Anteilseigner zieht sich zurück Kann sich Snapchat selbst vorm Verschwinden retten?

San Francisco · Die Smartphone-App Snapchat feiert Erfolge mit ihrem Konzept, dass versendete Inhalte nach kurzer Zeit von selbst verschwinden. Doch auch der Erfolg könnte demnächst verschwunden sein. Indiz dafür ist der Rückzug des Anteilseigners Fidelity Fund, der ein Viertel seiner Beteiligungen abstieß.

 Viele Fans, viele Sorgen: Snapchat.

Viele Fans, viele Sorgen: Snapchat.

Foto: dpa, jbu;cse soe tba

Aus den Unterlagen des Investitionsfonds war zwar nicht ersichtlich, ob Fidelity einen Wertverlust des Unternehmens befürchtet oder einfach nur Kasse machen wollte. Da das in Los Angeles ansässige Snapchat aber zuletzt mit stattlichen 15 Milliarden Dollar bewertet wurde, wirft der Rückzug des Fonds doch zumindest Fragen auf. "Die Investoren sind verunsichert", sagt der Analyst Trip Chowdhry des Marktforschungsunternehmens Global Equities Research. "Diese Social-Media-Firmen kommen und gehen sehr schnell. Sie haben eine kurze Lebensspanne."

Investoren in der schnelllebigen Start-Up-Szene verfielen oft dem Charme neuer und innovativ wirkender Unternehmen, sobald diese einigermaßen an Fahrt gewonnen hätten, sagt Chowdhry. "Doch dann suchen sie jemanden, der noch bekloppter ist als sie selbst", um ihre Anteile zu einem höheren Preis wieder loszuwerden. Denn für Snapchats Erfolg liefert nicht mal das Unternehmen selbst eine Erklärung - zu der Mitteilung, wonach sich die Nutzung von Videos in dem Dienst seit Jahresanfang auf sechs Milliarden verdreifacht habe, wollte es keine Begründung liefern.

"Das ist für die eine riesige Zahl", sagt Analyst Rob Enderle zu Snapchats Videovolumen. Allerdings sei zweifelhaft, um welche Art von Filmchen es sich dabei handle - und ob sich damit auch tatsächlich Geld verdienen lasse. Einerseits könnten viele Videos der vor allem bei Jugendlichen in den USA beliebten App illegal in dem Dienst landen, andererseits werbe das Unternehmen ja selbst damit, dass kein Inhalt bei ihm von großer Dauer sei - für Werbekunden ein denkbar schlechtes Argument.

Auch gibt die Kernidee von Snapchat weiteren Anlass zum Zweifeln: Die sich angeblich selbst löschenden Inhalte sollen den Eindruck vermitteln, Nutzer hätten Kontrolle über die von ihnen im Internet hinterlassenen Spuren. In seinen Geschäftsbedingungen räumt Snapchat jedoch ein, es könne für den Verbleib - also das Verschwinden - der gesendeten Videos, Fotos oder Textbotschaften nicht garantieren. Zudem weist das Unternehmen darauf hin, es behalte sich die Weiterverwendung aller gesendeten Inhalte für eigene Zwecke vor. Und: Gegen einen Aufpreis können Nutzer sich ihre vermeintlich verschwundenen Daten wiederholen.

Auch ist die Geschäftsidee, Daten nur kurz zu speichern, schwer vor Nachahmung zu schützen. So gab Facebook kürzlich bekannt, in seiner Messenger-App ein ähnliches Verfahren vergänglicher Mitteilungen auszuprobieren. Letztlich sei entscheidend, dass die Snapchat-App äußerst viele Anhänger habe und offenbar über "eine geheime Zutat" verfüge, die das Interesse an ihr steigere, meint die Analystin Erna Alfred Liousas von Forrester. "Jetzt sind sie allerdings auch für die Leute verantwortlich, die in sie investiert haben", fügt sie hinzu.

Zu diesen gehören unter anderem große Unternehmen wie Audi oder General Electrics - was Analyst Chowdhry nicht von seiner Skepsis abbringt. Es sei wie mit anderen Internetphänomenen: "Noch vor kurzem dachte man, Groupon übernimmt die Welt, und Zynga zerstört den Videospiel-Giganten Electronic Arts" Nichts davon sei geschehen.

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen Dingen, die 'cool' sind und jenen, die von Dauer sind", sagt Chowdhry. Und an neuen "coolen" Ideen aus dem Netz herrscht kein Mangel.

(AFP)
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