Internet-Treff "Campus Party Europe" Die leiseste Party der Welt

BERLIN · Rund 10.000 Gamer, Entwickler und Internet-Fans aus aller Welt haben sich auf der "Campus Party Europe" in Berlin vier Tage lang über die neuesten Trends in der digitalen Welt ausgetauscht. Der eher unbedarfte Internetbenutzer lernte dabei zweierlei: Staunen und Schweigen

Campus Party 2012: Web-Konferenz in Berlin
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Campus Party 2012: Web-Konferenz in Berlin

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Wer dorthin geht, wo er noch nie zuvor war, informiert sich in der Regel zunächst über die Sprache des zu bereisenden Gebiets. Bei einem Technikfestival wie der "Campus Party Europe", die für vier Tage die Pioniere der Programmier- und Internetszene nach Berlin lockt, gestaltet sich dieser Integrationsversuch nicht minder schwierig.

Kommuniziert wird hier wegen des internationalen Publikums zwar in allerhand Sprachen — das jedoch nicht hörbar. Wer einen Computer dabei hat, und den hat ein Großteil der rund 10.000 Besucher im Gepäck, spricht via Chat miteinander. Mit dem Freund am Nebentisch ebenso wie mit dem spanischen Spielgegner am Ende der Halle.

Formatierte Ideen

Dass sich dem vergleichsweise einfach gestrickten Internetbenutzer der Kategorie "Computer an- und ausschalten funktioniert problemlos, viel mehr dann aber auch nicht" eine ganz neue Welt eröffnen wird, ist bei Eintritt des stillgelegten Berliner Flughafen Tempelhofs noch nicht vorhersehbar. Die Schlangen an den Anmeldeschaltern sind kurz, nur die Computer werden vom Festival-Personal kontrolliert.

"Jeder bekommt eine Registrierungsnummer", sagt ein Mitarbeiter. So verhindere man, dass die Teilnehmer ununterbrochen damit beschäftigt seien, auf ihre PCs aufzupassen. Schließlich sind auf den hier versammelten Laptops allerhand Codes und Programme gespeichert, die über Monate, manchmal Jahre hinweg entwickelt wurden. Formatierte Ideen, die die Internetwelt bereichern, wenn nicht gar revolutionieren sollen.

"If you have a brain, you are a startup"

Wer es mit registriertem Computer in die Halle geschafft hat, staunt nicht schlecht. Dafür, dass sich das Festival, das vier Freunde 1996 in einem kleinen Dorf in Südspanien gegründet haben, "Party" nennt, geht es hier sehr unschrill zu. Keine Musik, kein Alkohol, überhaupt: für die Masse an Menschen ist es auffallend leise. Nur von den acht Bühnen dröhnt und scheppert es hinüber.

Die Halle ist durch gestapelte Schiffscontainer vom Rollfeld abgetrennt. Auf den Containern stehen Mutmach-Sprüche wie "If you have a brain, you are a startup" ("Wenn du ein Gehirn hast, hast du alle Möglichkeiten").

1000 Euro und mehr sind zu gewinnen

Die Akustik hat bei der Umgebung nicht so viele Möglichkeiten. Sie ist schlecht, Vorträge an vielen Stellen selbst kurz vor der Bühne kaum zu verstehen. Stört hier aber kaum jemanden. Die Besucher, die an langen weißen Tischen konzentriert in ihre Computer tippen oder Fernbedienungen in einem für den Laien nicht erkennbaren Rhythmus bedienen, tragen größtenteils Kopfhörer.

Hör-Test bei einem der jungen Gamer. "Meistens läuft Musik. Bei den wichtigen Spielen schalte ich mich aber in den Gameroom", sagt Adrian Weimer. So viel Konzentration müsse man schon aufbringen, immerhin gibt es Siegerprämien über mehrere tausend Euro zu gewinnen. Der 20-Jährige ist mit Freunden aus Hessen angereist. Seit Mittwoch schläft er in einem der 3000 vom Veranstalter im Hangar aufgestellten Iglu-Zelte. Mittlerweile habe sich die Reisegruppe mehr als halbiert. "Nur Hermann und ich bleiben bis zum Ende."

Verständnislose Blicke

Nach vier Tagen sind die Freunde gut vernetzt, spielen gegen Gleichgesinnte aus Hamburg, Freiburg und Spanien. Von vormittags bis in die frühen Morgenstunden sitzen sie vor ihren Laptops. Das Spiel, in dem sie sich messen, heiße "League of Legends".

Ob das extra für dieses Festival entwickelt wurde, fragt der Laie. Verständnislose Blicke bei Adrian. "Äh, nein. Das ist ungefähr das bekannteste Computerspiel, das es zur Zeit gibt." Ja klar. Und wo wir gerade so schön im Erklärmodus sind: Wieso schauen sich die Freunde keine Vorträge an? "Am Anfang haben wir das gemacht, und uns die ganzen Erfindungen angesehen, die Roboter und so. Aber seit drei Tagen spielen wir nur noch."

Referat über die Seele des Internets

Eine Ausnahme machen die Jugendlichen auch nicht für den Erfinder des World Wide Web und Entwickler der HTML-Sprache, Sir Tim Berners-Lee, der gerade auf der Hauptbühne spricht. Der 57-jährige Internetpioniert aus Großbritannien referiert 90 Minuten über die "Seele des Internets" und fordert, dass es barrierefrei werden müsse.

Jeder Mensch solle zu jeder Zeit jede URL aufrufen dürfen, ohne dabei von Sprachbarrieren abgehalten zu werden. Zwischenapplaus der rund 1000 Zuhörer. Wie man diese Sprachbarrieren im Internet auf Dauer wohl aufheben könne, möchte man sich gerade bei der neuen Internetgeneration erkundigen. Doch Adrian hat schon wieder die Kopfhörer auf. Er muss sich auf das nächste Turnier vorbereiten.

(pst)
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