Recht auf Vergessen Das sind die Folgen des Google-Urteils

Luxemburg/Berlin · Verbraucherschützer, Datenschutzexperten oder auch Politiker und die Telekom begrüßen die höheren Rechte von Bürgern, alte Einträge bei Google tilgen zu lassen. Wir erklären, was das Google-Urteil für Bürger und Politik bedeutet.

Recht auf Vergessen: Das sind die Folgen des Google-Urteils
Foto: dpa, jsl bjw mda

Unzufrieden mit der am Dienstag verkündeten neuen Rechtssprechung zum Datenschutz gab sich Google als beim Europäischen Gerichtshof EuGH unterlegene Partei, Verbraucherschützer und andere Experten waren dagegen zufrieden. "Es stärkt die Rechte der Verbraucher, wenn veraltete Informationen bei Google getilgt werden müssen", sagte unserer Redaktion Michaela Zinke, Juristin vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Wir begrüßen, dass der EuGH die Rechte der Bürger gestärkt hat", ergänzt Thomas Kremer, Datenschutzvorstand der Telekom. Wir erklären, worum es bei dem Prozess vor dem EuGH-ging und welche Folgen das Urteil hat.

Was war Anlass des Urteils?

Geklagt hatte ein Spanier, dessen Grundstück vor mehr als 15 Jahren zwangsversteigert wurde. Die amtliche Bekanntmachung über die Pfändung wurde 1998 in einer spanischen Zeitung und im Internet veröffentlicht. Der Betroffene wandte sich dagegen, dass Google bei der Eingabe seines Namens einen Link zu diesen Informationen anzeigt und forderte, den alten Artikel zu löschen. Google weigerte sich - und muss den Eintrag nun doch löschen. Die Richter urteilten dabei nur über die Verweise, nicht aber über die Inhalte der Webseiten. Der Anspruch gelte auch dann, wenn diese rechtmäßig seien und die Informationen dort nicht gleichzeitig gelöscht würden.

Warum sehen die Richter ein Google-Suchergebnis als so kritisch an?

Obwohl die spanische Zeitung den damaligen Inhalt nicht löschen musste, sieht der EuGH es als eigenständige Verletzung des Persönlichkeitsrechtes, wenn frühere Vorgänge vorrangig durch ein Google-Profil präsent bleiben. Mit der Eingabe eines Namens bei einer Suchmaschine könne ein Nutzer "ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Personen erstellen". Dabei hätten die Grundrechte der Person "insbesondere auf Achtung des Privatleben" Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen von Google sowie dem Interesse der Internetnutzer auf Informationen.

Wann können Bürger die Löschung eines Eintrags bei Google durchsetzen, muss ich einen Anwalt einschalten?

Jeder Bürger kann sich nun an Google wenden und die Löschung bestimmter Suchverweise verlangen. Voraussetzung ist, dass der Verweis die Privatsphäre der Person verletzt — er muss keineswegs falsch sein. Wenn Google dem Begehren nicht nachkommt, sollten die Bürger zuerst den Hamburger Datenschutzbeauftragten einschalten — dann möglicherweise einen Anwalt.

Kann nun jedermann eine Löschung jeder Information verlangen, die ihm nicht gefällt?

Das Urteil räumt einfachen Privatpersonen beim Datenschutz tatsächlich sehr weitgehende Rechte ein. Anders ist es ähnlich wie beim Presserecht dagegen bei Personen des öffentlichen Lebens wie Politikern oder Schauspielern: Das Urteil legt ausdrücklich fest, dass es "besondere Gründe" geben kann, die "ein überwiegendes Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen über eine solche Suche rechtfertigen". Nach Ansicht des Kölner Anwalts Winfried Seibert könnte es nun viele Auseinandersetzungen um das Thema geben: "Auch Prominente wollen ihre Privatsphäre oder andere Informationen vor dem Interesse der Öffentlichkeit schützen. Die werden auch auf ein Recht auf Vergessen drängen."

Lässt sich das Urteil auch auf Unternehmen beziehen?

Direkt nicht, weil Fírmen keine Persönlichkeitsrechte haben. Weil nun feststeht, dass Google in Deutschland auch für die Suchmaschine weltweit geradesteht, können Unternehmen sich bei Geschäftsschädigung mehr wehren.

Hat das Urteil auch Bedeutung für Facebook?

Ja. Sowohl der für Google zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen sehen Facebook nun wie Google gezwungen,sich an deutsches und europäisches Recht zu halten. Die bisherige Taktik von Facebook Deutschland, zu behaupten, man hafte nicht für den Gesamtkonzern als Betreiber des Netzwerkes sei hinfällig, da Facebook eben laut EuGH-Definition ein einheitlicher Weltkonzern ist.

Wie geht es weiter?

Entscheidend für die Zukunft des Datenschutzes wird die neue EU-Datenschutzverordnung. Einige Staaten wie Deutschland bremsen eher, das Europäische Parlament oder auch die Deutsche Telekom wollen hohe Standards durchsetzen. Telekom-Vorstand Kremer: "Wir brauchen hohe und einheitliche Standards, die auch für ausländische Betreiber gelten."

(jd / kowa)
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