Massenabmahnungen im Fall "Redtube" Verwechselte das Gericht Tauschbörse mit Streaming-Dienst?

Köln · Haben sich die Richter in dem spektakulären Fall um Urheberrechtsverletzungen bei "Redtube" hinter das Licht führen lassen? Experten glauben, dass das zuständige Landgericht Köln nicht zwischen Tauschbörse und Streamingdienst unterschieden hat.

Abgemahnte Nutzer der Streamingseite "Redtube" sollen 250 Euro zahlen.

Abgemahnte Nutzer der Streamingseite "Redtube" sollen 250 Euro zahlen.

Foto: Screenshot

Tausende Nutzer gestreamter Sexfilme im Internet sehen sich mit Abmahnungen konfrontiert. Eine Anwaltskanzlei hat mehrere tausend Abmahnschreiben an Nutzer des Internet-Pornoportals Redtube.com verschickt. Beauftragt wurde die Kanzlei Urmann und Collegen aus Regensburg offenbar vom schweizerischen Rechtevertreter "The Archive". Den Nutzern der Sexfilm-Seite wird vorgeworfen, durch die Nutzung der auf Redtube gestreamten Filme das Urheberrecht verletzt zu haben. Die abgemahnten Nutzer sollen eine Unterlassungserklärung unterschreiben und 250 Euro an den Rechtevertreter "The Archive" überweisen.

Bisher bleibt im Dunkeln, wie die Kanzlei an die IP-Adressen der Betroffenen herangekommen ist. Klar ist hingegen, dass sich der Rechtevertreter "The Archive" in etwa hundert Auskunftsanträgen mit diesen IP-Adressen an das Landesgericht Köln gewandt hat. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte der Nachrichtenagentur dpa am Montag, das Landgericht habe zugestimmt, dass bei den Internetprovidern wie der Deutschen Telekom die Hausanschriften der Betroffenen mit Hilfe der IP-Adressen ermittelt werden konnten. Das Landgericht erteilt solche Auskunftsbeschlüsse nach Paragraf 101 des Urheberrechts immer dann, wenn eine vermutliche Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Ist auch das Anschauen illegal?

Genau diese Urheberrechtsverletzung bezweifelt der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke. Er vertritt nach eigenen Angaben viele der Betroffenen. Bislang ist es juristisch umstritten, ob sich nur derjenige strafbar macht, der urheberrechtlich geschütztes Material illegal verbreitet, oder auch derjenige, der die gestreamten Filme anschaut. "Aus meiner Sicht haben sich die Konsumenten nicht strafbar gemacht", sagte Solmecke am Montag. Rechtlich entscheidend sei in diesem Fall, ob die Nutzer offensichtlich erkennen konnten, dass die Filme rechtswidrig auf dem Portal verbreitet wurden. "Anders als im Beispiel der Website Kino.to ist dies bei den Filmen von Redtube aber nicht der Fall", sagte Solmecke.

Die Nutzung von gestreamten Filmen und Musik befindet sich bislang in einer juristischen Grauzone. Anders als beim illegalen Filesharing, wo die Nutzer auf Tauschbörsen Dateien hochladen und anderen Nutzern anbieten, werden gestreamte Filme nicht oder nur für wenige Sekunden auf dem Rechner des Konsumenten gespeichert. Vor diesem Hintergrund hätte das Landgericht Köln nicht die Kundendaten zu den betroffenen IP-Adressen anfordern dürfen. Möglicherweise haben die Richter Streaming und Tauschbörse miteinander verwechselt, wie "Die Welt" berichtet.

Rechtsanwalt: Unterlassungserklärung nicht unterschreiben

Solmecke rät allen Betroffenen, weder die Unterlassungserklärung zu unterschreiben noch die 250 Euro zu überweisen, sondern juristisch Einspruch gegen die Abmahnung einzulegen. Er schätzt, dass bislang mehr als 10.000 Abmahnungen verschickt worden seien und weitere in der nächsten Zeit folgen werden. Die Abgemahnten würden aufgefordert, das Geld an "The Archive" zu überweisen.

Die Kanzlei Urmann und Collegen war in der Vergangenheit bereits durch eine ungewöhnliche Abmahnaktion aufgefallen. So drohte sie im vergangenen Jahr an, Namen von Internet-Nutzern wegen illegaler Porno-Downloads online an einen Pranger zu stellen. Dieses Vorhaben wurde von Essener Landgericht gestoppt. Zum aktuellen Fall konnte die Kanzlei telefonisch nicht erreicht werden. Sie antwortete auch nicht auf E-Mails.

(dpa)
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