Kolumne "Total Digital" Druck it yourself

Komm, wir drucken uns eine Prothese! Dieser Satz ist im 21. Jahrhundert Wirklichkeit. Ein Ende der technischen Revolution ist nicht in Sicht: Die ersten Architekten entwerfen bereits Bauten aus druckbaren Bausätzen.

3D-Drucker erobern den Massenmarkt
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3D-Drucker erobern den Massenmarkt

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Meine Lieblingsspielzeuge in der Kindheit waren Lego und Fischertechnik. In einer Ära mit drei Fernsehprogrammen und ohne Videorekorder oder Smartphones habe ich völlig ablenkungsfrei stundenlang an tollkühnen Konstruktionen herumgebaut. Manchmal ging es einfach nicht weiter, weil mir Spezialbausteine fehlten.

Daran musste ich denken, als ich von einem amerikanischen Ingenieur und Informatiker namens Golan Levin las. Der fand für ein Konstruktionsproblem seines vierjährigen Sohnes eine geniale Lösung. Die Lego-, K'Nex- und Tinkertoys-Bausteine des Kleinen ließen sich nicht miteinander verbinden, weshalb er das Auto, das er sich ausgedacht hatte, nicht bauen konnte.

"Total Digital" - Ulrike Langer berichtet von der US-Westküste
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"Total Digital" - Ulrike Langer berichtet von der US-Westküste

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Levin senior druckte die fehlenden Verbindungssteine auf seinem 3D-Drucker einfach selbst und stellte die Blaupausen unter einer freien Lizenz in die offene Datenbank Thingiverse. So kann jeder, der Zugang zu einem 3D-Drucker hat, die Spezialteile aus Kunststoff ebenfalls produzieren.

Spezialwünsche in zu geringen Auflagen für eine industrielle Fertigung sind der ideale Anwendungsfall für "Maker" (die digitalen Tüftler der Neuzeit) und ihr Werkzeug, den 3D-Drucker. Dabei werden Produkte nach digitalen Vorlagen mit einer Düse in Schichten gespritzt und somit dreidimensional in Kunststoff, Stahl oder Keramik "gedruckt".

Verglichen mit der normalen Laserdruck-Technologie für Papier sind selbst die einfachsten 3D-Drucker mit Kosten von weit über 1000 Euro noch viel zu teuer für normale Haushalte. Und die Größe der druckbaren Objekte ist noch auf einen Schuhkarton beschränkt. Doch die ersten Architekten und Ingenieure entwerfen bereits Bauten aus druckbaren Bausätzen.

MakerBot Replicator 2
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MakerBot Replicator 2

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Geradezu genial: Das US-Unternehmen Pirate 3D experimentiert mit 3D-Fotos für Blinde. Dazu werden normale Fotos eingescannt und dreidimensional wieder ausgedruckt, damit die Gesichter, Bauwerke oder Bergpanoramen darauf ertastet werden können.

Der britische Futurologe Christopher Barnatt glaubt, dass im Jahr 2020 mit medizinischen Anwendungen wie Prothesen aus dem 3D-Drucker schon eine Milliarde Dollar umgesetzt wird und bis dahin eine Million Geräte in Privathaushalten stehen. Wer das für abwegig hält, sollte daran denken, wie Bill Gates in den 70er Jahren belächelt wurde. Der Microsoft-Gründer war damals so kühn zu behaupten, dass die Menschen künftig eigene PCs daheim stehen hätten.

Einen 3D-Drucker hätte ich jedenfalls als Kind schon gerne gehabt. Der war noch nicht erfunden. Dafür hatte ich einen Vater, der mir fehlende Bausteine manchmal aus Holz oder Plexiglas sägte.

So sieht das erste In-vitro-Fleisch-Kochbuch aus
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Die Autorin ist freie Korrespondentin an der US-Westküste und Digital-Expertin. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de - Sie ist auch auf Twitter unter @UlrikeLanger und in ihrem persönlichen Blog erreichbar.

(RP)
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