Google & EuGH-Urteil zur Privatsphäre im Netz "Suchmaschine wird zur Zufallsmaschine"

Google muss vergessen können. Mit diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) für eine Überraschung gesorgt. Europäer können eine Löschung einklagen, wenn die Ergebnisse der Suchmaschine das Recht auf Privatsphäre verletzen. Von Juristen kommt nicht nur Beifall: Für die Meinungsfreiheit sei dies ein riskantes Urteil. Auch der Bundesjustizminister fordert einen einheitlichen Datenschutz in Europa.

Europäischer Gerichtshof & Google: Informationstanker wird löchrig
Foto: ap

Bundesjustizminister Heiko Maas dringt als Reaktion auf das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf einen europaweit einheitlichen Datenschutz. "Wir brauchen dringend eine europaweite Harmonisierung und Modernisierung des Datenschutzrechts", sagte Maas am Dienstag in Berlin. In der geplanten EU-Datenschutzverordnung, über die gerade verhandelt wird, müsse das vom EuGH betonte "Marktortprinzip" ausdrücklich verankert werden. "Wer innerhalb der EU Waren und Dienstleistungen anbietet, muss immer auch EU-Datenschutzrecht beachten — völlig unabhängig davon, ob er innerhalb der EU eine Niederlassung betreibt oder nicht", unterstrich der SPD-Politiker.

Maas würdigte, die Entscheidung stärke die Datenschutzrechte von Verbrauchern im Internet. Der EuGH habe dem Grundrecht auf Datenschutz erneut einen hohen Stellenwert eingeräumt.

"Informationstank wird löcherig"

Der Düsseldorfer Strafrechtsverteidiger Udo Vetter stuft das Urteil ebenfalls als erfreulich ein, da die Privatsphäre der Menschen besser geschützt wird. Er sieht aber auch Risiken. So könne das Netz Opfer privater oder staatlicher Zensur werden.

Mit dem Urteil sei nicht absehbar, inwieweit persönliche Daten aus der Suchmaschine gelöscht werden können. "Für die Meinungsfreiheit ist das ein riskantes Urteil", so Vetter. Er erwartet, dass Menschen nicht nur Details löschen lassen wollen, die ihrer direkte Privatsphäre betreffen, sondern die generell negativ über sie berichten. Internet-Nutzer müssen sich darauf einstellen, dass Suchmaschinen nicht mehr das verfügbare Wissen auffindbar machen.

Schon jetzt werden die Suchergebnisse nach wirtschaftlichen Interessen redigiert. Vetter erwartet ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Lebensläufe und anderes Informationen stehen nur noch zensiert zur Verfügung. Negativen Informationen, die zum objektiven Bild dazu gehören, verschwinden im schlimmsten Falle. "Der Informationstank wird löcherig", so der Jurist. "Die Suchmaschine wird zur Zufallsmaschine." Im Gespräch mit unserer Redaktion sieht er in diesem Urteil Sprengkraft für die Meinungs- und Informationsfreiheit.

Google kritisiert das Urteil

Der für Google zuständige Landesdatenschutzbeauftragte von Hamburg, Johannes Caspar, rät den Bürgern, nach dem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Google frühere Einträge löschen zu lassen. Caspar sagte unserer Redaktion: "Wir können die Bürger nur auffordern, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung eigenständig zu verfolgen. Es kann damit gerechnet werden, dass sich viele Betroffene an Google wenden werden, um für sie belastende Einträge aus früheren Zeiten tilgen zu lassen. Wir gehen davon aus, dass Google dies auch konstruktiv im Sinne des Urteils umsetzt."

Der Suchmaschinenbetreiber Google hat das Urteil kritisiert. "Diese Entscheidung ist nicht nur für Suchmaschinen enttäuschend, sondern auch für alle, die Inhalte online publizieren", sagte ein Google-Sprecher am Dienstag in Hamburg. Der Konzern sei sehr überrascht, dass das Urteil so stark von der vorherigen Einschätzung des Generalanwalts abweiche und dessen Warnungen unberücksichtigt lasse. "Wir benötigen nun Zeit, um die Auswirkungen zu analysieren", erklärte der Sprecher weiter.

Gibt es weitere Hintergründe zu dem Urteil? Lesen Sie "Google muss vergessen können".

(dafi)
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