Hass im Netz Facebook versucht sich in mehr Mitgefühl

Berlin · Mark Zuckerberg kündigt für Facebook eine Funktion an, die Mitgefühl ausdrücken soll. Eine Reaktion auf das Problem der ausländerfeindlichen Hasskommentare soll dies aber nicht sein.

Meilensteine in der Facebook-Geschichte
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Foto: dpa, Jessica Binsch

Wer sich durch die Kommentarspalten der sozialen Medien klickt, dem schlägt teils blanker Hass entgegen. In Fäkalsprache werden Flüchtlinge und ihre Helfer beschimpft, Politiker und Prominente sind Zielscheibe verbaler Hasstiraden. Bürger, die sich offen mit Namen zu erkennen geben, drohen ihnen Gewalt an oder wünschen ihnen Krankheit und Tod. Nur weil sie anderer Meinung sind. Die Verrohung der Sitten im Netz ist allerdings gar kein neues Phänomen. Man muss kein Experte sein, um die seit Jahren andauernde Hemmungslosigkeit im Internet zu erkennen.

Seit der Flüchtlingskrise hat es nur besonders häufig Prominente getroffen, die die Attacken dann öffentlich gemacht haben. Jüngstes Beispiel ist Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Nachdem sich auf ihrer Facebook-Seite beleidigende Kommentare häuften, entschied sie sich, Auszüge daraus vorzulesen und in einem Youtube-Video zu veröffentlichen, um den Hass im Netz anzuprangern. Sogleich ging ein neuer Shitstorm über ihre Facebook-Seite hinweg. Unterstützung für ihre Aktion gab es allerdings auch.

Sprachlich gibt es für viele offenbar keine Tabus und keine Grenzen mehr, korrekte Rechtschreibung findet nur gelegentlich Beachtung in den Zuschriften. Das Niveau befindet sich dabei ohnehin im freien Fall.

Für einen öffentlichen Aufschrei im Netz hat vor Kurzem vor allem ein Facebook-Eintrag von "Berlin wehrt sich" gesorgt, der das Foto des toten syrischen Flüchtlingsjungen am Strand so kommentierte: "Wir trauern nicht, sondern wir feiern es." In diesem Fall wurde Strafanzeige gegen den Mann gestellt. Doch die meisten solcher Beiträge bleiben ohne Konsequenzen.

Nach dem Besuch von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) im Flüchtlingslager in Heidenau, wo er rechte Randalierer gegen das Flüchtlingsheim als "Pack" bezeichnet hatte, prasselten Droh- und Protestmails auf die Berliner SPD-Zentrale nieder. Selbst von Schauspieler Til Schweiger zeigten sich viele seiner Fans bitter enttäuscht, als er auf seiner Facebook-Seite um Unterstützung für den Bau eines Flüchtlingsheims warb. Auch er wurde mit menschenverachtenden Bezeichnungen beschimpft.

Viele Nutzer des sozialen Netzwerks fordern daher seit Längerem einen "Gefällt mir nicht"-Button von Facebook, mit dem sie Hasskommentare und dergleichen belegen könnten. Das soziale Netzwerk hat nun angekündigt, eine solche Funktion einzuführen. Als Gründer Mark Zuckerberg dies in einer öffentlichen Fragerunde am Dienstagabend bekanntgab, stieß die Nachricht auf ein enormes Echo. Der genaue Blick zeigt jedoch: Hinter seiner Ankündigung steckt vieles, nur kein erwarteter "Gefällt mir nicht"-Button.

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Foto: Screenshot ARD

Ebensowenig hat dies etwas mit der aktuellen Debatte um Hasskommentare gegen Ausländer und Flüchtlinge zu tun. "Der 'Gefällt mir nicht'-Button hat definitiv nichts mit der Debatte um Hasskommentare in Deutschland zu tun", so Tina Kulow, Sprecherin für Facebook in Deutschland, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Es wäre dann sogar zu befürchten, dass dieser Button dem Mobbing neue Wege ebnet."

Doch warum kündigt der Konzern diese neue Funktion ausgerechnet jetzt an? Seit der Einführung im Jahr 2009 hat es immer wieder die Forderung gegeben. Mark Zuckerberg hat bisher immer abgelehnt. Jetzt ein teilweiser Sinneswandel: "Die Menschen haben seit vielen Jahren nach einem ,Gefällt mir nicht'-Button gefragt, wir haben sie schließlich gehört." Bisher galt die Devise, dass Facebook ein Ort für positive Kommunikation sein wollte.

Doch Anspruch und Realität entfernen sich immer stärker voneinander. Die Einsicht: "Nicht jeder Moment ist ein guter Moment", sagte Mark Zuckerberg. Auch einen Beitrag zu "liken", der beispielsweise vom Tod eines Familienmitglieds handelt, fühle sich nicht gut an. Deswegen arbeitet Facebook an einem Konzept, andere Emotionen zum Ausruck zu bringen.

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Foto: dpa, hsc lre

Wenn Konzerne wie Facebook etwas ankündigen, dann ist die Wahl des Zeitpunkts kein Zufall. Auch sind im Hintergrund die Vorbereitungen in der Regel schon weit fortgeschritten. Wie die Funktion konkret aussehen wird, ist noch nicht klar. Verschiedene Kreise rund um Facebook gehen aber davon aus, dass bei der Lösung nicht der Ersteller eines Beitrags die Alternativen zum "Gefällt mir"-Button festlegen kann, sondern der kommentierende Nutzer, der sein Mitgefühl ausdrücken möchte. Im Grunde handelt es sich um eine Mitgefühl-Funktion.

Am Ende geht es bei diesem scheinbaren Sinneswandel auch um Geld

Die Entscheidung für mehr Empathie dürfte Facebook nicht wegen der Proteste aus Deutschland getroffen haben, sondern wegen der aus vielen Daten gewonnenen Erkenntnis, wann sich Menschen lieber auf Facebook über bestimmte Themen austauschen. Mehr Zeit auf Facebook heißt mehr Aufmerksamkeit für die Werbung. Am Ende geht es bei diesem scheinbaren Sinneswandel auch um Geld.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat sich dies vermutlich anders vorgestellt. Mit ihm verständigte sich das Online-Netzwerk Anfang der Woche auf die Bildung einer gemeinsamen Taskforce gegen Hassbotschaften. So sollen das Beschwerdemanagement verbessert und strafbare Äußerungen schneller gefunden werden können. Sich selbst sieht Facebook allerdings gut aufgestellt: Hunderte deutsche Mitarbeiter würden kontrollieren, ob es sich bei gemeldeten Hasskommentaren um löschbares Material handelt.

Doch die Bemühungen decken sich nicht mit den Erfahrungen, die viele Nutzer jeden Tag machen. Während Fotos von Brüsten in aller Kürze gelöscht werden, weil diese gegen die Regeln verstoßen, scheinen Facebooks Entscheidungen zum Thema Rassismus willkürlich.

(RP)
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