Leistungsschutzrecht Das Ende der Gratiskultur im Internet

Berlin · Ein Wunsch der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche geht in Erfüllung: Mit einem Leistungsschutzrecht für Pressetexte im Internet könnten bald die Suchmaschinen zur Kasse gebeten werden.

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Foto: AP und rpo

Für die Medienhäuser geht es um nichts weniger als eine Kampfansage an die Gratiskultur im Netz, Internet-Aktivisten sehen dagegen die Zukunft der Informationsfreiheit bedroht: Über das am Mittwoch vom Kabinett verabschiedete Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse im Internet tobt seit Jahren ein heftiger Streit.

Sollte der Bundestag die Reform so bestätigen, hätten Verlagshäuser einen rechtlichen Hebel, Geld von Suchmaschinen und gewerblichen Nachrichtenportalen zu verlangen, wenn sie die Berichte zugänglich machen. Das grundsätzliche Dilemma, wie Verlage mit dem Internet richtig Geld verdienen können, wird die Reform aber nicht lösen.

In ersten Entwürfen der Reform war noch jede gewerbliche Nutzung vom Gesetz erfasst, also etwa auch Verbände oder Firmen, die mit Pressestimmen auf eigene Produkten verweisen, sollten ursprünglich auch zur Kasse gebeten werden. Nun ist nur noch von Suchmaschinen und Nachrichtenauswertern die Rede, die Inhalte wie Suchmaschinen aufarbeiten. Nicht von ungefähr sehen Kritiker hier eine "Lex Google". Der Konzern sprach dann auch von einem "schwarzen Tag" für das Internet in Deutschland.

Zwar wissen die Verlage, dass sie mit Lizenzgebühren aus der Nutzung ihrer Artikel durch Google & Co die Erosion ihrer Einkünfte angesichts fallender Druckauflagen und die Abwanderung von Werbetats ins Netz nicht aufhalten können. Doch angesichts der Milliardenerlöse der Suchkonzerne hoffen die Verleger wenigstens einen kleinen Teil des Kuchens abzubekommen. Mit ihrer Leistung, sagen sie, verdienen andere viel, viel Geld.

Internet-Aktivisten wollen dieses Argument nicht gelten lassen. Es wäre ein Leichtes für Verlage, ihre Seiten so zu programmieren, dass etwa bei Google News die kurzen Text-Einführungsschnippsel ("Snippets") nicht auftauchen. Sie könnten auch ihre Bezahlangebote forcieren. "Wenn das Geschäftsmodell der Verlage im Netz so nicht mehr funktioniert, kann man nicht einfach eine Subvention von Privaten an Private anordnen - das ergibt keinen Sinn", schrieb der Blogger und Netzaktivist Markus Beckedahl.

Zwar schreiben Internet-Ableger von bekannten Titeln wie "Bild" oder "Spiegel" im Netz schwarze Zahlen. Während Blätter wie das "Wall Street Journal" oder die "New York Times" ihr Angebot ganz oder teilweise hinter Bezahlmauern verbergen, scheuen die meisten Blätter diesen Schritt. Sie brauchen den massiven Netzverkehr, um ihre Online-Anzeigen attraktiv zu halten. Bei den Plattformen für Smartphones oder Tabletts funktionieren die Bezahlmodelle besser.

Kritiker sehen im Gesetz einen Schritt, der nicht zum Netz passt.
Der Gesetzentwurf offenbare grundlegende Mängel in der Kenntnis der Funktion von Suchmaschinen und Empfehlungssystemen sowie im Verständnis, wie Wertschöpfung im Netz funktioniere, sagt Philipp Otto, Redaktionsleiter beim Fachdienst irights.info.

Wie beim internationalen Urheberrechtsabkommen Acta, das in der EU am Widerstand der Netzaktivisten scheiterte, wird auch beim Leistungsschutzrecht bemängelt, dass die Bestimmungen nicht eindeutig genug seien. Der jüngste Entwurf verbietet nicht nur Suchmaschinen "die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon", sondern auch "gewerblichen Anbietern von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten". Dazu meinten die Grünen-Politiker Tabea Rößner und Konstantin von Notz: ""Das schafft noch mehr Unklarheit" als in den ersten Entwürfen des Gesetzes.

Und: Viele Internet-Angebote haben einen Bereich, in dem Nachrichten zu ihrem Thema dargestellt werden. Dazu wird die weit verbreitete RSS-Technik verwendet. Die Grenzen zwischen der Einbindung aktueller Nachrichten und den sogenannten News-Aggregatoren, die Online-Artikel aus unterschiedlichen Quellen gebündelt anzeigen, sind fließend.

Wenn das Gesetz in dieser Form in Kraft trete, werde es so viele Konfliktfälle geben, dass sich die Anwälte jetzt schon auf viel Arbeit freuen könnten, meint Urheberrechtsexperte Otto. Er erwarte dass es im Gesetzgebungsverfahren noch etliche Änderungen geben werde.

Dabei ist das Leistungsschutzrecht nur ein vergleichsweiser kleiner Teil des Urheberrechts. Die Verbreitung kreativer Werke im Internet hat so viele Fragen aufgeworfen, dass sich alle darin einig sind, dass die Gesetze den neuen Bedingungen angepasst werden müssen.

Drängend sind Fragen wie die Kostenbegrenzung bei Abmahnungen oder der freie Zugang zu öffentlich geförderten Forschungsergebnissen. Otto kritisiert: "Dass jetzt ausgerechnet das Leistungsschutzrecht für Presseverlage kommen soll, ist ein Armutszeugnis für die Urheberrechtspolitik der Bundesregierung."

(dpa)
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