Angriff auf afghanische Netze Bundeswehr operierte 2015 erstmals offensiv im Cyber-Raum

Berlin · In der Regel agiert die Bundeswehr an Land, auf See oder in der Luft. Nun soll sie erstmals eine offensive Aktion im Cyber-Raum durchgeführt haben. Der Einsatz liegt ein Jahr zurück, doch die Bundesregierung hält sich immer noch bedeckt.

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

In Rheinbach stationierte Computerexperten der Bundeswehr haben nach "Spiegel"-Informationen erstmals eine offensive Cyber-Operation durchgeführt. Bereits im Herbst 2015 habe sich die Einheit Computernetzwerkoperationen (CNO) in die internen Netze eines afghanischen Mobilfunkbetreibers gehackt, um Informationen über den Entführungsfall einer deutschen Entwicklungshelferin in dem Land zu erlangen, berichtet das Nachrichtenmagazin. Es sei das erste Mal gewesen, dass die CNO-Einheit offensiv aktiv geworden sei.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums wollte den Fall "aus Gründen der operativen Sicherheit" nicht bestätigen. Er betonte am Freitag jedoch: "Wir haben die Öffentlichkeit informiert im Rahmen der Information der zuständigen Gremien des Bundestages." Ein offensiver Cyber-Einsatz muss vom Bundestag ebenso genehmigt werden wie Kampf- oder Stabilisierungseinsätze.

Die Entwicklungshelferin war im Oktober zwei Monate nach ihrer Entführung freigekommen. Unter welchen Umständen die Geiselnahme beendet wurde, blieb unklar. Die Vorstandssprecherin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Tanja Gönner, sagte damals, das glimpfliche Ende sei auch der Bundesregierung zu verdanken gewesen.

Die Linke lehnt offensive Einsätze der Cyber-Truppe strikt ab. Angriffskriege seien völkerrechtlich verboten, betonte Verteidigungsexperte Alexander Neu in Berlin. Außerdem könne eine unkontrollierbare Eigendynamik entstehen - andere Staaten würden sich auf derlei Einsätze berufen und ähnlich handeln. Den aktuellen Fall könne er noch nicht bewerten, sagte Neu. Es sei unklar, inwiefern diese Cyber-Aktion tatsächlich als Angriff zu werten sei. "Wir können das noch nicht wirklich einschätzen."

Die Einheit CNO mit Sitz in der Tomburg-Kaserne in Rheinbach bei Bonn gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren. Ihr gehören mehrere Dutzend IT-Fachleute an. Erklärtes Ziel von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist es, die Fähigkeiten der Bundeswehr zur Abwehr von Cyber-Angriffen zu verbessern. Im Vorjahr war ein vertrauliches Strategiepapier dazu bekannt geworden, in dem es nicht nur um den Schutz der eigenen Infrastruktur geht, sondern auch um Angriff.

Im April kündigte von der Leyen an, eine neue Einheit "Cyber und Informationsraum" mit 13 500 IT-Spezialisten aufstellen zu wollen. Die Informatiker-Truppe sollte noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen und 2021 voll einsatzfähig sein. Damit reagierte die Ministerin auf die zunehmenden Attacken auf die Netze des Bundes.

(felt/lnw)
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