr Zeit, findet Lara auf der Insel an fast jeder Ecke etwas, das einen näheren Blick wert ist. Seien es archäologische Fundstücke oder Briefe und Aufzeichnungen ehemals Gestrandeter und Besucher aus einer Zeit, als die Insel noch das Machtzentrum eines großen Reichs war.

Lara muss viele Dinge erst noch lernen

Niemals hat man den Eindruck, sich in einem nervigen Sammel-Suchspiel für ein paar Punkte mehr zu verlieren. Vielmehr gewinnt man mit jedem Fundstück neue Einblicke und weitere Puzzlestücke, die das düstere Geheimnis eines mysteriösen Kultes aufdecken — der auch nicht vor Menschenopfern zurückschreckt.

Gelungen sind auch die Gräber, in denen vor allem die Intelligenz des Spielers gefragt ist, um Rätsel zu lösen. Die sind niemals unfair, bisweilen aber durchaus fordernd — bis man einen Blick für Details und Zusammenhänge entwickelt hat. Weil diese Rätsel aber optional sind, stören sie niemals den Fluss der Hauptgeschichte.

Und in der wirkt die junge Lara Croft anders als die Ikone von einst nur selten so, als wäre sie die Herrin der Lage. Verletzungen sieht man ihr an, bisweilen drehen sich manche Aufgaben sogar darum, einen Erste-Hilfe-Kasten zu finden. Auch in den Kletterpassagen muss der Spieler mehr tun, als die virtuelle Figur nur zur richtigen Position zu leiten, und der Rest erledigt sich von selbst: Wenn Lara mit einem Arm an einem Vorsprung hängt, muss man ihr befehlen, sich hochzuziehen — oder die Kletteraxt einzusetzen. So hat man tatsächlich das Gefühl, es mit einem Menschen zu tun zu haben, der Vieles erst noch lernen muss.

Auf Dauer nervige Kampfeinlagen

Dazu passen die Rollenspiel-Elemente: Lara kann mit zunehmender Erfahrung Fähigkeitspunkte einsetzen, um ein besserer Jäger Überlebenskünstler oder besserer Kämpfer zu sein — oder aber mit ausreichend Ressourcen, die Waffen aufzurüsten. Das macht noch Spaß.

Dafür nerven auf Dauer die Kampfeinlagen mit den Kultisten. Zum einen handeln die nicht immer sehr überlegt, zum anderen hat es etwas Repetitives. Mit der Zeit ist das einzig Herausfordernde, dass Lara nicht so viele Treffer einstecken kann und darum möglichst in Deckung bleiben sollte. Leider sind manche der Gefechte auch noch in die Länge gezogen.

Es scheint, als ob Crystal Dynamics etwas der Mut verlassen hat, bei Tomb Raider konsequent einen neuen, eigenen Weg einzuschlagen. Das Spiel wirkt darum manchmal nicht ganz aus einem Guss: Anfangs gibt sich Tomb Raider sehr viel Mühe, aus Lara eine Jägerin zu machen. Später spielt das aber kaum noch eine Rolle.

Dazu passt auch, dass man durchaus schleichen und Gegner lautlos aus dem Weg räumen kann — nur leider wird man dann fast umgehend von anderen Wachen entdeckt, und es entwickelt sich ein Feuergefecht. Interessanter und stimmiger wäre es gewesen, sich tatsächlich versteckt von Deckung zu Deckung hastend durch feindliche Lager zu bewegen.

Das hätte auch einen erzählerischen Bruch gekittet: Irgendwann muss Lara ihren ersten Feind töten. Es ist ein gut inszenierter, bewegender Moment mit einer Heldin am Rande des Zusammenbruchs. Danach aber hat sie keine Probleme mehr damit, ihre Gegner reihenweise niederzumähen. Es fällt ihr, wie sie selbst einmal sagt, überraschend leicht.

Das wirkt nicht ganz überzeugend und hätte man mit einer intelligenter umgesetzten Schleichmechanik besser lösen können — allerdings auf Kosten der Action und der Gewaltdarstellung. Eben darauf wollte Crystal Dynamics aber offensichtlich nicht verzichten. Eine Jugendfreigabe hat Tomb Raider nicht.

Insgesamt gelungenes Reboot der Reihe

Schade, denn das Spiel macht nicht nur wegen Lara eine ziemlich gute Figur. Und neben der spannend und gut erzählten Geschichte, dem nahtlosen Spielfluss und den wechselnden Herausforderungen kann das Spiel auch grafisch punkten. Erfreulicherweise nicht nur am PC, sondern auch auf der Konsole.

An manchen Stellen bleibt man einfach nur stehen, um den Blick schweifen zu lassen. Die Soundkulisse ist dabei ebenso überzeugend wie die gesamte Atmosphäre. Zu der trägt in der deutschen Fassung Laras neue Stimme, Nora Tschirner, erheblich bei: Man hört einfach, dass sie sehr engagiert bei der Sache war und tatsächlich die Szenen vor Augen hatte.

Was bleibt, ist ein gelungenes Reboot der Tomb-Raider-Reihe, bei dem man sich an der einen oder anderen Stelle nur etwas mehr Feinschliff und Konsistenz gewünscht hätte. Die Basis für eine erfolgreiche Fortsetzung aber ist gelegt. Lara ist wieder da, und man spürt förmlich, dass sie gekommen ist, um zu bleiben.

Wertung

Grafik: 9,0 von 10

+ sehr atmosphärisches Setting
+ sieht auch auf Konsole immer noch gut aus
- an manchen Stellen etwas detailarm

Sound 9,0 von 10

+ gelungenes Sounddesign
+ guter Soundtrack von Jason Graves
+ Nora Tschirner als Stimme von Lara Croft

Gameplay 8,0 von 10

+ abwechslungsreich
+ gute Steuerung
+ Rollenspiel-Elemente
+ guter Spielfluss
- sich wiederholende und bisweilen in die Länge gezogene Kämpfe
- Schleichsystem nicht überzeugend integriert
- an einigen Stellen überaus brutal

Story 8,5 von 10

+ gut inszenierte, düstere Story
+ Lara Croft wirkt zum ersten Mal tatsächlich menschlich
- nicht immer stimmig erzählt

Gesamtwertung: 8,6 von 10

(csr)
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