87 Millionen Nutzer von Datenskandal betroffen "Facebook nutzt seine Marktmacht missbräuchlich aus"

Berlin · Die Unzufriedenheit über den Umgang von Facebook mit dem aktuellen Datenskandal wächst in der deutschen Politik. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich zwar öffentlich entschuldigt – doch viele Politiker fordern härtere Konsequenzen bis hin zur Offenlegung der Algorithmen des Konzerns.

 Das "Like"-Symbol von Facebook.

Das "Like"-Symbol von Facebook.

Foto: ap

Die Unzufriedenheit über den Umgang von Facebook mit dem aktuellen Datenskandal wächst in der deutschen Politik. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich zwar öffentlich entschuldigt — doch viele Politiker fordern härtere Konsequenzen bis hin zur Offenlegung der Algorithmen des Konzerns.

Im Datenskandal erhöhen europäische Politiker den Druck auf das soziale Netzwerk Facebook. EU-Justizkommissarin Vera Jourová schrieb auf Twitter, das wachsende Ausmaß des Falls sei "sehr besorgniserregend". Facebook müsse mehr tun. Und die deutsche Justizministerin, Katarina Barley, denkt über schärfere Datenschutz-Regeln für soziale Netzwerke nach. "Wir werden überprüfen, ob die Möglichkeiten der neuen europäischen Datenschutzverordnung ausreichen", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag. Diese soll die Weitergabe von Informationen der Nutzer von sozialen Netzwerken begrenzen.

Facebook hatte eingeräumt, dass die Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern unrechtmäßig an Cambridge Analytica gelangt sein könnten. Die britsche Datenanalyse-Firma soll diese auf mutmaßlich unlautere Art eingesetzt haben, um den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump zu unterstützen. Bislang war man von rund 50 Millionen Betroffenen ausgegangen.

Mit etwa 70,6 Millionen stammen die meisten potenziell betroffenen Nutzer aus den USA — die Zahl entspricht knapp 40 Prozent der damaligen US-Facebook-Nutzer. In Deutschland sind laut Facebook bis zu 310.000 Nutzer betroffen.

"Wir haben nicht genug getan, um Missbrauch zu verhindern", sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Facebook wusste bereits seit 2015 vom Datenmissbrauch, gab sich aber mit der Zusicherung der Firma zufrieden, die Daten seien gelöscht worden. Auch betroffene Nutzer wurden damals nicht informiert.

Das Europäische Parlament habe Zuckerberg daher aufgefordert, in einer Sitzung des Ausschusses für Bürgerrechte, Justiz und Inneres zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, sagt der Europa-Parlamentsabgeordnete David McAllister (CDU). "Derzeit befindet sich eine Delegation von Europaabgeordneten im Silicon Valley und hat diese Aufforderung in der Zentrale von Facebook nochmals unterstrichen."

Katarina Barley fordert daher eine umfangreiche Überprüfung: "Die Aufklärung darf jetzt nicht beim Fall von Cambridge Analytica stehenbleiben." Es müsse geklärt werden, ob weitere App-Betreiber in großem Umfang Nutzer- und Kontaktdaten missbraucht hätten. "Unabhängige Experten müssen die Möglichkeit erhalten, im Unternehmen zu prüfen, ob die Verbesserungen auch tatsächlich durchgesetzt werden", sagte sie. Dazu zähle die Offenlegung der Funktionsweise der Facebook-Algorithmen gegenüber EU-Behörden.

Angesichts der globalen Macht von Facebook verlangt Grünen-Chef Robert Habeck eine umgehende Verschärfung der Fusionskontrolle. "Wir brauchen eine Fusionskontrolle, die die Möglichkeit hat, Unternehmen auch wieder zu entflechten. Im Klartext: Facebook Instagram und WhatsApp wieder wegzunehmen", sagte Habeck. Den für Digitalisierung zuständigen CSU-Ministern in der Bundesregierung warf er gleichzeitig Untätigkeit vor. "Beim Datenschutz muss die Bundesregierung den Weg frei machen, die Rechte der Nutzer zu stärken. Dorothee Bär und Horst Seehofer sind gänzlich abgetaucht. Das ist nicht hinnehmbar."

Auch beim Bundeskartellamt beobachtet man die aktuellen Entwicklungen genau — und will die Erkenntnisse in eine aktuelle Untersuchung mit einfließen lassen, in der es darum geht, ob Facebook seine Marktmacht missbraucht, indem es auf Drittseiten ohne Wissen der Nutzer eine Fülle von personalisierten Daten generiert.

"Die aktuelle Debatte berührt viele Themen und Rechtsgebiete, darunter natürlich auch Fragen des Wettbewerbs", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. "Nach dem jetzigen Stand gehen wir davon aus, dass Facebook seine Marktmacht gegenüber den Kunden, durch die Art und Weise wie Daten aus Drittquellen gesammelt und verwertet werden, missbräuchlich ausnutzt. Bleiben wir bei diesem Befund, wird Facebook seine Praxis anpassen müssen."

(mar)
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