Netflix-Gründer Reed Hastings im Interview "In zwei Jahren wollen wir eine deutsche Serie anbieten"

Berlin · Während in Deutschland dem TV-Publikum Netflix noch unbekannt ist, ist dieser Service in den USA ein Platzhirsch. Ein Drittel des gesamten Datenverkehrs im Internet wird von Netflix-Kunden verursacht. Selbst YouTube und Facebook schaffen das nicht. Wird Netflix diesen Erfolg in Deutschland wiederholen können? Netflix-Gründer Reed Hastings spricht im Interview mit unserer Redaktion über seine Pläne.

 Daniel Fiene im Gespräch mit Netflix-Gründer Reed Hastings.

Daniel Fiene im Gespräch mit Netflix-Gründer Reed Hastings.

Foto: Daniel Fiene

In den USA hat Netflix die gesamte TV-Branche verändert. Inzwischen gibt selbst der große Kabelnetzanbieter Comcast zu, weniger Abonnenten als Netflix zu haben. Weltweit gibt es mehr als 50 Millionen Mitglieder. Jeder dritte amerikanische Haushalt ist inzwischen bei Netflix angemeldet — ähnliches möchte der Streamingdienst auch in Deutschland schaffen.

Zum Interview hat Netflix-Vorstandsvorsitzender und Mitgründer Reed Hastings uns mit einem großen Seufzer begrüßt: "Die Inhalte sind bei Ihnen ganz schön teuer." Der Weg wird für Netflix in Deutschland nicht leicht.

Netflix schlägt zum deutschen Start deswegen bescheidene Töne an, denn der Fernsehmarkt ist nicht einfach. In kaum einem Land gibt es so viele frei empfangbare TV-Programme wie in Deutschland. Selbst der PayTV-Anbieter Sky hat mit seinem Vorläufer Premiere 20 Jahre gebraucht, um auch finanziell ein Erfolg zu sein. Netflix konzentriert sich deswegen in seiner Botschaft aufs Wesentliche: Keine Werbung, eine möglichst einfache Menüführung auf allen Geräten und möglichst viele Inhalte auch parallel zum US-Start in Deutschland anbieten zu können.

Gab es von der Konkurrenz schon Blumen zur Begrüßung?

Hastings Unsere Konkurrenz ist vielfältig. Wenn Sie an einem Dienstagabend nach Hause kommen und sich entspannen wollen, dann können Sie ein Bier trinken, joggen gehen oder Fußball, Netflix, eine DVD oder lineares Fernsehen einschalten. Sie können aber auch ein Videospiel zocken. Wir stehen in Konkurrenz zu alldem, was Ihre Interessen und Ihre Zeit in Anspruch nimmt. Wir gewinnen den Wettbewerb, wenn Sie Netflix nutzen und dann Mitglied bleiben. Wenn wir nicht die beste Wahl sind, werden Sie am Ende sogar kündigen.

Mit Amazon und Maxdome gibt es große Konkurrenz. Warum soll sich der Kunde für Netflix entscheiden?

Hastings Wir haben wirklich viel Konkurrenz. Es gibt Sky, Maxdome und Watchever. Die Liste ist lang. Aber jeder kann Netflix kostenlos ausprobieren. Wir haben wunderbare Serien wie "Orange is the new Black", "Hemlock Groove" oder "Blacklist" - die gibt es nur bei uns zu sehen.

Sie haben sich drei Jahre für den Markteintritt in Deutschland vorbereitet. Wo lagen da die Schwierigkeiten?

Hastings Deutschland ist ein sehr großer Markt - und ein sehr teurer Markt. Wir brauchten sehr viel Geld um viele Inhalte anbieten zu können. Wir gehen hier eine große finanzielle Wette ein. Deswegen haben die Vorbereitungen so lange gedauert.

Was ist die Idee hinter Netflix? Sie haben mit einem DVD-Versandverleih angefangen und dann auf Streaming umgestellt. Wird irgendwann etwas anderes kommen, um der Gründungs-Idee hinter Netflix treu zu bleiben?

Hastings In den ersten zehn Jahren haben wir in den USA die DVDs per Post verschickt. Dann sind wir zum Streaming gewechselt und expandieren damit jetzt weltweit. Mittlerweile entwickeln wir auch eigene Serien. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten beim Streamen bleiben. Es geht darum, einen Internetfernsehdienst anzubieten, der so einfach zu nutzen sein soll, dass Sie gar nicht merken, dass sie sich gerade im Internet befinden. Wir wollen uns so verbessern, dass Sie niemals einen Ladebalken sehen. Es soll auch keine Unterbrechung geben. Sie sollen eine große Auswahl haben und diese auf jedem Bildschirm abrufen können, der mit dem Internet verbunden ist. Egal ob Smart-TV, Tablet oder Smartphone. Vielleicht können Sie Netflix sogar mit Ihrer Google Glass sehen.

Aber eine Uhr wäre vermutlich zu klein ...

Hastings Für Sie und mich ist die Uhr zu klein, aber wer weiß ob die Jugend selbst nicht eine Uhr nutzen möchte.

... dann können die Eltern nicht zu sehen. In den USA haben vor allem junge Zuschauer den Kabelanschluss abbestellt und konsumieren ihre Filme und Serien nur über Netflix. Hier in Deutschland ist die Situation eine andere: Hier hat kaum jemand Apple TV. Das TV-Verhalten ist ein anderes. Wieviele Kunden erwarten Sie in fünf Jahren?

Hastings Wie in den USA wollen wir ein Drittel der deutschen Haushalte als Kunden gewinnen. Aber das wird wie in den USA fünf bis zehn Jahre dauern.

Sie planen also längerfristig.

Hastings Richtig. Wenn wir uns das Wachstum des Internets anschauen, ist Internetfernsehen ein wichtiger Aspekt. Wir sind ein Kanal, der Internetfernsehen anbietet. Es gibt auch viele andere Kanäle, die das ebenso tun. Die senden Sport und Nachrichten, aber das ist nicht unser Bereich. Wir kümmern uns um Filme und Serien.

Wann zeigt Netflix Live-Events, wie zum Beispiel das Fußball-WM-Finale?

Hastings Das wird noch sehr lange dauern. Wir konzentrieren uns auf Filme und Serien und haben da noch sehr viel vor. Darauf konzentrieren wir uns jetzt. Deswegen zeigt Netflix keine Live-Events in den nächsten Jahren.

Was steckt hinter dieser strategischen Entscheidung? Zeigen Ihre Daten, dass Live-Ereignisse beim Publikum vom Morgen nicht mehr gefragt sind?

Hastings Es gibt großartige Live-Events, aber darum geht es bei Netflix einfach nicht. Wir machen auch keine Koch- oder Haushaltsvideos. Musikvideos gibt es bei uns nicht zu sehen. Unser Erfolg liegt darin, dass wir uns auf einen Bereich fokussiert haben.

Netflix analysiert sehr genau die Sehgewohnheiten seiner Zuschauer. Daraus ergeben sich individuelle Empfehlungen, die Sie den Zuschauern anbieten. Lassen Sie uns einen Blick hinter die Kulissen Ihrer Zentrale in Los Gatos (Kalifornien) werfen: Was können Sie mit den ganzen Daten machen?

Hastings Unser Ziel ist es, die Benutzung von Netflix möglichst einfach anzubieten. Es dreht sich alles um Inhalte. Wenn Sie kleine Kinder haben, die viele Cartoons schauen, dann gibt es einen Bereich speziell für Kinder. Wenn Sie Netflix nutzen, dann möchten Sie Ihre Lieblingsinhalte angezeigt bekommen. Wir versuchen also für jede Person ein individuelles Angebot zusammenzustellen.

Wie beeinflussen die Daten, welche Inhalte Sie für Netflix einkaufen oder sogar eigene Produktion in Auftrag geben?

Hastings Das ist unser großer Vorteil. Wir können genauer Inhalte bereitstellen, die die Kunden nicht nur schauen, sondern lieben. Wir können uns die Daten ansehen und schauen welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es mit anderen Produktionen gibt. Wir können sehen, wie die Leute auf die einzelnen Inhalte reagieren. Was sie mögen und was nicht mögen.

Sind herkömmliche TV-Sender auf Ihre Möglichkeiten neidisch?

Hastings Unser Vorteil ist, dass wir im Internet geboren wurden. Wir beobachten, dass traditionelle Sender ganz langsam auch zu Internet-Anbietern werden. In den USA hat der Pay-TV-Anbieter HBO als Reaktion "HBO go" gestartet. Die BBC hat ihren iPlayer gestartet. In Deutschland beobachten wir das auch. Jeder versucht auf seiner Art und Weise gute Inhalte im Internet anzubieten.

Lassen Sie uns einen Blick auf Ihre Tarife werfen. Bei Ihrer deutschen Konkurrenz bezahlen die Kunden mehr, wenn sie die Inhalte auch offline nutzen möchten. Eine Offlinefunktion gibt es bei Netflix nicht. Bei Ihnen zahlen die Kunden mehr, wenn sie die Inhalte in HD oder auf mehreren Geräten parallel schauen möchten. Warum hat sich Netflix für dieses Tarifmodell entschieden?

Hastings Der Netflix-Zugang mit der normalen SD-Bildqualität ist nicht sehr teuer. Wir nehmen einen Euro zusätzlich im Monat, wenn die Bilder in High Definition (HD) gezeigt werden. Für UltraHD nehmen wir drei Euro mehr. Sie können Netflix auf so vielen Geräten nutzen, wie sie möchten. Im HD-Paket können bis zu zwei Nutzer parallel einen Netflix-Account nutzen. Im UltraHD-Paket können bis zu vier Nutzer parallel schauen. Dieses Modell ist in Tests sehr gut bei unseren Mitgliedern angekommen. Wir hätten auch unsere Eigenproduktionen nur in teureren Paketen anbieten können, dafür haben wir uns aber nicht entschieden.

Streaminplattformen bieten grundsätzlich viele ältere Inhalte an. Kunden müssen oft lange warten bis neue Serien oder aktuelle Kinofilme ankommen. Wie will Netflix dieses Problem in den Griff bekommen?

Hastings Gerade bei TV-Serien hat es uns sehr frustriert, dass die Wartezeiten so lang sind. Besonders außerhalb der USA. Deswegen haben wir die Eigenproduktionen eingeführt. Bei Filmen ist das ähnlich. Wahrscheinlich müssen wir auch Filme selber produzieren, damit die gleichzeitig im Kino und auf Netflix abrufbar sind.

Haben Sie da konkrete Pläne?

Hastings Nichts, was ich heute ankündigen kann.

Es gibt das Gerücht, Netflix arbeitet auch an einer deutschen Produktion. Wann können wir die erwarten?

Hastings Wir bekommen bereits Vorschläge. In den nächsten ein bis zwei Jahren könnte es soweit sein. In Norwegen haben wir mit Lillyhammer schon eine eigene Serie. Auch in Frankreich und Mexiko haben wir schon lokale Produktionen. Wir sind also auch in Deutschland offen für das Thema und suchen jetzt nach der richtigen Idee.

Wir haben auch Ihre Fragen mit zu unserem Interview mit Netflix mitgenommen. Lesen Sie die Antworten von Netflix hier nach.

(dafi)
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