Zwischen Fahndungsmeldungen und Blitzerkontrollen Was die NRW-Polizei wirklich auf Facebook treibt

Düsseldorf · Ob Düsseldorf, Krefeld oder Köln: In vielen Städten in Nordrhein-Westfalen wendet sich die Polizei auch über Facebook an die Bürger. Deswegen konnte bereits ein mutmaßlicher Mörder schneller überführt werden. Doch es gibt auch immer wieder Fälle, an denen die Polizei scheitert.

Was die NRW-Polizei wirklich auf Facebook treibt
Foto: Facebook

Februar 2014. Ein junger Mann erschlägt in Wetter an der Ruhr seine Großmutter mit einer Axt. Die Polizei Hagen sucht nach ihm mit einer Öffentlichkeitsfahndung, auch auf Facebook. Daraufhin melden sich gleich mehrere Zeugen bei der Polizei. Diese kann den mutmaßlichen Mörder so schon wenige Stunden später fassen. Einige Monate später wird er zu acht Jahren Haft verurteilt.

"Das war wohl am spektakulärsten", sagt Tino Schäfer, Sprecher der Polizei Hagen und hauptverantwortlich für den Facebook-Auftritt der Behörde, zusammen mit einem anderen Kollegen der Pressestelle. Seit dem Start im November 2013 sind mehr als 30.000 Nutzer Fan der Seite geworden, Beiträge wie die Warnung vor Kinderfotos haben ein Millionenpublikum erreicht.

 "Facebook-Kommissar" Tino Schäfer von der Polizei Hagen

"Facebook-Kommissar" Tino Schäfer von der Polizei Hagen

Foto: Polizei Hagen

Täglich von 7 bis 16 Uhr wird die Facebook-Seite in Hagen von den Beamten betreut. Sie veröffentlichen umgeschriebene Polizeiberichte, rufen zu Zeugenaussagen auf oder posten das "Wohnungseinbruchsradar", eine Karte mit den Orten aller Einbrüche der vergangenen Woche. Sind die Kommissare nicht im Büro, werden keine neuen Beiträge veröffentlicht. Die Kollegen der Polizei-Leitstelle prüfen aber weiter die Kommentare, die auf der Seite eingehen. "Dazu gibt es einen Erlass des Landes", erklärt Schäfer.

2014 hat das NRW-Innenministerium dieses Dokument, das unserer Redaktion in Auszügen vorliegt, herausgegeben. Die Kernbotschaft: Jede Polizeibehörde, die auf Facebook aktiv sein möchte, kann das gerne tun, muss sich dafür aber an bestimmte Regeln halten. So dürfen etwa keine Fahndungsfotos direkt auf Facebook eingestellt werden, damit die Behörden nicht die Kontrolle über deren Verbreitung verlieren. Außerdem müssen sich die Beamten auch "außerhalb der üblichen Bürodienstzeiten" um mögliche Hetzbotschaften oder Gefahrenmeldungen in den Kommentaren kümmern.

Doch das hat auch Grenzen. "Facebook kann den Notruf nicht ersetzen", betont Ministeriumssprecher Wolfgang Beus. Stattdessen sieht das Land die sozialen Netzwerke eher als weiteren Kommunikationsweg. "Das ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, andere Adressaten zu erreichen", erklärt er. Ob das eine Behörde auch umsetzt, kann diese jedoch selbst entscheiden. Bisher ist die Facebook-Präsenz der NRW-Polizei deshalb eher verhalten.

Von allen 47 Polizeikreisbehörden in Nordrhein-Westfalen haben gerade einmal 17 eine eigene Facebook-Seite. Zusätzlich betreibt das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten die Karriere-Seite der Polizei NRW. Zusammengenommen kommen die Polizei-Seiten auf mehr als 240.000 "Gefällt mir"-Klicks. Rechnerisch hat also von hundert NRW-Bürgern einer bei Facebook eine Polizei-Seite geliked. Eine eher ernüchternde Zahl.

Ein Problem ist - abhängig von der Behörde - der Faktor Personal. Beispiel: die Polizei Paderborn. "Für uns ist Facebook ein zusätzliches Tool, das wir nutzen können", sagt Polizeisprecher Michael Biermann. Er gibt aber auch zu: Facebook wirklich intensiv zu betreuen ist für die Paderborner Polizei schwierig. "Dazu sind wir personell nicht in der Lage", erklärt Biermann. "Wir haben ja auch noch andere Dinge zu tun."

Vier Mitarbeiter der Pressestelle kümmern sich in Paderborn um die Betreuung der Polizei-Facebookseite, allerdings nicht in Vollzeit sondern eher nebenbei. Von allen Kreispolizeibehörden in NRW ist die Behörde in Paderborn mit am wenigsten aktiv. In einer beispielhaften Woche hat sie gerade einmal zwei Beiträge abgesetzt, auf Kommentare reagiert sie so gut wie gar nicht.

Ein Zeitproblem: "Je mehr wir reinstellen, desto mehr Rücklauf bekommen wir", sagt Biermann. Auch Stephan Hegger von der Gewerkschaft der Polizei NRW sagt: "Die zeitliche Belastung lässt sich nicht wegdiskutieren" - auch wenn er in der Facebook-Nutzung durch die Polizei grundsätzlich eher Vorteile sehe.

Einige Behörden, wie etwa die Polizei im Kreis Wesel, verzichten wegen des hohen Aufwands sogar ganz auf eine Facebook-Präsenz. Und auch die Polizei im Rheinkreis Neuss hat sich gegen Facebook entschieden. "Ganz bewusst", erklärt Pressesprecherin Diane Drawe. "Bei einer 24-Stunden-Betreuung würden wir personelle Probleme bekommen", sagt sie.

Hinzu kommt eine generelle Skepsis. "Die dienstliche Nutzung von Facebook sehen wir kritisch. Aus unserer Sicht wird durch soziale Medien die unkritische Verbreitung von Gerüchten nur so befördert", sagt Drawe. Daran wolle sich die Neusser Polizei nicht beteiligen. "Wir setzen eher auf die direkte Kommunikation mit dem Bürger", erklärt sie.

Andere Behörden versuchen sich an einem Mittelweg. In Köln und Mönchengladbach betreibt die Polizei jeweils eigene Facebook-Seiten, legt aber kein Hauptaugenmerk darauf. Auf der Kölner Polizei-Facebookseite werden so vor allem Beiträge veröffentlicht, die sich direkt an den Pressemitteilungen der Behörde orientieren. Kein riesiger Aufwand, aber die Polizei zeigt Präsenz - auch nach den Vorfällen in der Silvesternacht. "Es ist nicht so, dass wir uns überfordert fühlen", sagt Heinz-Josef Winkels aus dem Facebook-Team der Kölner Polizei.

Ähnlich sieht es die Polizei Krefeld. Sie ist seit November 2013 auf Facebook Hier haben die Beamten jedoch auch ganz bewusst auf eine bestimmte Funktion verzichtet: "Man kann uns keine Privatnachrichten schicken", erklärt Monika Stierle. "Wir müssen für uns auch abschätzen, was wir leisten können", sagt sie. Den Notruf 110 könne Facebook nun einmal nicht ersetzen.

Trotzdem passiert es auch in Krefeld, dass sich Nutzer nach einem Facebook-Beitrag nicht telefonisch bei der Polizei melden, sondern einfach einen Kommentar posten. "Die Menschen unterscheiden da nicht. Aus deren Sicht haben sie sich ja bei der Polizei gemeldet", sagt Stierle. Auch wenn auf jeder Facebook-Seite der Polizei NRW auf einem roten Banner steht: "In dringenden Fällen: Polizeiruf 110".

"Das Thema steckt immer noch in den Kinderschuhen", bewertet Tino Schäfer in Hagen die Situation der NRW-Polizei auf Facebook. Ob und wie intensiv die sozialen Netzwerke von einer Behörde genutzt werden, das sei "häufig auch generationsbedingt" und damit abhängig von den einzelnen Beamten. Sprich: Gibt es vor Ort einen jungen Kollegen, geht die Bedienung der eigenen Facebook-Seite häufig auch leichter von der Hand.

Zwei Mal hat die Polizei Hagen schon Anzeige wegen eines volksverhetzenden Kommentars auf ihrer eigenen Seite erstatten müssen. Trotzdem ist Schäfer von Facebook überzeugt, gibt auf einer halbjährlichen Konferenz der Landespolizei anderen Kollegen auch immer wieder Tipps, denn, so sagt er: "Es wäre fatal, wenn man soziale Netzwerke ignorieren würde."

(hebu)
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