Starke Nachfrage nach der Domain-Endung .su Die Sowjetunion lebt - im Internet

Moskau (RPO). Seit 16 Jahren ist die Sowjetunion - auch UdSSR genannt - Geschichte. Manch einer erinnert sich kaum mehr an dieses Staatengebilde. Doch es gibt einen Ort, wo das Kommunistenreich nicht nur überlebt hat, sondern geradezu aufblüht: im Internet. Die immer noch existierende Domainendung .su boomt.

 Immer mehr Domains mit der Endung .su werden registriert.

Immer mehr Domains mit der Endung .su werden registriert.

Foto: AP

Die Zahl der Websites mit der Endung .su ist allein in diesem Jahr um 45 Prozent gewachsen. Unternehmer, Blogger und eingeschworene Kommunisten sorgen dafür, dass der letzte sowjetische Außenposten in der virtuellen Welt nicht verschwindet.

Ein Grund für diesen Boom ist sicher die russische Nostalgie für das sowjetische Imperium, bei einigen Nutzern sind die Motive weniger klar. Die dem Kreml nahe stehende Jugendorganisation Naschi nutzt für ihre Lobeshymnen auf Präsident Wladimir Putin die Website nashi.su. Eine politische Aussage sei die Nutzung der .su-Domain aber nicht, heißt es.

Zu verschenken

Andere haben sich bekannte Markennamen mit der Domain .su registrieren lassen. Eine Moskauer Autowerkstatt, die sich auf Ford-Modelle spezialisiert hat, nutzt beispielsweise Ford.su. Der Besitzer von Apple.su hingegen ist bereit, diese Webadresse gegen einen neuen Laptop zu tauschen - ob es nun ein Macintosh ist oder nicht.

Wladimir Chramow, ein Netzwerk-Administrator aus Moskau, kaufte sich im vergangenen Jahr Microsoft.su, weil er eine leicht zu merkende Endung für seine E-Mail-Adresse haben wollte. Während Chramow betonte, er habe die Adresse nicht gekauft, um damit ein Geschäft zu machen, suchen andere ganz offen den schnellen Rubel. Jan Balajan sicherte sich gleich eine ganze Reihe von interessanten Webadressen, darunter Ussr.su, Stalin.su und Kgb.su. Für jede verlangt er 30.000 Dollar (rund 19.000 Euro), er ist aber auch zu Verhandlungen bereit.

"Sie verkaufen Tickets für ein untergehendes Schiff"

Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie dem baltischen Staat Estland ist die Internet-Nutzung in den Ländern der früheren Sowjetunion noch relativ gering. Nach russischen Angaben nutzen insgesamt 27 Prozent der erwachsenen Russen das Internet, täglich sind es aber nur rund zwölf Prozent. Trotzdem hängen einige Unternehmer an ihrer .su-Domain, während dies von anderen genau so entschieden abgelehnt wird.

Die Endung für ein nicht mehr existierendes Land könne nicht den gleichen Status haben wie die von .ru für Russland, .uk für Großbritannien (United Kingdom) oder .fr für Frankreich, heißt es. "Sie verkaufen Tickets für ein untergehendes Schiff", sagt der Web-Journalist Anton Nosik. "Das ist etwas für Loser und Zuspätkommer."

Versuche zur Abschaffung gescheitert

Tatsächlich ist es so, dass normalerweise die länderspezifischen Internetadressen verschwinden, wenn das dazugehörige Land nicht mehr existiert oder seinen Namen ändert. Das war so bei Jugoslawien und der Tschechoslowakei und auch bei Zaire, als es zur Demokratischen Republik Kongo wurde. Auch die der DDR zugedachte, aber nie genutzte Endung .dd verschwand wieder.

Die Internetaufsicht ICANN und ihre Vorgänger haben seit Anfang der 90er Jahre schon diverse Anläufe unternommen, auch die Endung .su abzuschaffen - vergeblich. Ende 2006 bat die ICANN sogar die Community um Vorschläge, wie veraltete Endungen auslaufen sollten. Der Widerstand aber bleibt hart und derzeit scheint die Situation festgefahren. Die Domain .su arbeitet weiter normal, auch wenn sie offiziell als "auslaufend" (being phased out) geführt wird.

Politische Verschwörung des Weißen Hauses

Die .su-Domain wurde im September 1990 eingerichtet, etwas mehr als ein Jahr vor der Auflösung der Sowjetunion. Russland bekam die Endung .ru 1994, auch die anderen früheren Sowjetstaaten erhielten ihre eigenen Endungen. Die Besitzer von .su weigerten sich aber hartnäckig, die Umstellung mitzumachen - aus wirtschaftlichen, politischen und patriotischen Gründen. Einige warfen dem Weißen Haus vor, eine politische Verschwörung organisiert zu haben, um auch noch den letzten Rest des Rivalen des Kalten Krieges zu eliminieren.

Als Kompromiss wurde die Domain .su zunächst weiter geduldet, es durften aber keine neuen Adressen dazu vergeben werden. Ein Schlupfloch im Vertrag erlaubte es bestehenden Websites aber, Unteradressen anzulegen, weshalb die Zahl der .su-Website auch in den 90er-Jahren noch weiter wuchs. 2001 wurden die Beschränkungen aufgehoben, die Gebühr für die Registrierung aber bewusst so hoch angesetzt, um die Zahl neuer Nutzer gering zu halten.

Nach einer Preissenkung stieg die Zahl der registrierten .su-Websites weiter auf heute 45.000. Dabei kamen allein seit Januar rund 14.000 Websites hinzu, was einem Anstieg um 45 Prozent entspricht. Und die Besitzer sehen weitere Wachstumschancen. Ab Ende April sollen auch Anträge für Websites in Russisch angenommen werden, bislang waren nur englische Buchstaben und Zahlen möglich.

(ap)
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