Kaum Prävention Mehr Jugendliche mobben per Smartphone

Berlin · Kinder und Jugendliche werden immer häufiger im Netz gemobbt. Die Täter wollen Spaß, die Folgen für die Opfer aber sind verheerend, enden mitunter im Suizid. Und Prävention gibt es bisher kaum.

 Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter den Folgen von Mobbing.

Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter den Folgen von Mobbing.

Foto: Shutterstock/wavebreakmedia

Etwa eineinhalb Stunden am Tag verbringen die Deutschen im Internet, Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren sind täglich mehr als dreieinhalb Stunden online. Chatten, Fotos und Videos hochladen, Nachrichten lesen, spielen - alles passiert im Netz, meist friedlich. Nun warnen Experten jedoch, dass sich das Phänomen des Cybermobbings und der Onlinegewalt in Deutschland immer weiter auswachse und längst auch zum Problem zwischen Erwachsenen geworden sei.

"Zeitbombe des Internet"

Vor allem die verbreitete Nutzung von Smartphones habe dem gezielten Herabsetzen Dritter durch Beleidigungen, üble Nachrede oder dem Veröffentlichen intimer Fotos und Videos Vorschub geboten, heißt es in einer neuen Studie. "Cybermobbing droht zur Zeitbombe des Internets zu werden", sagt Studienautorin Catarina Katzer, Leiterin des Instituts für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln. Der Versicherungskonzern Arag hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben, um neue Risiken der digitalen Welt für den Rechtsschutz auszuloten, Katzer stellte ihre Ergebnisse gestern in Berlin vor.

Demnach wurde in Deutschland jeder vierte Jugendliche im Alter von 14 Jahren schon einmal Opfer von Cybermobbing. Langeweile und Spaß seien die häufigsten Motive für die Täter, schreibt Katzer. Die Opfer wüssten häufig gar nicht, wer hinter den oft lange andauernden Attacken stecke. Die Belastungen seien aber enorm und würden von psychosomatischen Beschwerden bis hin zum Suizid reichen.

EU-Initiative sieht Nachholbedarf

Das Problem: Obwohl eine Mehrheit von 60 Prozent der befragten Pädagogen Fälle von Cybermobbing unter ihren Schülern kennt, sind die Präventionsangebote an Schulen bisher sträflich vernachlässigt worden. Nach Katzers Erkenntnissen informieren nur etwa 16 Prozent der deutschen Schulen ausführlich über Cybermobbing. Es gebe keine flächendeckenden, institutionalisierten Maßnahmen zur Aufklärung und Prävention. Katzer kritisiert, dass an Haupt- und Gesamtschulen am wenigsten für Prävention getan werde. Der kompetente Umgang mit Medien wie sozialen Netzwerken und persönlichen Daten ist demnach noch viel zu selten Bestandteil des Unterrichts an Schulen.

Auch Birgit Kimmel, pädagogische Leiterin der EU-Initiative Klicksafe für mehr Sicherheit im Netz, sieht Nachholbedarf. "Cybermobbing hängt oft auch mit analogem Mobbing zusammen", sagt sie. Außerdem sei das nie nur eine Sache zwischen Täter und Opfer, sondern immer auch einer Gruppe. "Viele in der Gruppe stützen den oder die Täter, andere wollen dem Opfer helfen, wissen aber nicht wie." Kimmel plädiert deshalb dafür, dass es an jeder Schule ausgebildete Personen geben müsse, die im Mobbingfall handeln und helfen können. Bisher gibt es das kaum.

Anpassung des Strafgesetzbuches nicht genug

Warum das zum Problem werden kann, zeigt ein Blick in die Statistiken jugendlicher Mediennutzung. Zentrale Daten darüber liefert jährlich die sogenannte Jim-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest. Zuletzt ergab die Erhebung bei Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren, dass 92 Prozent von ihnen über ein eigenes Smartphone verfügen.

Was sie damit machen? 40 Prozent der Zeit am Handy nutzen Jugendliche für die Kommunikation mit anderen, ein Viertel verwenden sie für Unterhaltungsangebote, ein Fünftel für Spiele. Wichtigste Apps für Kontakte mit anderen: Whatsapp liegt in der täglichen Nutzung mit 85 Prozent uneinholbar vorne, auf Platz zwei folgt mit 38 Prozent Facebook. 57 Prozent nutzen aktuell regelmäßig eine Community, heißt es in der Studie.

Das bietet viel Raum für Mobbing. Forscherin Catarina Katzer untersuchte daher auch, was andere Länder besser machen. Großbritannien etwa biete an Schulen mehr Präventionsarbeit, führt mit den USA, Norwegen und den Niederlanden auch die Forschung an. Deutschland landet im Mittelfeld, weil es trotz vieler Forschungsprojekte an der Umsetzung von Maßnahmen hapere. Die Anpassung des Strafgesetzbuches zur Verbreitung von Nacktbildern etwa sei nicht genug, sagte Katzer.

(jd)
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