Netzpolitik Wie Politiker im Netz nach jungen Wählern fischen

Berlin · Die Bundeskanzlerin lässt sich von einem YouTuber interviewen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier postet die aktuellen Pop-Charts auf seiner Facebook-Seite, CSU-Hardliner Markus Söder präsentiert sich als Franz Josef Strauß-Fanboy und die Grünen setzen auf Memes. In der Sommerpause blüht die deutsche Politik im Netz erst so richtig auf. Doch taugt das etwas?

LeFloid interviewt Angela Merkel
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LeFloid interviewt die Kanzlerin

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Foto: afp, dg

Die Bundeskanzlerin lässt sich von einem YouTuber interviewen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier postet die aktuellen Pop-Charts auf seiner Facebook-Seite, CSU-Hardliner Markus Söder präsentiert sich als Franz Josef Strauß-Fanboy und die Grünen setzen auf Memes. In der Sommerpause blüht die deutsche Politik im Netz erst so richtig auf. Doch taugt das etwas?

Das politische Berlin ist mitten in der Sommerpause — die Social Media-Profile von Parteien und Politikern erleben dagegen gerade ihren zweiten Frühling. Angela Merkel ist schon seit sieben Wochen mit einem eigenen Profil in dem Fotonetzwerk Instagram aktiv. Ihr Team dokumentiert hier mit verschiedenen Bildern die politische Arbeit der Kanzlerin. Bei Twitter übernimmt Regierungssprecher Steffen Seibert diesen Job und auch bei Facebook hat die Bundesregierung eine eigene Seite.

"Das Internet ist für uns alle Neuland."

Von wegen Neuland! Zwei Jahre ist diese Aussage nun schon her. Seitdem hat sich viel getan. Angela Merkel ist mittlerweile dabei das Neuland zu erobern — und damit auch die junge Wählerschaft. Ein strategischer Schritt war das vieldiskutierte Interview mit YouTube-Star "LeFloid". "Das war ein sehr intelligenter Schachzug", meint der Politikberater Martin Fuchs im Gespräch mit unserer Redaktion. "Im Grunde ist das aber drei Jahre zu spät. Es ist wichtig dahin zu gehen wo die Zielgruppen sind. Barack Obama hat das im Gegensatz zu Angela Merkel schon länger verstanden." Fuchs hätte Merkel deshalb auch am liebsten in LeFloids Schlafzimmer gesehen, anstatt im kühl wirkenden Kanzleramt.

Fest steht: Social Media ist in der deutschen Politik endgültig angekommen. Insbesondere qualitativ gibt es aber noch großen Nachholbedarf. "Es gibt keine Einbindung, keine Interaktion und keinen Dialog", kritisiert Fuchs. "Deutschland ist in Bezug auf soziale Netzwerke kein Entwicklungsland mehr, aber es gibt noch viel zu entwickeln."

Steinmeier verfolgt die Charts

Während auf den Netz-Plattformen vieler Landespolitiker in der Sommerzeit Leere herrscht, arbeiten die Teams der Spitzenpolitiker fleißig ihre Redaktionspläne ab. Hinter jedem Post stecken strategische Gedanken. So auch auf der Seite von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Er ist eigentlich eher durch seine staatsmännischen Auftritte bekannt. Interviews gibt er bevorzugt auf dem Rollfeld von Flughäfen. Die Krawatte sitzt immer perfekt, die Miene ist stets ernst. Doch plötzlich zeigt sich dieser Frank-Walter Steinmeier im Netz von einer ganz anderen Seite.

Glückwunsch an Felix Jaehn! Er führt als erster Deutscher seit 26 Jahren wieder die Spitze der US-amerikanischen...

Bei Facebook gratuliert er dem deutschen DJ Felix Jaehn zu dessen Führung in den US-amerikanischen Billboard-Charts. "Eine kluge Social-Media-Strategie von Frank-Walter Steinmeier auch mal ein Randthema aufzugreifen, das keinen Bezug zur Politik hat", meint der Medien-Journalist Julian Heck. "Er hat ein Thema angesprochen, das vor allem jüngere Leute betrifft. Damit dürfte er Pluspunkte bei jungen Wählern sammeln." Ein lockerer Musik-Post signalisiert Bürgernähe. Ob sich da gerade jemand mit Hilfe der sozialen Netzwerke für die Kanzlerkandidatur 2017 in Stellung bringt?

Markus Söder als Strauß-Fanboy

In Stellung gebracht hat sich auf jeden Fall der bayerische Finanzminister Markus Söder. Er wird schon lange als Kronprinz von Horst Seehofer gehandelt. Dem Image des konservativen Bayern will auch Söder treu bleiben. Er teilte bei Facebook stolz ein Jugendfoto mit einem Franz-Josef- Strauß-Plakat. Dafür erntete Söder im Netz mächtig Häme.

Das war das Poster übr meinem Bett in der Jugendzeit was hing bei euch?

"Söder hat das sehr intelligent gemacht", lobt dagegen Politikberater Martin Fuchs. "Mit dieser Aktion war er deutschlandweit im Gespräch. Er ist ja bekannt für Provokationen und hatte das Ziel, seine Homebase zu erreichen — das ist ihm gelungen." Über den Facebook-Post und die mediale Berichterstattung hat Söder Millionen von Menschen erreicht — dass er mit diesem Bild aneckt war ihm natürlich im Vorfeld bewusst.

Die Grünen setzen auf Memes

Die Grünen geben sich in den sozialen Netzwerken betont frech. Bunte Bilder, große Überschriften und sogar Memes. Beispiel: Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld als verfassungswidrig einstufte, posteten die Grünen das "Success Kid" — ein kleines Kind, das selbstbewusst in die Kamera schaut und siegessicher die rechte Faust ballt.

Yes! Das Bundesverfassungsgericht urteilt einstimmig, dass das #Betreuungsgeld verfassungswidrig ist. Eine weitere...

Im Netz ist dieses Motiv seit Jahren Kult. Und auch die Grünen waren damit erfolgreich: fast 1.000 Mal wurde dieses Bild geteilt. "Das war gut gemacht. Die Grünen wissen, wie das Netz tickt", sagt Fuchs.

Profi-Tipps für Social Media

Bei einem erfolgreichen Social Media Auftritt zählen vor allem drei Dinge meint Politikberater Martin Fuchs:

  1. Authentizität: Politiker sollen sich nicht verstellen und verbiegen, sondern einfach so bleiben wie sie sind. "Wer versucht gezwungen jugendlich rüberzukommen, hat gleich verloren", meint Social-Media-Profi Fuchs.
  2. Dialog leben: Fragen müssen beantwortet werden. Gerade kritische Kommentare zeigen, dass sich Menschen mit den Positionen der Politiker auseinandersetzen. "Wer nicht antwortet, verpasst den Dialog mit potentiellen Wählern", sagt Fuchs.
  3. Aufbereitung von Informationen: Jedes Netzwerk hat seine eigene Logik. "Politiker, die bei Facebook mehrseitige PDF-Dokumente hochladen, haben nichts verstanden", kritisiert Fuchs. Inhalte müssten als Infografiken aufbereitet werden. Sie müssen "sharable" also teilbar sein, so der Experte.
(RPO)
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