Missbrauch von Marktmacht? Bundeskartellamt nimmt Facebook ins Visier

Bonn · Das Bundeskartellamt vermutet den Missbrauch von Marktmacht, weil Kunden der unbegrenzten Nutzung von Daten zustimmen müssen. Deshalb ermittelt die Behörde jetzt gegen Facebook.

Bundeskartellamt nimmt Facebook wegen Marktmacht ins Visier
Foto: Ferl

Andreas Mundt, der Leiter des kleinen Bundeskartellamtes in Bonn, will es mit einem mächtigen Gegner aufnehmen: Er möchte Facebook, das weltweit führende soziale Netzwerk mit aktuell 1,6 Milliarden Nutzern, zwingen, seine Geschäftsbedingungen und seine Geschäftspraxis an das deutsche Datenschutzrecht anzupassen.

"Verfahren ist eine tickende Bombe"

Dafür haben die Juristen der Behörde folgende Argumentation aufgebaut: Es ist erstens zu prüfen und davon auszugehen, dass Facebook als soziales Netzwerk mit 28 Millionen aktiven Nutzern in Deutschland marktbeherrschend sei. Das gilt als sicher, denn es gibt keinen ernsthaften Wettbewerber. Als zweiten Schritt will Mundt es als Missbrauch der Marktdominanz bewerten, dass Facebook die Daten der Kunden praktisch grenzenlos ausschlachtet, weiterverkauft und sich das Recht dazu in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" einräumen lässt.

"Dieses Verfahren ist eine tickende Bombe", sagt Frederik Wiemer, Partner für Kartell- und Datenschutzrecht bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, "die Behörde könnte Facebook oder vergleichbare Unternehmen am Ende mit hohen Millionenstrafen zu einer anderen Geschäftspolitik zwingen." Er hält es für denkbar, dass Facebook letztendlich Nutzern anbieten muss, dass sie der Verwendung ihrer Daten widersprechen dürfen, aber als Gegenleistung dann eine Monatsgebühr von einem oder mehreren Euro entrichten müssen: "Im Moment zahlen Nutzer faktisch mit ihren Daten die Nutzung des Netzwerkes. Wenn Facebook das Verwerten der Daten nicht mehr durchsetzen kann, muss es anderweitig Umsätze generieren."

"Es ist gut, wenn das Kartellamt das prüft"

Verbraucherschützer und Ökonomen begrüßen das Vorgehen des Kartellamtes. "Es kann nicht sein, dass die Marktbeherrschung genutzt wird, um praktisch unbegrenzt Daten über hiesige Verbraucher zu sammeln. Es ist gut, wenn das Kartellamt das prüft", sagt Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentralen.

Dies sieht der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Justus Haucap ähnlich: "Der Verdacht auf eine marktbeherrschende Stellung liegt bei Facebook nahe, da Nutzer nur schwer wechseln können, weil sie dann viele Kontakte nicht mehr pflegen könnten. Wenn das Kartellamt prüft, ob Facebook diese Marktmacht zum übertriebenen Sammeln und Verwerten von Daten missbraucht, ist das zu begrüßen. Ich bin gespannt, wie das ausgeht."

Kartellverstöße können richtig teuer werden

Die Attacke der Wettbewerbshüter ist ernst zu nehmen. So weisen sie darauf hin, dass das Verfahren mit der EU-Kommission, den Behörden anderer EU-Länder und auch mit den für Facebook Deutschland zuständigen Datenschützern abgestimmt sei. Während das Datenschutzgesetz bei Verstößen eine Höchststrafe von nur 300.000 Euro vorsieht, können Kartellverstöße richtig teuer werden: Bis zu ein Zehntel des Jahresumsatzes drohen Unternehmen als Strafe. Das wären bei Facebook theoretisch 1,8 Milliarden Dollar. Einige Unternehmen der Wurstindustrie mussten 2014 beispielsweise mehr als 300 Millionen Euro an Geldbuße zahlen, weil sie Preise abgesprochen hatten.

Wird es zu Strafen kommen? Facebook selbst erklärt, die Firma sei überzeugt, dass sie das Recht befolge. Man werde aktiv mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten, um dessen Fragen zu beantworten. Erst kürzlich hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Berlin eingeräumt, seine Firma habe möglicherweise nicht genügend Gespür für die Datenschutzsorgen der Deutschen: "Ich denke, dass das kulturell einfach sensibler behandelt werden muss."

(RP)
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